Erfolgreiches Fundraising in schwierigen Zeiten

Autor: Erdinç Koç
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Die letzten Jahre waren turbulent und viele Start-ups kämpften ums Überleben. Die größte Herausforderung für junge Gründerteams ist laut Startup Monitor 2023 die Kapitalbeschaffung, gerade wenn die Wirtschaft kriselt. Wie schaffen es junge Unternehmen, inmitten von Inflation, Krieg und wirtschaftlicher Flaute Investor*innen zu überzeugen und an Kapital zu kommen?

Der MediaTech Hub Accelerator hat kürzlich zwei erfolgreiche Finanzierungsrunden von CI Hub und promiseQ unterstützt. Erdinç Koç leitet den MTH Accelerator und teilt in diesem Artikel Strategien, die sich bewährt haben, ergänzt von Learnings und Tipps der beiden Gründungsteams.

Ziel des MediaTech Hub Accelerator ist es, Start-ups durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen in die Lage zu versetzen, ihre Fundraising-Pläne erfolgreich umzusetzen. Dafür steht ihnen ein Netzwerk von Gründer*innen, Investor*innen und Branchenexpert*innen zur Verfügung. Der MTH Accelerator ist das einzige Accelerator-Programm in Berlin und Brandenburg, das nicht nur das einzige in der Region ist, sondern auch auf MediaTech-Start-ups und Investment Readiness fokussiert. Gegründet wurde der MTH Accelerator 2019, initiiert von der Universität Potsdam, dem Hasso-Plattner-Institut und der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.

So überzeugten zwei Start-ups aus dem MTH Accelerator die Investor*innen

CI Hub konnte die Investoren mit einer innovativen Technologie begeistern, die das Management von digitalen Assets revolutioniert. Durch die klare Kommunikation des Mehrwerts und einer soliden Marktanalyse sicherte sich CI HUB ein signifikantes siebenstelliges Investment, das sowohl von neuen als auch von bestehenden Investor*innen – trotz angespannter Wirtschaftslage.

Die überzeugenden Faktoren waren die konsequente Planverfolgung in den letzten vier Jahren seit Gründung (2019), das Nutzen von Netzwerken und das langfristige Interesse der Investoren. Zudem präsentieren die Gründer ein starkes Team. Mit der Kapitalerhöhung plant CI HUB, den Vertrieb zu verstärken und die Marktpräsenz, besonders in den USA, auszubauen.

„Unsere wichtigsten Learnings aus der letzten Finanzierungsrunde sind klar: Netzwerke und langfristige Beziehungen zu Investoren sind von entscheidender Bedeutung. Hier hat uns das Netzwerk des MTH Accelerators gute Kontakte gebracht. Nur durch die konsequente Umsetzung unserer Pläne konnten wir das Vertrauen unserer Investoren gewinnen. Mit der neuen Finanzierung werden wir verstärkt in den Vertrieb investieren, um unsere Reichweite und Marktpräsenz weiter auszubauen. Mein wichtigster Tipp an andere Gründer*innen – verdient Geld mit eurem Geschäftsmodell und nehmt nur so viel fremdes Geld, wie ihr benötigt“, so Andreas Michalski, Gründer und CEO von CI Hub.

promiseQ hat Investor*innen mit der Entwicklung einer KI-basierten Videoüberwachungs- technologie überzeugt, die bestehende Sicherheitslösungen deutlich verbessert. Das Team setzte auf die Präsentation konkreter Anwendungsfälle und demonstrierte so die Praxistauglichkeit und Skalierbarkeit ihres Produkts. So konnte das Start-up erfolgreich eine siebenstellige Seed-Finanzierungsrunde abschließen, angeführt von ExtraVallis und APY Ventures. Mit dieser Finanzierung plant promiseQ, seine Produktentwicklung voranzutreiben und sein Wachstum zu beschleunigen. Die entscheidenden Faktoren für den Erfolg waren die fortschrittliche Technologie des promiseQube Edge-Geräts, das hochkarätige Team und die strategische Unterstützung durch Netzwerke.

„Die jüngste Finanzierungsrunde hat uns wertvolle Erkenntnisse gebracht: Erstens zeigt sich, dass eine innovative Technologie mit einem klaren Produktversprechen Investor*innen begeistert. Unsere revolutionäre KI-basierte Videoüberwachung bringt deutliche Verbesserungen in der Sicherheitsbranche. Zweitens sind strategische Partnerschaften und ein starkes Netzwerk, wie die Unterstützung durch den MTH Accelerator, von entscheidender Bedeutung bei der Investorensuche. Schließlich hat die Präsentation eines vielseitigen Teams mit globaler Expertise die Investoren überzeugt, weil wir so umfassende Lösungskompetenz bieten. Mein wichtigster Tipp an andere Gründer*innen: In der Welt der Startups und des Risikokapitals ist es wichtig, sich von dem Irrglauben zu verabschieden, dass es eine Schwäche sei, um Hilfe zu bitten. Im Gegenteil, es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern zeugt von Stärke und Einfallsreichtum“, konstatiert Tolga Ermis, Gründer und CEO von promiseQ.

Drei Tipps aus dem MTH Accelerator für erfolgreiche Finanzierungsrunden

  1. Verstehen des Markts und der Kund*innenprobleme
    Ein tiefes Verständnis des Zielmarktes und der spezifischen Probleme der Kund*innen ist entscheidend. Nur wer die tatsächlichen Bedürfnisse seiner Zielgruppe genau kennt, kann Lösungen entwickeln, die echten Mehrwert bieten und den Markt revolutionieren können.

     
  2. Fokus auf die Kund*innenbedürfnisse, nicht auf die der Investor*innen
    Erfolgreiche Start-ups konzentrieren sich darauf, ihre Kund*innen zufriedenzustellen, anstatt sich ausschließlich auf die Bedürfnisse der Investor*innen zu konzentrieren. Dieser Kundenfokus schafft nachhaltige Werte, die letztlich auch die Investor*innen überzeugen.

     
  3. Ständiges Testen und Anpassen
    Der Fundraising-Prozess erfordert Durchhaltevermögen. Ständig neue Materialien zu testen und aus den Reaktionen zu lernen, ist essenziell. Anpassungsfähigkeit in einem dynamischen Marktumfeld ist ein Schlüssel zum Erfolg.

Generelle Erfolgsfaktoren für Gründungsteams

Diese Fragen helfen dabei, die Erfolgsaussichten eines Start-ups realistisch einzuschätzen und entsprechend ihrer Bedarfe zu fördern:

  • Verstehen sie den Markt und die Kund*innenprobleme?
  • Können sie das Produkt bauen und verkaufen?
  • Sind sie in der Lage, ein skalierbares Unternehmen aufzubauen?
  • Arbeiten sie gut im Team und wie reagieren sie auf Konflikte?

Die Beantwortung dieser Fragen hilft den Start-ups nicht nur, sich auf Investor*innen vorzubereiten, sondern auch, ihre strategische Ausrichtung zu schärfen und ihre Position im Markt zu festigen.

Tipp der Redaktion: B2B SaaS Start-ups können sich bis zum 31. August 2024 für die nächste Kohorte beim MTH Accelerator bewerben, die am 11. Oktober 2024 startet. Hier teilnehmen!

Der Autor Erdinç Koç leitet den MTH Accelerator, der 2019 von der Universität Potsdam, dem Hasso-Plattner-Institut und der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF initiiert wurde. Koç war zuvor Venture Developer bei Rocket Internet und Investor bei APX. Er hat in den vergangenen Jahren rund 50 Start-ups aus dem Portfolio des MTH Accelerators beraten.

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Intralogistik skalieren ohne Chaos

Wie Start-ups Materialflüsse früh professionalisieren und so typische Stolperfallen vermeiden können.

Effiziente Intralogistik ist ein unterschätzter Erfolgsfaktor für wachsende Start-ups. Wer Materialflüsse erst optimiert, wenn das Lager überläuft, handelt zu spät. Schon in der Aufbauphase lassen sich Strukturen schaffen, die Wachstum ermöglichen, statt es zu bremsen. Transparente Prozesse, digitale Schnittstellen und ergonomische Abläufe senken nicht nur Kosten, sondern sichern auch Qualität und Liefertreue. Der folgende Leitfaden zeigt, wie junge Unternehmen ihre Intralogistik schrittweise professionalisieren und typische Stolperfallen vermeiden können.

Frühzeitige Planung schafft Spielräume

Ein häufiger Fehler junger Unternehmen ist, Lager und Logistik nur als Nebenaufgabe zu betrachten. Dabei werden hier die Grundlagen für Liefergeschwindigkeit und Kundenzufriedenheit gelegt. Wer früh Flächenbedarf, Materialflusswege und Schnittstellen plant, spart später hohe Anpassungskosten. Auch einfache Tools wie Prozessdiagramme oder Lagerlayouts helfen, Engpässe zu erkennen. Besonders in der Wachstumsphase lohnt sich der Austausch mit spezialisierten Anbietern wie Toppy Deutschland, um geeignete Lösungen für Palettenhandling und Materialumschlag zu identifizieren.

Skalierbare Prozesse statt Ad-hoc-Lösungen

Wachstum bringt Komplexität. Viele Start-ups kompensieren diese mit mehr Personal, statt Abläufe zu automatisieren. Das führt langfristig zu Ineffizienz. Besser ist es, skalierbare Prozesse zu schaffen, die auch bei steigenden Stückzahlen stabil bleiben. Automatische Fördertechnik, modulare Regalsysteme und digitale Lagerverwaltungssysteme können hier entscheidend sein. Wichtig ist, in Prozessketten zu denken: Wareneingang, Kommissionierung, Verpackung und Versand müssen aufeinander abgestimmt sein. Nur so entstehen reibungslose Abläufe, die ohne ständige manuelle Eingriffe funktionieren.

Ergonomie und Arbeitssicherheit als Produktivitätsfaktor

In der Intralogistik entscheidet nicht nur Technik über Effizienz, sondern auch die Gestaltung der Arbeitsplätze. Zu hohe oder zu tiefe Greifpositionen, schwere Lasten und unübersichtliche Laufwege führen schnell zu Fehlern oder Ausfällen. Ergonomische Lösungen steigern Produktivität, weil sie Mitarbeitende entlasten. Mobile Palettenwechsler, höhenverstellbare Tische und automatische Hubsysteme reduzieren körperliche Belastungen und steigern gleichzeitig den Durchsatz. Ein ergonomisches Lager ist keine Kostenstelle, sondern ein zentraler Baustein für nachhaltige Effizienzsteigerung.

Digitalisierung gezielt einsetzen

Nicht jede digitale Lösung lohnt sich für jedes Start-up. Wichtig ist, zunächst die Prozesse zu verstehen, bevor Software eingeführt wird. Ein digitales Lagerverwaltungssystem bringt nur dann Vorteile, wenn Stammdaten gepflegt und Abläufe klar definiert sind. Sensoren, Scanner oder mobile Endgeräte können Fehlerquoten senken und Bestände in Echtzeit sichtbar machen. Entscheidend ist die Schnittstellenfähigkeit: Systeme müssen Daten austauschen können, um Medienbrüche zu vermeiden.

Kennzahlen und kontinuierliche Verbesserung

Effiziente Intralogistik lebt von Messbarkeit. Nur wer Prozesse kennt, kann sie verbessern. Relevante Kennzahlen sind unter anderem Durchlaufzeiten, Kommissionierfehler, Flächenauslastung und Lagerumschlag. Diese Daten liefern wertvolle Hinweise, wo Bottlenecks entstehen. Regelmäßige Auswertungen und kleine Anpassungen verhindern, dass sich Ineffizienzen einschleichen. Ein einfacher PDCA-Zyklus (Plan–Do–Check–Act) hilft, systematisch zu optimieren und schnell auf Marktveränderungen zu reagieren.

Investitionsentscheidungen mit System treffen

Investitionen in Lagertechnik oder Automatisierung sollten nie aus dem Bauch heraus erfolgen. Eine strukturierte Entscheidungsbasis ist unverzichtbar. Dazu gehören Wirtschaftlichkeitsrechnungen, Vergleich von Alternativen und Berücksichtigung von Wartungs- und Schulungskosten. Leasingmodelle oder Mietoptionen können sinnvoll sein, um Liquidität zu schonen. Ein Business Case zeigt, wann sich Investitionen amortisieren und welche Produktivitätsgewinne realistisch sind.

Beispielhafte Prüfkriterien vor einer Anschaffung:

  • Reduziert die Lösung manuelle Arbeit oder Durchlaufzeit?
  • Ist sie modular erweiterbar?
  • Wie hoch sind Schulungs- und Wartungsaufwände?
  • Passt sie zu vorhandenen Systemen?
  • Gibt es eine messbare Effizienzsteigerung?

Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz

Auch im Lager ist Nachhaltigkeit längst ein Wettbewerbsfaktor. Energieeffiziente Fördertechnik, Mehrwegverpackungen und kurze Wege sparen Ressourcen und senken Kosten. Moderne Anlagen erfassen Energieverbrauch und Laufzeiten automatisch, um Optimierungspotenziale sichtbar zu machen. Ebenso wichtig: Mitarbeiter sensibilisieren, Abfall vermeiden und Materialflüsse gezielt steuern. Wer Nachhaltigkeit in die Intralogistik integriert, stärkt nicht nur das eigene Image, sondern profitiert von langfristig stabilen Betriebskosten.

Zusammenarbeit zwischen Produktion und Logistik

Häufig arbeiten Produktion und Logistik nebeneinander statt miteinander. Dabei entsteht Wertschöpfung nur, wenn Materialfluss und Fertigungsplanung ineinandergreifen. Kurze Abstimmungswege, klare Verantwortlichkeiten und gemeinsame Kennzahlen schaffen Transparenz. In kleineren Teams kann schon eine wöchentliche Abstimmung große Effekte bringen. Besonders bei der Einführung neuer Produkte sollten Materialfluss, Verpackung und Lagerstrategie von Beginn an gemeinsam gedacht werden. So lassen sich spätere Korrekturen und teure Nachrüstungen vermeiden.

Skalierung als Daueraufgabe verstehen

Intralogistik ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Mit wachsendem Auftragsvolumen ändern sich Anforderungen, Lieferketten und Kundenerwartungen. Wer regelmäßig prüft, ob Prozesse und Technik noch passen, bleibt wettbewerbsfähig. Auch Schulungen und Wissenstransfer sind wichtig, damit Teams Veränderungen mittragen. Der Aufwand zahlt sich aus: Eine skalierbare, flexible Logistikstruktur ist die Basis für stabiles Wachstum.

Jetzt erst recht: Wie Krisen echte Gründer*innen hervorbringen

Deutschland erlebt ein Gründungs-Revival: 2024 wurden rund 585.000 neue Unternehmen registriert – ein Plus von 3 Prozent nach Jahren des Rückgangs. Dabei entstehen in Krisenzeiten oft die stärksten Innovationen: BioNTech, Flix oder 1komma5° wurden in Umbruchsphasen gegründet und sind heute Marktführer. Doch warum zögerten viele gerade während Pandemie und Energiekrise? Es fehlt nicht nur an Risikokapital, sondern auch am Mut, neue Wege zu gehen. Jetzt ist ein radikales Umdenken gefordert: weniger Angst vor dem Scheitern, mehr Fokus auf nachhaltige Geschäftsmodelle und Zukunftsmärkte. Warum Krisen der beste Zeitpunkt sind, um groß zu denken, liest du im Folgenden.

Inflation, Unsicherheit, Strukturwandel: Viele Menschen schrecken aktuell vor dem Schritt in die Selbstständigkeit zurück. Steigende Preise, schwankende Märkte und unklare Zukunftsaussichten lassen viele potenzielle Gründer*innen zögern. Doch genau in solchen Umbruchsphasen entstehen traditionell die stärksten Innovationen. Während der Finanzkrise 2008–2010 entstanden weltweit Startups wie Airbnb und Uber, die heute Milliardenunternehmen sind. Auch in Deutschland gibt es Beispiele: BioNTech (2008) stellte mitten in unsicheren Märkten die Weichen für mRNA-Forschung und rettete während Corona Millionen Leben. Flix (2013) nutzte die Krise und die Fernbus-Liberalisierung, um ein global führendes Mobilitätsunternehmen aufzubauen. Auch jüngere Unicorns wie Personio (HR-Tech) oder 1komma5° (Solar) zeigen: Krisen eröffnen enorme Chancen für diejenigen, die mutig handeln.

Paradox ist jedoch, dass ausgerechnet in den Hochzeiten der jüngsten Krisen – Pandemie, Energiepreisschock, geopolitische Unsicherheit – die Gründungsquote in Deutschland zunächst eingebrochen ist. Viele hielten sich zurück, aus Angst vor Risiko. Doch genau das macht die aktuelle Entwicklung so spannend: Nach Jahren des Rückgangs deutet sich eine Trendwende an. 2024 wurden in Deutschland rund 585.000 neue Unternehmen registriert – ein Plus von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wenn alte Geschäftsmodelle ins Wanken geraten und bestehende Strukturen nicht mehr funktionieren, öffnet sich Raum für neue Ideen, kreative Geschäftsansätze und disruptive Technologien.

Wer heute gründet, baut nicht nur ein Unternehmen auf, sondern gestaltet aktiv die Zukunft mit. Die aktuelle Krise ist kein Hindernis, sondern ein Katalysator für Fortschritt. Doch warum ist die Gründungsquote in Deutschland in den Hochzeiten der letzten Krisen nicht gestiegen, sondern sogar gesunken? Die Gründe sind vor allem im Mindset zu sehen: zu viel Vorsicht, zu wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Viele lassen sich von gescheiterten Start-up-Stories entmutigen – anstatt von erfolgreichen Beispielen inspirieren. Hinzu kommt die Finanzierungslücke: Während in den USA oder UK auch Frühphasen-Investments leichter zugänglich sind, stoßen Gründer*innen hierzulande oft auf Hürden.

Ein neues Narrativ für Gründer*innen

Laut KfW-Gründungsmonitor 2025 bevorzugen 36 Prozent der 18- bis 29-Jährigen Selbständigkeit gegenüber einer Anstellung. Die Planungsquote für Gründungen ist nach einem Tief im Jahr 2023 wieder gestiegen – aktuell verfolgen 4,9 Prozent der Bevölkerung konkrete Gründungspläne.  Gefordert ist ein Umdenken im Gründungsdiskurs: weg vom Businessplan-Dogma, hin zu Haltung, Resilienz und echten Netzwerken. „Zu viele bleiben in ihrer Idee stecken, anstatt ins Handeln zu kommen. Gerade in aktuellen Krisenzeiten zeigt sich, wer bereit ist, Systeme zu hinterfragen – und bessere aufzubauen. Wir brauchen Gründer*innen, die nicht nur an kurzfristigen Profit denken, sondern langfristig nachhaltige Unternehmen schaffen. Dabei zeigen die vergangenen Jahre, wie wertvoll Gründungen für eine ganze Volkswirtschaft sind. Weltweit wurden in Krisen neue Branchen geformt: Mobility (Flix), HealthTech (BioNTech), Renewable Energy (Enpal) oder HR-Tech (Personio). In unsicheren Zeiten wächst der Innovationsdruck dort am stärksten, wo alte Strukturen versagen – etwa im Gesundheitswesen, im Energiesektor oder in der digitalen Infrastruktur. Wer hier investiert, schafft nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern stärkt zentrale Zukunftsfelder.

Wirtschaftliche Bedeutung von Gründungen

Unternehmensgründungen sind weit mehr als individuelle Erfolgsgeschichten. Sie schaffen jedes Jahr Hunderttausende neuer Arbeitsplätze, treiben Innovationen voran und stärken den Wettbewerb – ganz nebenbei entlasten sie auch die öffentlichen Haushalte durch Steuererträge. Laut KfW Research tragen Start-ups entscheidend dazu bei, neue Technologien schneller in den Markt zu bringen und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Auf den Punkt gebracht: Wer gründet, schafft nicht nur für sich selbst neue Chancen, sondern immer auch für andere: Arbeitsplätze, Perspektiven und Impulse für ganze Branchen. Gründungen sind kein Nischenphänomen – sie sind ein zentraler Motor unserer Wirtschaft.

Auch im internationalen Vergleich zeigt sich Nachholbedarf: Nach OECD-Daten lag der Anteil von Venture Capital am deutschen Bruttoinlandsprodukt 2021 bei lediglich rund 0,11 Prozent – in den USA war er fast fünfmal so hoch. Wenn wir international mithalten wollen, müssen wir mutiger werden – und Krisen endlich als das sehen, was sie sind: der beste Zeitpunkt für neue Ideen und starke Unternehmen. Ich kenne diese Dynamik aus erster Hand: Mit meiner Beteiligung an GreenTech-Unternehmen wie Febesol und Thermondo will ich auch zeigen, dass nachhaltige Geschäftsmodelle gerade in Krisenzeiten enorme Relevanz gewinnen können – für die Umwelt, für Investor*innen und für ganze Wirtschaftszweige.

Generation Z denkt Gründen neu

Gerade die Generation Z bringt frischen Wind in die Gründungsszene. Studien zeigen, dass viele junge Menschen heute bereits unternehmerisch denken – aber zu eigenen Bedingungen: digital, flexibel und sinnorientiert. Laut der Bertelsmann-Studie „Pioneering Gen Z Entrepreneurs“ streben Gen Z-Gründer*innen bewusst nach Nachhaltigkeit, Anpassungsfähigkeit und kollaborativen Arbeitsweisen. Dabei verbinden sie wirtschaftlichen Erfolg mit Selbstbestimmung, Work-Life-Balance und Purpose – und schaffen so ein neues Gründer-Mindset.

Diese neuen Gründer*innen fragen nicht nur nach Rendite, sondern auch nach Sinn und Selbstbestimmung. Doch um dieses Potenzial freizusetzen, braucht es Rückenwind: weniger Bürokratie, bessere Förderprogramme, Steuererleichterungen, Zugang zu Risikokapital. Denn ohne den finanziellen Spielraum laufen viele gute Ideen Gefahr, in der Konzeptphase stecken zu bleiben. Deutschland kann es sich nicht leisten, Gründungstalente mit Purpose-Mindset zu verlieren. Wir brauchen mutige Anreize für die Generation, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.

Der Autor Daniel Fellhauer ist Seriengründer, Transformationsexperte und Buchautor. 2009 gründete er während der Finanzkrise die FEBESOL GmbH und baute in den Folgejahren mehrere Unternehmen im Bereich Solar, Wärmepumpen und erneuerbare Energien auf. Heute ist er Chief Transformation Officer bei Thermondo und eingesetzter CEO bei FEBESOL.

Mit wenig Geld groß denken

Wie Substanz statt Show zum Skalierungs-Booster werden kann, schildert Mladen Milicevic, Gründer und CEO von Unchained Robotics, aus eigener Start-up-Erfahrung.

In der Start-up-Welt gilt Venture Capital als der einzig wahre Wachstumsmotor. Doch ist das wirklich so? Die Entwicklung von Unchained Robotics zeigt etwas anderes: fünf Jahre, über 300 Kund*innen, zweistelliger Millionenumsatz – und das mit nur 7,7 Millionen Euro Funding. Schnelles Wachstum ist also auch ohne VC-Millionen möglich – mit Fokus auf Substanz statt Show und auf organisches Wachstum.

Mit wenig Geld skaliert es sich oft besser

Wenn ich eines in den vergangenen fünf Jahren gelernt habe, dann das: Mit wenig Geld skaliert es sich oft besser. Wer wenig hat, denkt schärfer und hinterfragt strenger, ob eine Investi­tion wirklich langfristig trägt. Ob sie dem Produkt dient – oder nur dem Pitchdeck. Bei uns war von Anfang an klar: Jeder Euro muss in Richtung Vision fließen. Und die heißt in unserem Fall: Roboter sollen so einfach bedienbar sein wie Smart­phones.

Zudem können Start-ups, die sich zu früh dem VC-Spiel hingeben, schnell in eine Tretmühle geraten: nächste Runde, nächste Bewertung, nächste Targets. Wer diese nicht erreicht, fällt durchs Raster, egal wie gut das Produkt ist. Das liegt in der Natur der VCs: Sie möchten durch einen Exit eine möglichst hohe Rendite auf ihr Investment erzielen. Für die geldwerte Unterstützung bekommt der VC ein Mitspracherecht am Kurs des Unternehmens. Kurz gesagt: Es muss skaliert werden. Und das möglichst schnell.

Die Robotikbranche ist für sich direkt hoch kapitalintensiv. Dagegen steht unser selbst gesetztes Ziel: ein skalierbares Produkt mit Marktreife entwickeln, bevor wir überhaupt über große Finanzierungsrunden sprechen. Und dabei ging es nicht um ein Minimal Viable Product, also die erste minimal funk­tionsfähige Iteration eines Produkts, die vielleicht für drei Kund*innen am Markt einsetzbar ist. Es ging um einen echten Product Market Fit. Wir haben also mit vergleichsweise wenig Kapital Produkte entwickelt, die das Marktproblem „fehlende Automatisierung in der Fertigung“ lösen, gleichzeitig unsere Zielgruppen analysiert und systematische Kund*innengewinnung betrieben. Das gestaltete den Einstieg in die Branche vielleicht zeitintensiver, aber gleichzeitig nachhaltiger.

Ganz bewusst haben wir uns in der Skalierung mehr Zeit gelassen als andere Unternehmen in der Branche, auf ein marktreifes Produkt und einen Kund*innenstamm gesetzt, der organisch wächst, statt auf schnelles VC-Wachstum.

Damit wir als Gründer das größte Mitspracherecht an der Richtung unseres Unternehmens behalten – und unsere Produkte nicht aufgrund von VC-Dynamiken langfristig vom Markt verschwinden. Um das generell zu vermeiden, müsste die Erfolgsformel für Start-ups „erst Substanz, dann Wachstum“ heißen, statt sich von Venture Capital als einzig wahrem Wachstumsmotor abhängig zu machen.

Wachstumskapital, aber richtig

Ich sehe Wachstumskapital nicht als Selbstzweck, sondern als ein gezieltes Werkzeug. Die entscheidende Frage ist nicht wie viel, sondern wann und wofür. In der Frühphase haben wir mit Family Offices und Fördermitteln gearbeitet, um unser Fundament zu legen: Technologie entwickeln, den Product Market Fit validieren, echte Kund*innenprobleme lösen. Erst als klar war, dass jeder in das Marketing investierte Euro einen mehr­fachen Return bringt, waren wir bereit für Venture Capital – zu unseren Bedingungen.

Drei Entwicklungen prägen unsere Reise

  • 2020: Launch unserer Plattform unchainedrobotics.de – der erste Online-Marktplatz für Automatisierung in Europa.
  • 2023: Markteinführung des MalocherBots mit unserer eigenen Software LUNA – ein entscheidender technologischer Durchbruch.
  • 2024: Der Sprung in die USA – mit mittlerweile fast 20 aktiven Robotersystemen in Tennessee und Umgebung.

Diese Meilensteine markieren mehr als nur Wachstum. Sie zeigen, dass unsere Strategie aufgeht: organisches Wachstum, technologische Unabhängigkeit, internationaler Relevanz­gewinn.

Eine Software für alle Roboter

Das Herzstück unseres USP ist LUNA – unsere eigens entwickelte Roboter-Software. Sie ermöglicht es, Roboter herstellerunabhängig mit derselben Benutzeroberfläche zu steuern – ohne Programmierkenntnisse und lange Einarbeitung.

Gerade in Zeiten, in denen kein Unternehmen mehr langfristig planen kann, ist Flexibilität das höchste Gut. Ein besonders prägnanter Anwendungsfall für den praktischen Einsatz ist das Projekt mit der ELHA Maschinenbau Liemke KG. Das mittelständische familiengeführte Unternehmen aus Ostwestfalen ist spezialisiert auf hochpräzise Werkzeugmaschinen für die metallverarbeitende Industrie. Schon während der Corona-Pandemie wurde dort deutlich, dass Automatisierung nicht länger ein Nice-to-have, sondern ein Muss für die Zukunftsfähigkeit des Betriebs ist. Der akute Fachkräftemangel machte es unmöglich, alle Produktionsprozesse durchgängig personell zu besetzen.

Gemeinsam haben wir eine automatisierte Anlage entwickelt, die mit dem MalocherBot und der Software LUNA einen zentralen in Schritt Richtung mannlose Fertigung ermöglichte.

Mit dem German Accelerator haben wir im Februar nun unser US-Netzwerk ausgebaut. In einem nächsten Schritt wollen wir lokale Supply Chains schaffen, Partnerschaften eta­blieren und Produktion ins Land holen. Denn während die USA ihre Industriepolitik neu ausrichten, entsteht ein Riesen­bedarf an Automatisierung. Robotik wird dort zur Schlüsseltechnologie. Zugleich investieren wir massiv in KI – damit Roboter künftig nicht nur Befehle ausführen, sondern auch Entscheidungen treffen. Von der Teileerkennung bis hin zum Greifverhalten: für maximale Autonomie bei maximaler Einfachheit.

Substanz schlägt Show – wenn man es richtig macht

Unser Weg zeigt: Es geht auch ohne frühes Venture Capital. Wir sind kein klassisches VC-gepushtes Start-up. Und genau das ist unsere Stärke. Wir haben gelernt, mit wenig viel zu erreichen – weil wir den Fokus behalten haben: auf das Produkt, auf die Kund*innen – und auf nachhaltige Skalierung.

Gleichzeitig haben wir ein Netzwerk aufgebaut – ebenfalls ein wichtiges Learning: Netzwerken ist alles. Die richtigen Menschen zur richtigen Zeit können ein ganzes Unternehmen transformieren. Oft kam der entscheidende Kontakt auf einem Event zustande, zu dem ich eigentlich gar nicht gehen wollte. Ob Gründer*innen, Mentor*innen oder Kund*innen – ohne diese Menschen wären wir heute nicht da, wo wir sind.

Schneller und innovativer denken – digitaler handeln

Hotspot Südostasien: Warum sich Gründer*innen und Start-ups im Handel stärker am südostasiatischen E-Commerce-Markt orientieren sollten.

Der E-Commerce befindet sich in einem rasanten Wandel – und nirgendwo wächst er derzeit so stark wie in Süd- und Nordasien. Dazu zählen dynamische Märkte wie Südkorea, Taiwan, Japan sowie die boomenden Wirtschaftsräume Südostasiens, darunter die Philippinen, Malaysia, Indonesien, Vietnam und Thailand. Während deutsche Start-ups oft noch auf klassische Handelsstrukturen setzen, hat sich diese Region zu einem globalen Wachstumsmotor entwickelt, in dem digitale und physische Vertriebskanäle nahtlos miteinander verschmelzen.

Für hiesige Gründer*innen und Start-ups eröffnet das enorme Chancen: Wer sich von den innovativen Geschäftsmodellen dieser Märkte inspirieren lässt, wird nicht nur im Wettbewerb besser mithalten, sondern kann selbst neue Maßstäbe setzen.

Ein Blick ins Innovationslabor

Südostasien steht exemplarisch für eine Region, in der besonders im Bereich Commerce Fortschritt und Anpassungsfähigkeit Hand in Hand gehen. Von Livestream-Commerce über die Integration von Finanzlösungen bis hin zur Nutzung von Super-Apps als Zahlungsmittel – die Region zeigt, wie Handel im digitalen Zeitalter neu gedacht werden kann. Plattformen wie Shopee und Lazada setzen auf hochpersonalisierte Kund*innenerlebnisse und nutzen dabei künstliche Intelligenz (KI) und Big Data, um Echtzeit-Lösungen zu bieten.

Das wirtschaftliche Potenzial der Region ist beeindruckend: Laut einer Analyse von Statista wird der Umsatz im E-Commerce-Markt Südostasiens im Jahr 2024 auf etwa 108 Milliarden Euro geschätzt. Bis 2029 soll der Markt mit einer jährlichen Wachstumsrate von 10,42 Prozent auf ein Volumen von rund 179,1 Milliarden Euro anwachsen. Diese Zahlen verdeutlichen nicht nur das enorme Wachstum, sondern auch die Innovationskraft der Region. Die Philippinen und Vietnam gehören zu den Ländern mit den höchsten Online-Nutzungsraten der Welt.

Wichtige Trends aus Südostasien

Deutsche Gründer*innen können von diesem Pioniergeist lernen und ihre eigenen Ansätze radikal hinterfragen. Welche Trends entstehen in Südostasien, die auch hierzulande das Potenzial haben, traditionelle Ansätze zu transformieren?

Mobile First: Die Zukunft ist mobil

Einer der markantesten Pfeiler der südostasiatischen Märkte ist der konsequente Fokus auf mobile Technologien. Smartphones sind dort nicht nur Kommunikationsmittel, sondern zentrale Plattformen für Handel, Unterhaltung und Banking. Laut einer Studie von Meta und Bain tätigen Konsument*innen bereits einen Großteil der Online-Käufe über mobile Endgeräte. In Südostasien sind Apps wie TikTok Shop, auf denen Verkauf, Unterhaltung und soziale Interaktion miteinander verschmelzen, schon fest etabliert.

Hierzulande wird Social Media bislang primär als Marketingkanal genutzt – ein Ansatz, der überdacht werden sollte. Gründer*innen müssen digitale Strategien entwickeln, die soziale Plattformen als integrale Vertriebskanäle nutzen. Dies erfordert nicht nur technologische Anpassungen, sondern auch ein tiefes Verständnis dafür, wie sich Konsumverhalten im digitalen Raum entwickelt.

Super-Apps: Die Macht der Integration

Ein weiterer Trend in Südostasien sind Super-Apps wie Zalo, Grab und Gojek. Diese vereinen eine Vielzahl von Dienstleistungen – von Essenslieferungen über Mobilität bis hin zu Finanzdienstleistungen – in einer einzigen Plattform. Der Vorteil: Nutzer*innen bleiben länger innerhalb des Ökosystems, was die Kund*innenbindung stärkt und zusätzliche Einnahmequellen erschließt.

In Deutschland und Europa gibt es noch keine Super-App auf dem Markt, auch wenn viele FinTechs wie Revolut, Vivid oder Klarna daran arbeiten. Mit den Vorbildern aus Südost­asien sollten sich deutsche Start-ups häufiger die Frage stellen: Wie lassen sich verschiedene Angebote sinnvoll mit­einander verknüpfen?

Statt einzelne Produkte oder Dienstleistungen isoliert anzubieten, sollten sie umfassende Lösungen schaffen, die den Alltag der Kund*innen effizienter gestalten. Dieser Ansatz erfordert zwar oftmals eine strategische Neuausrichtung, bietet jedoch erhebliches Potenzial für Wachstum und Differenzierung.

Künstliche Intelligenz: Mehr als nur ein Buzzword

Auch wenn KI mittlerweile im deutschen Handel angekommen ist, verläuft die Umsetzung noch schleppend. Oftmals fehlt das Know-how, was mit KI überhaupt alles möglich ist und wie sie sich in die vorhandenen Prozesse integrieren lässt. Der südostasiatische Handel ist da schon einige Schritte voraus: Zum Beispiel nutzen Plattformen wie Shopee maschinelles Lernen, um Kaufentscheidungen in Echtzeit zu analysieren und personalisierte Empfehlungen auszusprechen. Dies verbessert nicht nur das Nutzer*innenerlebnis, sondern steigert auch die Conversion Rate und reduziert Retouren.

Für Gründer*innen ist dies ein klarer Appell, KI nicht nur als Werkzeug zur Effizienzsteigerung zu betrachten, sondern als Herzstück ihrer Geschäftsmodelle zu integrieren. Von der ­Logistik bis hin zur Kund*innenansprache bietet KI die Möglichkeit, Prozesse zu optimieren und gleichzeitig die Kund*innenzufriedenheit zu erhöhen. Da lohnt sich der Blick über den nationalen Tellerrand, um einfacher und vor allem schneller in die tatsächliche Nutzung zu kommen.

Online und Offline: Die Grenzen verschwimmen

Ein zentraler Erfolgsfaktor im südostasiatischen Handel ist die Fähigkeit, Online- und Offline-Kanäle auf kreative und einzigartige Weise miteinander zu verbinden. Besonders herausragend ist das Livestream-Shopping auf Plattformen wie Shopee oder Lazada, bei dem Produkte in Echtzeit vorgestellt und Kund*innen durch exklusive Angebote und Interaktion mit den Verkäufer*innen zum Kauf angeregt werden. Diese Kombination aus Unterhaltung und direkter Kaufmöglichkeit ist weit mehr als ein Trend – sie hat sich als fester Bestandteil des Shopping-Erlebnisses in der Region etabliert.

Auch innovative Ansätze im stationären Handel stechen hervor. So setzen Einzelhändler*innen in Städten wie Bangkok oder Jakarta auf Technologien wie interaktive QR-Codes, die detaillierte Produktinformationen, Bewertungen und Videos direkt auf das Smartphone der Kund*innen bringen.

Für Start-ups bietet die Verbindung von digitalem und physischem Handel somit immense Chancen, insbesondere durch den Einsatz technologiegetriebener Lösungen. Entscheidend ist, dass Unternehmen ein durchgängiges, kanalübergreifendes Erlebnis schaffen, das Kund*innenbedürfnisse und Bequemlichkeit in den Mittelpunkt stellt – sei es online, vor Ort oder mithilfe hybrider Modelle.

Fazit: Lernen von den Besten

Südostasien zeigt eindrucksvoll, wie Innovation und Anpassungsfähigkeit den E-Commerce der Zukunft gestalten. Deutsche Gründer*innen und Start-ups haben die Chance, von diesen Modellen zu profitieren, indem sie mutig neue Wege gehen und traditionelle Ansätze hinterfragen. Sei es durch Mobile-first-Strategien, die Integration von KI oder die Schaffung ganzheitlicher Ökosysteme – der Blick über den Tellerrand lohnt sich.

Der Autor Alexander Friedhoff ist Gründer und CEO von etaily, einer 2020 gegründeten Plattform, die internationale Marken mit Konsument*innen in Südostasien durch Markenmanagement, digitales Marketing und Vertrieb verbindet.

Den technologischen Wandel stemmen

Wie wir unsere Zukunft durch gezielte Fachausbildung in der Region sichern können.

Die Welt steht mitten in einem rasanten technologischen Wandel. Künstliche Intelligenz, Automatisierung und digitale Transformation prägen unsere Arbeitswelt und unseren Alltag. Die Frage, wie wir junge Menschen zu fähigen Fachkräften ausbilden können, wird immer drängender. Die technologischen Entwicklungen eröffnen auch für die Region und ihre Umgebung große Chancen, erfordern jedoch auch gezielte Bildungsangebote und ethisches Bewusstsein.

Regionale Perspektiven

Technologien wie maschinelles Lernen, Big Data, Robotik und das Internet der Dinge (IoT) eröffnen neue Möglichkeiten in der Industrie, im Dienstleistungssektor und darüber hinaus. Gleichzeitig verändern sie Berufsbilder grundlegend. Es ist daher von großer Bedeutung, die Weichen für eine zukunftsorientierte Ausbildung zu stellen.

In Kamen selbst gibt es keine eigenständige Hochschule, doch die Nähe zu Bildungseinrichtungen wie der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) und der Technischen Universität Dortmund bietet jungen Menschen Zugang zu innovativen Studiengängen mit technischem Fokus. Die HSHL bietet praxisnahe Studiengänge wie "Mechatronik" und "Angewandte Informatik", die auf die Anforderungen moderner Arbeitsmärkte abgestimmt sind. Die TU Dortmund hingegen überzeugt mit Studiengängen wie "Elektrotechnik und Informationstechnik" und "Maschinenbau". Diese Ausbildungen kombinieren theoretische Grundlagen mit praktischen Anwendungen und sind damit ein entscheidender Schlüssel zur Förderung von Fachkräften in der Region.

Ethische Fragen im neuen Zeitalter

Neben den Chancen, die der technologische Fortschritt bietet, werfen diese Entwicklungen auch ethische Fragen auf. Themen wie Datenschutz, digitale Regulierung und der Schutz vor einem “gläsernen Menschen“ werden immer wichtiger.

Ein Großteil der Datenerhebung findet bereits im alltäglichen Freizeitverhalten statt – oft, ohne dass sich die Nutzer dessen bewusst sind. Jede Interaktion im Internet hinterlässt Spuren: Beim Surfen akzeptieren viele Nutzer Cookies, die ihre Aktivitäten auf Webseiten verfolgen, um gezielte Werbung auszuspielen. Nur wenige bemühen sich, individuelle Einstellungen vorzunehmen, denn in Zeiten sofortiger Verfügbarkeit erwarten die meisten, dass alles im Handumdrehen geschehen soll.

Nicht zuletzt deswegen sind auch Registrierungsvorgänge bei Online-Diensten oder in Apps häufig unbeliebt. Dienstleister mit beschleunigten Verfahren, wie zum Beispiel Casinos ohne Anmeldung für schnelles Spielen, gewinnen an Beliebtheit. Außerdem sind hier umfassende Datenangaben nicht erforderlich und viele Nutzer fühlen sich dadurch wohler.

Auch in anderen Sektoren erfordern Anmeldeprozesse häufig die Preisgabe von persönlichen Daten wie Name, Geburtsdatum, Interessen und manchmal sogar Standortinformationen. Hinzu kommt die massive Datenerhebung durch mobile Geräte, die Bewegungsprofile aufzeichnen, Apps, die Zugriff auf Kontakte und Kameras fordern, und Sprachassistenten wie Alexa oder Google Assistant, die rund um die Uhr Sprachdaten sammeln können.

Solche Datenströme werden nicht nur für individuelle Dienste genutzt, sondern unter Umständen auch an Drittanbieter weitergegeben, was die Kontrolle über die eigenen Informationen erschwert. Mit der zunehmenden Nutzung von Daten zur Personalisierung von Dienstleistungen oder zur Effizienzsteigerung in Unternehmen wächst auch die Gefahr des Missbrauchs.

Ein weiterer bedenklicher Aspekt ist die gesellschaftliche Ungleichheit. Die digitale Transformation birgt die Gefahr, dass jene, die keinen Zugang zu moderner Technologie oder entsprechender Ausbildung haben, zurückgelassen werden. Daher müssen Ausbildungseinrichtungen nicht nur technische Kompetenzen vermitteln, sondern auch kritisches Denken und ethisches Bewusstsein fördern.

Lösungsansätze durch Bildung schaffen

Die Hochschulen der Region gehen hier mit gutem Beispiel voran: Die TU Dortmund bietet interdisziplinäre Ansätze, die ethische und gesellschaftliche Aspekte der Technologieentwicklung in den Fokus rücken. Die TU Dortmund legt großen Wert auf die Integration ethischer Reflexion in die Forschungspraxis. Auf Initiative von Prof. Dr. Christian Neuhäuser wird derzeit ein gemeinsamer Ethikrat für die Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr) vorbereitet, der die ethische Reflexion der Forschungspraxis fördern soll.

Zudem bietet die TU Dortmund Studiengänge und Projekte an, die über Fachgrenzen hinausgehen und ein Verständnis für komplexe Zusammenhänge fördern. Ein Beispiel hierfür ist das “studium oecologicum", ein Zertifikatsprogramm, das es Studierenden ermöglicht, sich intensiv und interdisziplinär mit Fragen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.

Studiengänge wie Soziologie oder Gesellschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen und der Ruhr-Universität Bochum ermöglichen es, gesellschaftliche Veränderungen zu verstehen und aktiv mitzugestalten.

Diese Bildungsangebote sind von großer Bedeutung, da sie Studierenden nicht nur technisches Wissen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die gesellschaftlichen und ethischen Implikationen der Technologieentwicklung vermitteln. Durch die Kombination von technischen und sozialwissenschaftlichen Studieninhalten werden zukünftige Fachkräfte darauf vorbereitet, technologische Innovationen verantwortungsbewusst zu gestalten und die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Zukunft bewusst gestalten

Die jungen Menschen von heute stehen im Mittelpunkt dieses Wandels. Es ist unbedingt erforderlich, ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie benötigen, um nicht nur kompetente Fachkräfte, sondern auch verantwortungsbewusste Gestalterinnen und Gestalter der Zukunft zu werden.

Es bleibt die Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, diese Bemühungen zu unterstützen und den jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu bieten, die sowohl technologisch als auch ethisch nachhaltig ist.

Beobachten statt Berechnen

Rechnerische Planspiele und das Wissen um aktuelle Trends bringen Gründern erste Erkenntnisse über die Zukunft. Wichtiger ist das systematische Beobachten des konkreten Marktes, um ihn zu verstehen und aktiv mitzugestalten.

Natürlich gehört das Glänzen auf dem Theorie-Parkett und das Schreiben von zahlenbasierten Businessplänen für Gründer zum Pflichtprogramm, um beispielsweise der Hausbank zu zeigen, wie man am Markt einsteigen und bestehen will; aber es kann und darf nicht zum Selbstzweck werden und vollständig das überlagern, weswegen der ganze Aufwand eigentlich betrieben wird: Nämlich mit vollem Einsatz ein unternehmerisches Konzept zu erarbeiten, es umzusetzen und unermüdlich weiterzuentwickeln.

Denn nicht nur für aus der Not heraus geborene Gründungen gilt, dass sie stets ein Wagnis darstellen; und zwar eben nicht nur ein betriebswirtschaftliches. Dass sie mit der Person des Gründers oder der Gründerin untrennbar zusammenhängen. Und dass sie entscheidend darauf beruhen, dass die Neu-Unternehmer den Einsatz und Willen haben, etwas zu gestalten!

Wie geht das, ein spezielles Markt-Umfeld – in der Regel eine Nische, ein Regionalmarkt oder ein enger Zielgruppen-Fokus – langsam und stetig (erstens) entlang klarer, konkreter, auf das eigene Unternehmen zugeschnittener Marktqualitätskriterien zu entwickeln und (zweitens) anhand von Indikatoren für eine Marktdynamik auch in der Richtung, in die man selber will, zu lenken? Dieser Kernfrage wollen wir uns im Folgenden widmen.

Strategic Foresight

Im angelsächsischen Kulturkreis ist für derlei Fragestellungen bereits seit Jahrzehnten eine Profession zuständig – und bestens etabliert –, die sich ausschließlich um genau solche Markt-Taktik und Business-Manöver kümmert: Strategic Foresight, die Zukunftsforschung. Hierzulande ist allerdings, wenn überhaupt, eher der Ableger der Trendforschung bekannt. Und das auch fast nur in Großunternehmen oder einigen Lifestyle-Branchen, die sich’s leisten können. Ansonsten stößt Zukunftsforschung auf Skepsis – nicht zuletzt dank einiger Trend-Gurus, die unverdrossen am eigenen Ruf basteln und lustige Trend-Labels und vielerlei Spielchen erfinden. Mit durchaus hohem Unterhaltungs-, aber allem Anschein nach wenig Gebrauchswert. Zukunftsforschung rangiert daher in der Einschätzung vieler gleich hinter „Astrologie 2.0“. Was aber ist wirklich dran an dieser scheinbar exotischen Disziplin?

From free to fee

Die Monetarisierung einer Internet-Plattform ist eine der schwierigsten und zugleich faszinierendsten Aufgaben für Gründer.

Der einem Plattformunternehmen zugrunde liegende Wert besteht zunächst aus den Netzwerkeffekten, die es erzeugt. Die daraus resultierende Notwendigkeit, Netzwerkeffekte zu erzeugen und zu fördern, veranlasst die Plattformbetreiber, ihre Dienste zunächst einmal kostenlos anzubieten.

Den Usern einen Mehrwert bereitzustellen, ohne eine Gegenleistung dafür zu fordern, ist oft eine gute Methode, um Mitglieder anzuziehen und zur Teilnahme zu bewegen. Das Motto lautet: Erst die User, dann die Monetarisierung. Oder wie es der Plattformstratege des chinesischen Fertigungsunternehmens Haier Group ausgedrückt hat: „Man verlangt niemals zuallerst Geld.“

Soll heißen: Erst nachdem Werteinheiten erzeugt und ausgetauscht worden sind und das Ergebnis sowohl den Anbieter als auch den Kunden zufriedenstellt, sollte das Plattformunternehmen versuchen, einen Teile dieses Wertes einzubehalten. Es sind schon einige äußerst vielversprechende Plattformen erfolglos geblieben, weil sie diese Regel missachtet und stattdessen versucht haben, ihr Angebot verfrüht zu monetarsisieren.

Kosten sind Killerfaktoren

Die Monetarisierung stellt allerdings eine besondere Herausforderung für sich dar. Netzwerkeffekte beschreiben die Attraktivität einer Plattform, indem sie selbstverstärkende sog. Feedbackschleifen erzeugen, die die Userbasis vergrößern, häufig sogar ohne nennenswerten Aufwand auf Seiten des Betreibers. Eine umfassendere Wertschöpfung durch die Anbieter auf einer Plattform zieht weitere Kunden an, die ihrerseits neue Anbieter anlocken und so wiederum für zusätzliche Wertschöpfung sorgen. Dennoch gestaltet diese außerordentlich positive Wachstumsdynamik die Monetarisierung paradoxerweise sehr knifflig.

Jede Form von Kosten, die den Usern auferlegt werden, trägt dazu bei, dass diese möglicherweise ganz von einer Teilnahme an der Plattform absehen: Eine Gebühr für den Zugang zu einer Plattform zu erheben, könnte dazu führen, dass die User sie ganz meiden, während eine Nutzungsgebühr eine häufigere Teilnahme verhindern könnte. Gebührenzahlungen von Anbietern zu fordern, reduziert die Wertschöpfung und macht die Plattform für Kunden weniger attraktiv – und die Berechnung von Nutzungsgebühren wirkt sich nachteilig auf den Konsum aus und macht die Plattform folglich auch für Anbieter weniger attraktiv. Hierbei handelt es sich um genau das Dilemma, mit dem viele E-Commerce-Gründer heftig zu kämpfen haben.

From free to fee

Wie also monetarisiert man eine Plattform, ohne die Netzwerkeffekte, deren Aufbau so mühsam war, zu beeinträchtigen oder sogar zunichte zu machen? Manche Beobachter des Plattform-Business kommen zu dem Schluss, dass online vertriebene Waren und Dienstleistungen aufgrund der von Zusammenarbeit geprägten Art der Wertschöpfung im Internet naturgemäß kostenlos zu haben sein sollten. Allerdings wird ein Unternehmen, das für die Vorteile, die es bietet, kein Geld verlangt, natürlich kaum sehr lange überleben, da es keine für die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Geschäftstätigkeit erforderlichen Ressourcen generiert. Und für Investoren besteht kein Anreiz, das für ein Wachstum der Plattform benötigte Kapital bereitzustellen.

Razor-and-Blade

Manche Elemente einer solchen Gratiskultur können beim Aufbau von Netzwerkeffekten für ein Plattformunternehmen durchaus nützlich sein. Man sollte jedoch die verschiedenen Modelle kennen, in deren Kontext eine teilweise kostenlose Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen das Wachstum vorantreiben kann. Jeder Student der Betriebswirtschaft kennt das Verkaufsmodell für Rasierapparate, das 1901 von dem Unternehmer King Gillette begründet wurde: Die Rasierapparate selbst werden verschenkt – oder zu einem sehr geringen, subventionierten Preis abgegeben –, die Rasierklingen kosten hingegen Geld.

Eine Untersuchung von Randal C. Picker, Rechtsprofessor an der University of Chicago Law School, stellt die wohlbekannte Geschichte von Gillettes Preisgestaltung für Rasierapparate und -klingen übrigens infrage: Picker konstatierte, dass weder die Zeitpunkte der Preisänderungen für Gillette-Rasierapparate und -Rasierklingen, noch das Ablaufdatum des Patents für Gillettes Sicherheitsrasierer die These belegen, dass sein Unternehmen das sog. Köder-und-Haken-Geschäftsmodell (auch Razor-and-Blade genannt) tatsächlich in der Form angewandt hat, wie man bislang annahm. Dessen ungeachtet symbolisiert die vertraute Geschichte jedoch in anschaulicher Weise eine Strategie, die in einer Reihe von Märkten verfolgt wird, beispielsweise auch im Druckersegment: Die Verkäufe der kostspieligen Tonerkartuschen erzielen höhere Gewinne als die im Verhältnis dazu preiswerten Drucker.

Freemium-Varianten

Eine andere Variante dieser Strategie ist das Freemium-Modell, bei dem die Grundausführung eines Dienstes bzw. Produkts zunächst einmal kostenlos zur Verfügung gestellt wird, um User anzulocken, während die vollumfängliche Nutzung sowie Erweiterungen kostenpflichtig sind. Viele Plattformen für Online-Dienste gehen auf diese Weise vor, z.B. Dropbox und MailChimp. Sowohl das Razor-and-Blade-Modell als auch das Freemium-Modell monetarisieren dieselbe Userbasis (oder Teile davon). Mitunter verhält es sich auch so, dass Plattformen einer bestimmten Usergruppe kostenlose oder subventionierte Dienste und Produkte anbieten, für die sie einem völlig anders zusammengesetzten Userkreis den vollen Preis berechnen. Durch diese Verfahrensweise wird die Gestaltung von Monetarisierungsmodellen allerdings verkompliziert, denn hierbei muss die Plattform gewährleisten, dass die auf der einen Seite verschenkten Werte auf der anderen Seite gewinnbringend einsetzbar sind.

Auf diesem Gebiet wurde bis heute beträchtliche wissenschaftliche Arbeit geleistet. Geoff Parker und Marshall Van Alstyne gehörten zu den Ersten, die eine Theorie der Preisgestaltung in zweiseitigen Märkten entwickelten. Diese Theorie führte unter anderem auch zu der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises 2014 an Jean Tirole, einen weiteren Wegbereiter auf dem Gebiet der Ökonomie zweiseitiger Märkte. Ein ausgewogenes Verhältnis für all die komplizierten Faktoren zu finden, die bei der Preisgestaltung in zweiseitigen Märkten eine Rolle spielen, ist nicht ganz einfach. Netscape, einer der Pioniere des Internetzeitalters, „verschenkte“ seine Browser in der Hoffnung, dadurch die hauseigenen Webserver zu verkaufen. Leider gab es jedoch keine proprietäre Verknüpfung zwischen Browsern und Servern, die das Unternehmen verlässlich hätte steuern können.

Stattdessen konnten die User genauso gut den Webserver von Microsoft oder den kostenlosen Apache-Webserver einsetzen – und deshalb ist es Netscape auch nie gelungen, die andere Seite des Browsergeschäfts zu monetarisieren. Wie dieses Beispiel zeigt, müssen Plattformunternehmen, deren Strategie eine teilweise kostenlose Bereitstellung ihrer Waren und Dienstleistungen vorsieht, gewährleisten können, dass die geschaffenen Werte, die sie zu monetarisieren hoffen, auch tatsächlich vollständig unter der Kontrolle der Plattform stehen.

Welche Werte bietest du?

Um die Herausforderung, welche die Monetarisierung einer Plattform darstellt, annehmen zu können, muss zuallererst eine Analyse der von der Plattform erzeugten Werte erstellt werden. Traditionelle Geschäftsmodelle ohne Plattformkonzept – sprich sog. Pipelines – liefern den Kunden Werte in Form von Produkten oder Dienstleistungen, das heißt, sie verlangen zum Beispiel für die Ware selbst Geld, wie es etwa die Firma Whirlpool tut, wenn sie einen Geschirrspüler verkauft, oder aber für den Gebrauch des Produkts, wie beispielsweise GE Aviations, die sich die Montage und regelmäßige Wartung ihrer Flugzeugtriebwerke bezahlen lässt. Ebenso wie Whirlpool und GE sind auch Plattformunternehmen mit der Gestaltung und Entwicklung von Technologie befasst. Doch statt die Technologie kostenpflichtig anzubieten, fordern sie die User auf, der Plattform beizutreten – und versuchen dann, Letztere zu monetarisieren, indem sie für die Werte, die die Plattformtechnologie den Usern bietet, eine Bezahlung verlangen. 

(Mehr-)Wert-Quellen

Diese Werte lassen sich in vier umfassende Kategorien unterteilen:

Für User: Zugang zu den auf der Plattform erzeugten Werten. Für die Zuschauer sind die Videos auf YouTube von Wert. Android-User finden Gefallen an den verschiedenen Aktivitäten, die Apps ihnen ermöglichen. Und für Schüler stellen die bei Skillshare angebotenen Kurse einen Wert dar.

Für Anbieter oder Drittanbieter: Zugang zu einer Community oder einem Markt. Airbnb ist für Gastgeber von Wert, weil es den Zugang zu einem globalen Markt von Reisenden bereitstellt. LinkedIn ist für Personalvermittler wertvoll, weil es ihnen ermöglicht, mit potenziellen Arbeitskräften in Kontakt zu treten. Und Alibaba bringt Händlern einen Mehrwert, weil sie ihre Waren mithilfe dieser Plattform an Kunden in der ganzen Welt verkaufen können. 


Sowohl für User als auch für Anbieter: Zugang zu Tools und Dienstleistungen, die Interaktionen ermöglichen. Plattformen erzeugen Werte, indem sie Reibungspunkte und Hürden abbauen, die Anbieter und User an der wechselseitigen Interaktion hindern. Kickstarter hilft kreativen Firmengründern dabei, Kapital für neue Projekte zu sammeln. eBay ermöglicht in Kombination mit PayPal jedem Interessierten, einen Online-Shop zu eröffnen, auf den User weltweit zugreifen können. YouTube gestattet es Musikern, ihre Fans mit Videos von ihren Auftritten zu versorgen, ohne physische Produkte (CDs oder DVDs) produzieren und über Zwischenhändler verkaufen zu müssen.

Sowohl für User als auch für Anbieter: Zugang zu Kuratierungsverfahren zur Qualitätsverbesserung von Interaktionen. Die User wissen den Zugang zu hochwertigen Waren und Dienstleistungen zu schätzen, die ihre persönlichen Bedürfnisse und Interessen bedienen. Für Anbieter ist wiederum der Zugang zu Usern von Wert, die auf ihre Angebote zugreifen möchten und bereit sind, dafür faire Preise zu bezahlen. Intelligent betriebene Plattformen entwickeln und pflegen sog. Kuratierungssysteme, die User schnell und einfach mit geeigneten Anbietern zusammenbringen.

Diese vier Wertarten könnten auch als die Quellen des außerordentlichen Mehrwerts beschrieben werden, den die Plattform generiert. Die meisten vernünftig gestalteten Plattformen erzeugen viel mehr Werte, als sie unmittelbar erfassen – und ziehen so eine große Zahl von Usern an, die sich darüber freuen, die Vorteile dieser „kostenlos“ dargebotenen Werte nutzen zu können. Eine clevere Strategie zur Monetarisierung berücksichtigt zunächst alle Wertarten und ermittelt dann, welche Quellen des außerordentlichen Mehrwerts von der Plattform genutzt werden können, ohne dass das kontinuierliche Wachstum der Netzwerkeffekte behindert wird. 

Die Autoren dieses Beitrags – Geoffrey G. Parker, Marshall W. Van Alstyne und Sangeet P. Choudary – haben das Buch verfasst: Die Plattform Revolution – Methoden und Strategien für Start-ups und Unternehmen, ISBN: 978-3-958455-19-1, mitp 2017, 28 EUR

Waren-Einfuhr aus Fernost

7 Tipps, die E-Commerce-Start-ups beim Direktimport von Waren aus China beachten sollten.

Die Produktionskosten in China sind niedrig, die Gewinnspanne beim Verkauf der in Fernost hergestellten Ware in Europa entsprechend hoch. Wer erfolgreich mit seinem E-Commerce durchstarten will, tut das durch den Direktimport aus China. Doch Importbedingungen, Zollverfahren und Vorschriften beschränken den Handel, und die Auswahl von Lieferanten und Produkten gestaltet sich oft schwieriger als gedacht. Was ist bei der Einfuhr von Waren aus China also zu beachten? Wir haben die wichtigsten Tipps zusammengestellt.
 
1. So findest du Lieferanten aus China

Tradeshows sind die mit Abstand beste Quelle, um Lieferanten zu finden. Es lohnt sich nicht nur die größte chinesische Handelsmesse Canton Fair zu besuchen, sondern auch branchenspezifische Tradeshows. So besteht die Möglichkeit, auf aus- und inländischen Fachmessen direkt mit potenziellen Lieferanten persönlich zu sprechen. Eine Faustregel besagt: Wenn das entsprechende Unternehmen sich mit einem Messestand präsentieren kann, hat es eine bestimmte Größe erreicht und kann damit im angemessenen europäischen Standard produzieren. Allerdings sollte beachtet werden, dass keinesfalls immer der ideale Lieferant den größten Messestand besitzt. Oft stellen auf den Fachmessen ebenso Agenten aus. Dabei handelt es sich um Zwischenhändler, welche beim tatsächlichen Hersteller dropshippen oder einkaufen. Daher ist beim Aufbau eines Auditverfahrens eine saubere Firmen- und Warenprüfung notwendig.

Zwar machen es B2B-Plattformen wie Globalsources.com oder Alibaba.com leicht, ohne viel Aufwand Produkte zu finden. Aber: Hier kann sich jeder registrieren. Es erfolgt keine Qualitätskontrolle der Waren oder der Unternehmen. Auf Alibaba sind auch Allround-Firmen stark verbreitet, die nahezu alles anbieten. Tatsächlich eignen sich diese Händler lediglich dafür, um eine Übersicht über Produktpaletten und potenzielle Preise zu erhalten. Allerdings sollte man dort nicht kaufen, da umso breit gefächerter und größer das Sortiment, desto höher ist die Chance, dass die meisten Produkte zugekauft werden. Dabei sind Kontinuität und Qualität nicht zu garantieren.
 
2. Bei der Lieferantenauswahl auf die Details achten

Was weist auf einen hervorragenden Lieferanten hin? Dabei empfiehlt es sich, die Details zu beachten. Renommierte Lieferanten bieten gute Dokumente wie Typenschilder und Anleitungen. Sind die Anleitungen nur im schlechten Scan vorhanden, sollte man die Finger von dem Unternehmen lassen. Häufig bedeutet das nämlich, dass es Produkte vom Lieferanten lediglich zukauft. Bei der Lieferantenauswahl ist es wichtig, keinesfalls am falschen Ende zu sparen. Bei wenig Erfahrung ist es sinnvoll, für Firmen- und Warenprüfungen externe Dienstleister zu betrauen. Gut bewertete sind auf Alibaba.com zu finden.
 
3. Die Produkte für dein E-Commerce prüfen

Es empfiehlt sich vor der ersten großen Auftragsvergabe, die Ware in den Händen zu halten und zu überprüfen, wie sie produziert wurde: Was die Produktionskette angeht, ist es entscheidend, sich über den Ablauf der Fertigung, die eingesetzten Materialien und das Personal dahinter zu erkundigen. Findet eine Qualitätssicherung statt? Kümmern sich echte Fachleute um die Entwicklung? Hier sollte alles über die Herstellung herausgefunden werden.

Beim Einkauf größerer Mengen sind Produktproben ein Muss. Daher ist es wichtig, sich zuvor mehrmals Einzelproben zusenden zu lassen und zu kontrollieren, ob diese die gewünschte Qualität bieten.

Geht es um ein völlig neues Produkt, sollte man sich im Vorfeld unbedingt einen Prototypen anfordern. Mit dem Lieferanten oder Produzenten empfiehlt es sich, Rücksprache zu halten, damit die Wünsche umgesetzt werden können.

Entscheidend ist auch die Prüfung der Ware und, ob diese deutschen Normen einhält. Das Entsprechen deutscher Standards gilt nicht als selbstverständlich. Hierzu helfen Fragen, wie etwa: Beliefert das Unternehmen schon europäische Kunden? Sind auch deutsche Firmen darunter? Kennt der Lieferant die europäischen Anforderungen?

Je nach Art des Produktes kann es sinnvoll sein, seine Musterprodukte in Europa oder Deutschland zu bestellen, da das schneller geht und günstiger ist.

4. Jedes Detail vertraglich festhalten

Vor allem bei Verhandlungen machen sich nicht nur Verständigungsprobleme, sondern auch die kulturellen Unterschiede deutlich bemerkbar. Es gibt einige Besonderheiten bei Verhandlungen und Vertragsabschlüssen, die zu beachten sind:

  • Den Firmen in China sind langfristige Beziehungen wichtiger als einzelne Geschäfte. Deswegen kann es vorkommen, dass sich Verhandlungen entsprechend in die Länge ziehen. Hier ist Geduld gefragt!
  • Häufig stellen Aussagen in Verhandlungen einen Richtwert dar, ohne dass sie völlig verbindlich sind.
  • Die Beziehung hat mehr Bestand als die Verträge. Chinesen ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Zudem sollten Verhandlungen stets auf derselben Hierarchieebene geführt werden.

 Beim Verhandeln darf der Geschäftspartner niemals "das Gesicht verlieren". Bei den chinesischen Landsleuten gilt dies als einer der größten Übel. Während der Konversationen kann es auch passieren, dass das Bejahen einer Aussage nicht uneingeschränkt ein "Ja" heißt, weil ein "Nein" seitens der Chinesen nicht denkbar ist.

Damit schließlich bei den eigenen Geschäften Sicherheit besteht, ist der Abschluss von Verträgen unverzichtbar. Bei diesen empfiehlt es sich, alle einzelnen Kriterien exakt aufzuführen. Nur wenn für beide Seiten jedes Detail klar ist, besteht die Möglichkeit, dass die kulturellen Feinheiten und Unterschiede letztlich nicht für beide Gesprächspartner ein Problem darstellen.
 
5. Logistikpartner für den Warenversand beauftragen

Das Versenden der Ware sollte keinesfalls der Lieferant übernehmen. Besser ist es, einen eigenen Logistikpartner zu finden, der mit dem Import aus China erfahren ist und um sämtliche Feinheiten der Kooperation Bescheid weiß.

Für den Fall, dass lediglich geringe Mengen eingeführt werden sollen beziehungsweise falls die Ware leicht und klein ist, rentiert sich das Versenden per Express von Dienstleistern, wie etwa FedEx, UPS oder DHL. Im Übrigen sollte immer eine Transportversicherung abgeschlossen werden, da einfach zu viel Unwägbares vorkommen kann.

6. Importvorschriften kennen und Dokumente prüfen

In die Bundesrepublik dürfen nicht alle Waren völlig ohne Kontrolle importiert werden. Hierbei geht es nicht um Zoll- oder Sicherheitsbestimmungen, sondern mehr um Beschränkungen gesamter Branchen. In den Bereichen Chemie, Stahl und Technologie sind vereinzelt klare Einfuhrbestimmungen gegeben. Da sich die Feinheiten dieser Regelungen stark unterscheiden können, empfiehlt es sich, sich hier von außen beraten zu lassen. Es liegt im eigenen Interesse, dass man bei einer Einfuhr alle Unterlagen vollständig und griffbereit hat. Denn, sobald die Ware am deutschen Zoll ist, trägt der Empfänger die ganze Verantwortung.
 
7. Steuern und Zölle korrekt einkalkulieren

Beim Einführen von Produkten aus China sind zusätzlich Zollgebühren, Importabgaben und inländische Abgaben, wie etwa die Einfuhrumsatzsteuer, zu bezahlen. Zum Zeitpunkt des Erwerbs denkt nicht jeder gleich an diese Abgaben, teilweise werden diese auch völlig vergessen. Gerade Zölle sind dabei ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Deswegen sollte vor dem Kauf von Waren geklärt werden, ob sich die Einfuhr überhaupt rechnet. Nicht selten müssen, je nach Produkt, mehrere tausend Euro Schutzgebühr beim Staat hinterlegt werden. Dafür gibt es aber wenigstens die Möglichkeit, die Einfuhrumsatzsteuer später beim Finanzamt geltend zu machen.


Der Autor
Michael Seibold ist CEO und Gründer von Trading EU GmbH. Über seine Plattform Hubtechnik24.de vertreibt er Hubwagen, Lager- und Transporttechnik an Firmen und Privatpersonen in ganz Europa.

Strategien gegen den Wachstumsschmerz

Eine lückenhafte operative Strategie bringt Start-ups auf Schleuderkurs, bevor sie richtig skalieren können. Wie du die gröbsten Fehler vermeidest.

Es ist eine der weniger bekannten Tatsachen über das Wachstum junger Unternehmen: Schon bei einer Größe von etwa 40 bis 50 Mitarbeitern geraten sie häufig ins Straucheln. Dennoch ist gerade die Strategie für eine erfolgreiche und nachhaltige Personalentwicklung oft einer der Bestandteile der Fünfjahrespläne engagierter CEOs, der bei der Präsentation am wenigsten Beachtung findet. Werden die Herausforderungen der operativen Strategie ignoriert, wendet sich das Blatt für Jungunternehmen auf Wachstumskurs schnell zum Schlechteren.

Wer sich als Gründer oder CEO reinhängt, hält den Umständen mitunter länger stand als der Durchschnitt – letztlich müssen sich aber alle Start-ups früher oder später mit der Heraus-forderung auseinandersetzen, eine geeignete Wachstumsstrategie zu entwickeln und auch zu implementieren. Ist der Geschäftsführer unerfahren, können operative Hindernisse direkt von Anfang an zur Überforderung führen.

Operative Schwächen kosten ein Viertel der Start-ups das Überleben

Das Scheitern von Start-ups kann selten an einer einzigen Fehlentscheidung festgemacht werden. Die größten KO-Kriterien sind eine schlechte Marktanpassung sowie mangelnde Finanzmittel – sie bringen mehr als die Hälfte der Startups zu Fall. Bei einem weiteren Viertel ist das Scheitern Studien zufolge jedoch darauf zurückzuführen, dass schlichtweg die falschen Mitarbeiter zum falschen Zeitpunkt an Bord waren.

Die meisten Gründer konzentrieren sich im Anfangsstadium fast ausschließlich auf Kapital, das Produkt und die Kundenzufriedenheit – operativen Notwendigkeiten wie der Personalrekrutierung, organisatorischen Verantwortlichkeiten oder der internen und externen Kommunikation messen sie weitaus weniger Bedeutung zu. Diese Prioritätensetzung ist es jedoch ausschlaggebend dafür, dass viele Unternehmen mit tollen Ideen ins Schleudern geraten, noch bevor sie überhaupt richtig Fahrt aufnehmen können.

Der Schritt von einer Gründermentalität, bzw. einem Unternehmen mit ca. zehn Mitarbeitern, hin zu einer Firma mit 50 bis 500 Mitarbeitern ist schwierig zu vollziehen und bedarf einer Menge Voraussicht und gezielter Maßnahmen, die häufig in Geschäftsplänen nicht zu finden sind. Der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg liegt aber mitunter darin, ob und wie dieses strategisch-organisatorische Element dort berücksichtigt ist.

Das Anwerben und der Umgang mit Talenten bieten einige Stolpersteine für schnell wachsende Start-ups. Je schneller das Unternehmen wächst, desto stärker verändert sich die Teamdynamik. Zwangsläufig verlagern sich die Schwerpunkte innerhalb der Teams. Stellt sich der Erfolg frühzeitig ein, wird der Entscheidungsdruck enorm groß, neben der Produktentwicklung gleichzeitig das Team zu verstärken, um mit dem Wachstum Schritt halten zu können. Besonders schnelle Expansion, Teamdynamiken und Veränderungen in der Belegschaft verursachen unter Umständen Beurteilungs- und Managementfehler, die immense Kosten nach sich ziehen.

Schlechte Entscheidungen lassen das wertvolle Startkapital dahinschmelzen – schlimmer noch: Diese Kosten werden von den meisten Gründern in der Planung nicht berücksichtigt. Die Personalentscheidungen des CEOs haben direkte Auswirkungen auf Absatz, Produktivität und Wachstum. Konsequent durchdachte Personalpläne für Schlüsselfunktionen und eine solide Strategie, um die besten Fachkräfte zu finden, sind deshalb von Beginn an unersetzlich.

Digitale HR-Tools helfen, die Transformation zu meistern

Selbst in großen Betrieben kann es für eine Führungskraft überfordernd sein, Dutzende Mit-arbeiter anzuleiten. Kommen dann noch die vielfältigen Zuständigkeiten eines Gründers hinzu, wird die Situation unhaltbar. Dieses Problem manifestiert sich meist, wenn Startups mehr als 15 Personen beschäftigen.

Bis zu diesem Punkt herrscht unter Angestellten und Führungskräften meist eine „Machermentalität“ – oft ein Markenzeichen der Organisationsstrategie von Start-ups. Für den An-fang reicht das aus, aber diese Einstellung hat eine Halbwertszeit und kann ab einer bestimmten Unternehmensgröße zu lähmender Ineffizienz führen. Flache Strukturen finden ein Ende, sobald die Wachstumsphase eintritt. Wer dann keinen guten Plan hat, um damit umzugehen, gerät in Schwierigkeiten.

Eine Personalabteilung, die bei der Bewältigung der diversen Herausforderungen unterstüt-zen kann, ist natürlich ideal. Den meisten Start-ups, die versuchen, im umkämpften Markt Fuß zu fassen und mit knappen Ressourcen auskommen müssen, steht diese Option allerdings nicht zur Verfügung. In diesen Fällen sollten es Führungskräfte in Betracht ziehen, eine kosteneffiziente Dienstleistung oder Plattform zur Rate zu ziehen, die dabei hilft, das Wachstum zu bewältigen. KI-Plattformen können beispielsweise die Kosten herkömmlicher Personalrekrutierung erheblich reduzieren, zugleich lösen sie äußert effektiv die Herausforderung, herausragende Mitarbeiter anzuwerben. Der Unternehmensbereich Human Resources durchläuft seine eigene digitale Transformation, und die Zahl Cloud-basierter Plattformen, die Start-ups bei typischen Schwachstellen in Personalthemen helfen, z.B. bei der internen Kommunikation und im Mitarbeitermanagement, war noch nie größer.

Ein Produkt, das zum Markt passt, ist ohne Frage von zentraler Bedeutung für das Wachstum eines jungen Unternehmens. Allerdings ist eine wohlüberlegte operative Strategie von Anfang an genauso wichtig, damit ein Start-up langfristig floriert. Selbst, wenn der Gewinn in die Höhe steigt, der Marktanteil wächst und sich die Thesen zur Branchenentwicklung als korrekt erweisen, bleiben Personalprobleme die größte Problematik, der sich CEOs alltäglich stellen müssen. Umsichtige Geschäftsführer müssen deshalb immer beides im Blick haben.

Das ist auch einer der Gründe, warum es oftmals eher die Wiederholungstäter unter den Gründern sind, die unterstützende Finanzmittel erhalten. Sie können aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen und wissen aus dem Bauch heraus, wie sie die richtige operative Strategie und ein vielversprechendes Produkt vereinen. Es ist diese duale Kompetenz, die den den Weg zum Unternehmenswachstum und damit zum Erfolg ebnet.

Der Autor Thomas Falk gründete 1998 mit Falk eSolutions eines der ersten Internetunternehmen Deutschlands. Acht Jahre später erfolgte die Fusion mit DoubleClick und schließlich 2007 die Übernahme durch Google. Falk widmete sich im Anschluss einer Reihe erfolgreicher Gründungen, darunter die United MailSolutions AG. Heute investiert er als General Partner beim US-amerikanischen Venture Capital-Fonds Revel Partners vorwiegend in europäische und amerikanische Unternehmen in der Wachstumsphase.

Scale-ups: Lernen auf Speed

Worauf Verantwortliche achten sollten, wenn das eigene Start-up endlich abhebt und fliegt.

Ein Traum für jeden Gründer: Das eigene Start-up hebt endlich ab und fliegt. Wettbewerber sind abgehängt, Investorengelder fließen und die radikale Wachstumsphase beginnt. Doch plötzlich geht alles extrem schnell. Das Tagesgeschäft platzt aus allen Nähten, Organisationsstrukturen müssen kontinuierlich um- und ausgebaut, neue Mitarbeiter fortwährend „an Bord geholt“ werden. Und ehe man sich versieht, ist der Fünf-Mann-Laden zu einem Unternehmen mit 200 Mitarbeitern angewachsen. Eine Zerreißprobe für jeden Verantwortlichen.

Change is the natural state of business

Im Wachstum durchlaufen Scale-ups in kürzester Zeit unterschiedliche Organisationsphasen. Brian Roberts, CFO des Uber-Konkurrenten Lyft, sagte passend dazu: “Change is the natural state of business. So be ready“. Im ständigen Wandel liegt ein enormer Entwicklungsdruck auf den jungen Führungskräften. Denen fehlt in der Regel eine komplexe Organisations- und Führungserfahrung. Und je mehr Mitarbeiter an Bord kommen, desto komplexer werden die Strukturen im Unternehmen.

Auch Hauke Windmüller, Co-Gründer des Hamburger Start-ups Familonet und ehemaliger Head of Growth der Daimler-Tocher Moovel, kennt dieses Phänomen. Familonet legte die begehrte, aber alles andere als organische Hockeystick-Wachstumskurve hin. Daimler-Tochter Moovel wurde auf das Start-up aufmerksam und übernahm es 2017. Windmüller erzählt: „In einem kleinen Team von fünf Leuten machst du noch viel selber in deinen Bereichen. Dann kommen irgendwann ein paar Mitarbeiter hinzu, die dich unterstützen – aber du behältst die Oberhand und die Übersicht. Doch dein Laden wächst und wächst und irgendwann kannst du nicht mehr allein für alles verantwortlich sein. Die erste große Herausforderung ist dann: Loslassen und Verantwortung abgeben können.“

Mein Baby

Verantwortung abgeben fällt vielen Gründern schwer. Das ist verständlich. Schließlich haben sie die Geschäftsidee entwickelt, sie haben das Ding auf die Beine gestellt und zum Laufen gebracht. Und jetzt sollen sie das, was sie doch am besten können, an andere abgeben? Ihr Baby in die Arme anderer legen? Windmüller erinnert sich: „Das hat ganz viel mit dem eigenen Ego zu tun. Doch wenn dir deine Unternehmung wirklich wichtig ist, siehst du irgendwann ein: Der Tag hat nur 24 Stunden. Wenn du ständig alles selber machst, leidet sowohl die professionelle, als auch die eigene Lebensqualität darunter.“

Wie viele junge erfolgreiche Gründer musste auch Windmüller lernen, sein Ego hintenanzustellen, Verantwortung abzugeben und Mitarbeiten mehr Vertrauen beim Bearbeiten von Aufgaben zu geben. „Sich einfach mal zurücknehmen, klingt leicht. Doch es ist ein schmerzhafter Prozess“, so der Gründer.

Vermeintlicher Kontrollverlust ist in kritischen Wachstumsphasen ein häufiges Problem für junge Leader. Sie müssen lernen, dass ihre Mitarbeiter unterschiedliche Herangehensweisen haben, als sie selbst – und Fehler ihrer Mitarbeiter akzeptieren. Und kaum hat man sich daran gewöhnt, erreicht das Unternehmen schon die nächste Wachstumsphase.

Abteilungen? Wie uncool!

Bei 30 bis 50 Mitarbeitern erstarrt die gewohnte Agilität ganz schnell zugunsten fixer Regelprozesse der wachsenden Organisation. Unsicherheit und Zweifel können sich bei den Gründern breit machen, was sich auch auf die Mitarbeiter auswirken kann:

  • Was ist nur aus dem coolen Gründerteam geworden?
  • Wie können wir das agile Mindset der Gründungsphase bewahren und adaptieren?
  • Wie bekommen wir das „Lernen auf Speed“ in den Griff?

Diese neue Situation verlangt den Entscheidern ein extrem hohes Maß an Veränderungskompetenz ab.

Windmüller bestätigt: „Der nächste kritische Punkt kam, als wir knapp 20 Mitarbeiter hatten und eine zweite Führungsebene zwischen uns Gründern und unseren Mitarbeitern etablieren mussten. Plötzlich gab es Abteilungen und Abteilungsleiter. Das distanziert dich von deinen Leuten. Du gibst nur noch Ziele vor, die die zweite Führungsebene an die Mitarbeiter weitergibt. Hier ist es ganz wichtig, Leader zu finden, die ein ähnliches Mindset haben, in die Kultur deines Unternehmens passen, und neben den fachlichen Anforderungen auch einen passenden Führungsstil mitbringen.“

Prozesse etablieren

Im rasanten Wachstum müssen Gründer ständig neue Aufgaben übernehmen, um sich selbst sowie das Unternehmen kontinuierlich weiterentwickeln zu können. Auf der einen Seite müssen sie sehr flexibel sein und sich regelmäßig neu orientieren können. Auf der anderen Seite müssen sie ihren Mitarbeiten Stabilität bieten und Routine in die Abläufe bringen. Ab einer gewissen Größe ist es überlebenswichtig, klare Strukturen und Prozesse zu etablieren. „Das Problem schnell wachsender Organisationen ist oftmals die Kommunikation. Jeder arbeitet in seinem Silo und Abteilung A bekommt gar nicht mehr mit, was Abteilung B macht. Du musst dafür sorgen, dass alle am selben Strang ziehen, damit nicht jeder in eine andere Richtung läuft. Wenn du hier den Überblick behalten willst, hilft es, ein Management-Zielsystem einzuführen“, erklärt Windmüller.

Dass es ohne an die wachsende Organisation angepasste Prozesse schnell knallen kann, musste das erfolgreiche Start-up Jimdo am eigenen Leib erfahren. 2015 hatte der Website-Baukasten-Anbieter Probleme damit, seine Organisationsstruktur anzupassen. Auch mit über 200 Mitarbeitern war man immer noch wie ein Start-up organisiert. Nach einem gescheiterten Versuch der Reorganisation setzte der CEO Mathias Henze den Rotstift an, strich 25 Prozent der Mitarbeiter und strukturierte die Entwicklerteams straffer – ohne deren Freiräume komplett zu beschneiden. Ein harter, aber notwendiger Cut. Seit 2018 macht das Unternehmen wieder Gewinn.

Gestaltungsfreiräume geben   

Den Gründern von Familonet war frühzeitig klar, dass sie bei Wachstum ihre Strukturen anpassen und ihren Mitarbeitern gleichzeitig Freiräume in der Herangehensweise geben mussten. Also bedienten sie sich des Management-Systems OKRs (Objective Key Results): Aus der Vision und Mission werden Ziele für ein Quartal festgelegt und Einzelmaßnahmen daraus abgeleitet. „Dann können die Mitarbeiter loslaufen und du als Leader bist nur noch dafür verantwortlich, deiner Mannschaft Steine aus dem Weg zu räumen und ihnen den Rücken freizuhalten“, so Hauke Windmüller.

Ein großes Problem ist auch hierbei das Loslassen. Oftmals wollen die Gründer ihre Mitarbeiter kontrollieren und verfallen in Mikromanagement. Doch das ist ein Kreativitätskiller. Mitarbeiter fühlen sich bevormundet und verlieren schnell ihre Motivation und somit an Produktivität. Wichtig ist darum, seinen Leuten lediglich die Ziele und einen groben Rahmen vorzugeben. Wie sie dann die Ziele erreichen, steht ihnen frei.

Mit Veränderung umgehen?

Mit all diesen Herausforderungen im Wachstum alleine fertig zu werden, kann eine große Belastung für Gründer sein, die vielen über den Kopf wächst. Dass junge Führungskräfte solche enormen und schnellen Veränderungen nicht immer leichtfertig handhaben, ist völlig normal. Darum nehmen auch immer mehr Gründer und Verantwortliche in Scale-ups Coaching in Anspruch. Denn: Coaching hilft Führungskräften, neben den technischen und ökonomischen Aspekten im Wachstum, sich auf die psychologischen und sozio-kulturellen Herausforderungen zu fokussieren. Beispielsweise hat die erfolgreiche Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer in der Wachstumsphase ihres Unternehmens Coaching in Anspruch genommen.

Hilfreich sei laut Hauke Windmüller auch aktiver Austausch mit anderen Gründern: „Ich bin Mitglied  bei EO (Entrepreneurs' Organization), einem weltweiten Gründernetzwerk. Einmal im Monat treffe ich mich mit anderen Gründern und tausche mich aus. Das war auch in der Wachstumsphase von Familonet extrem hilfreich, weil du unter Gleichen bist, die die Wechselwirkungen von Beruf und Privatem in stressigen Phasen verstehen und dir hilfreiche Tipps mit auf den Weg geben, wie du damit fertig wirst.“

Fazit: An sich als Gründer arbeiten!

Gründer, die kontinuierlich an ihrer Haltung und Einstellung arbeiten, behalten im rasanten Wachstum den Überblick und die Bodenhaftung. Speed ist in der Start-up-Welt das A und O. Dafür müssen Prozesse und Strukturen geschaffen und immer mehr Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die Mitarbeiten übertragen werden. In rasanten Wachstumsphasen kann das Unternehmen nur so gut wachsen, wie sein Unternehmer. Windmüller formuliert das so: „Als Geschäftsführer bist du der Flaschenhals deines Unternehmens. Wenn du nicht an dir arbeitest und weiterwächst, kann auch dein Unternehmen sich nicht weiterentwickeln.“  

Der Autor Dr. Frank Behrend begleitet Unternehmenslenker und Führungsteams in kritischen und komplexen Veränderungsphasen, hinterfragt den liebgewonnenen Status Quo und unterstützt Unternehmen mit innovativen Methoden über alle Fach- und Hierarchieebenen hinweg, www.transformation.work

Start-up Erfolgsfaktoren

Wie gelingt der Brückenschlag zwischen der Agilität eines Unternehmens in der Frühphase und der damit einhergehenden Fragilität?

Wer Start-ups gründet oder in sie investiert, weiß: Egal wie gut die Idee sein mag – nicht jedes Start-up ist erfolgreich. Entscheidend ist die Frage: Wie gelingt der Brückenschlag zwischen der Agilität eines Unternehmens in der Frühphase und der damit einhergehenden Fragilität?

In meinen ersten sechs Monaten bei der Next Big Thing AG (NBT) habe ich als Teil des Venture Development-Teams (VD) unzählige Ideen gefiltert, Hunderte von Pitch Decks gelesen, viele leidenschaftliche Gründer getroffen und war schließlich am Aufbau von sechs Unternehmen beteiligt. Jede Unternehmensgründung ist auch eine Lernerfahrung. Aber wie gelingt ein Exit, was macht ein Start-up erfolgreich? Dieser Frage bin ich als Venture Director bei NBT, dem Venture Studio und Frühphaseninvestor der Machine Economy, intensiver nachgegangen. Folgende drei elementare Erfolgsfaktoren haben wir identifiziert.
 
Faktor 1: Gründer werden integraler Bestandteil des Konzeptes

Im ersten Schritt sollten Gründer verstehen: Wenn sie Teil eines Ventures werden oder Geld von einem VC annehmen, werden sie Teil des Investitionsmodells dieses Unternehmens. Es klingt vielleicht hart – aber in der Welt des Kapitals gibt es einige einfache Regeln. Als Gründer musst du deshalb ein paar grundlegende Rechenmodelle verstehen. Geht es um finanziellen Erfolg bei der Gründung eines Unternehmens, lautet die Kernfrage aus Investorensicht: Wie maximieren die Gründer den Wert und minimieren unser Risiko?

Wichtig: An dieser Stelle geht es um mehr als nur das finanzielle Risiko. Denn das Risiko und der Wert leiten sich vom Gründerteam ab. Das ist unser Modell bei NBT. Außerdem bezieht es sich auf den Markt, in dem das Start-up agiert. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen einen Gründer mit einem breiten Netz potenzieller Kunden hat, verringert dies das Risiko, keine Kunden zu finden, und erhöht gleichzeitig den potenziellen Wert des Unternehmens.

Die Höhe des Risikos, aber auch des Mehrwerts, den sie liefern können, unterscheidet sich je nach Art der Ventures und Investoren. Wir haben zum Beispiel ein Team von IoT-Experten – einer unserer Kernbereiche. Wenn ein Start-up Expertise in diesem Bereich benötigt, können wir folglich das Risiko verringern – und schaffen auch einen Mehrwert. Umgekehrt würde ein E-Commerce-Start-up für uns ein höheres Risiko bedeuten. Für uns wäre also das Risiko bei einem Start-up, das keine tiefen IoT-Kenntnisse mitbringt, geringer als für einen Investor, der darin keine Expertise besitzt.

Aus Marktperspektive geht es um Trends. Ein wachsender Markt, der sich schnell bewegt, ist im Allgemeinen besser für Neugründungen in der Frühphase als langsamere oder schrumpfende Segmente. Was die anvisierten Märkte anbelangt, sollte man in der Gründungsphase durchaus den Fokus auf kleinere Zielmärkte legen, die leichter als große in der Breite zu erreichen sind.
 
Faktor 2: Die passende Wahl von Partnern und Netzwerk

Inspiration und Leidenschaft sind großartig, aber ebenso wichtig ist es, dass Gründer relevante Erfahrung vorweisen können. Die besten Beweise dafür sind ein starkes Netzwerk und Marktkenntnisse. NBT verfügt über einen großen Pool an Experten und ein breites Ökosystem. Allerdings nicht so breit, dass wir jede Branche im Detail kennen oder zehn Jahre operatives Wissen aus einem Nischenbereich vorweisen können. Wir wissen zwar, wie wir dieses Wissen erlangen, aber umso spannender finden wir Menschen, die das Expertenwissen für ein bestimmtes Gebiet direkt mitbringen. Als Company Builder bieten wir also eine Plattform, die für Gründer mit derartigem Wissen attraktiv ist. Diese Leute kommen in der Regel mit der Fähigkeit, unseren Prozess zu beschleunigen und zu erweitern. Sie sparen uns Zeit und Geld und lassen sich daher leichter in unsere Pläne einbauen. Das heißt, derartige Gründer und wir passen gut zusammen. Wenn Gründer sich Partner suchen, sollte es nicht nur um finanzielle Investments gehen, sondern um die beidseitige Betrachtung, welche Werte man einbringt und ob man gemeinsam Risiken reduzieren kann.
 
Faktor 3: Finanzmodelle erarbeiten

Kein Start-up ist in allen Bereichen gleich stark. Unsere Aufgabe ist es, diese Risiken zu erkennen und nicht, sie zu vertuschen. Einige Risiken sind explizit. Aber einige sind nuanciert. In diesem Fall bilden Modelle eine gute Basis, diese Risiken – insbesondere im finanziellen Bereich – einzuschätzen und zu minimieren. Wenn es um Finanzmodelle geht, empfehle ich diese drei Arten:

  • Das schlimmste denkbare, aber überlebensfähige Szenario – dies ist das Mindestszenario, das wir brauchen, damit ein Unternehmen überleben kann. Wenn schon das zu schwer zu erreichen scheint, wird das Geschäft zu einem hohen Risiko.
  • Im Bestfall erreichbares Szenario – so wird das Geschäft aussehen, wenn alles gut funktioniert. Wenn der Wert zu niedrig ist, lohnt es sich vielleicht nicht, weiterzumachen.
  • Ziel-Szenario – dies ist ein Fall zwischen den beiden anderen, bei dem einige Dinge funktionieren und andere nicht. Dies sollte der Hauptplan sein, mit Stellschrauben zum Anpassen.

Fazit

Sechs Gründungen in sechs Monaten – zweifelsohne eine intensive, aber auch eine wertvolle Erfahrung. Als Leiter unseres Venture-Development-Teams habe ich viel darüber gelernt, wie man potenzielle Projekte aufbaut und bewertet. Gemeinsam mit dem Team engagieren wir Gründer, gehen Risiken an und bereiten uns auf Wachstum vor. Um es noch einmal zusammenzufassen: Erfahrt mehr über die Risiko- und Ertragsfaktoren, die Investitionsmodelle ausmachen; schafft Werte in und zieht Erkenntnisse aus eurem Netzwerk, bevor ihr gründet. Und: Geht die Planung eures Projektes mit genauen Prognosen an. Versteckt euch dabei nicht vor unangenehmen Dingen – oder Zahlen.

Mehr über die Next Big Thing AG liest du hier in unserem Online-Beitrag

Der Autor
Warren Fauvel treibt als Director of Ventures bei der Next Big Thing AG die Gründung neuer Unternehmen in den Bereichen IoT, Blockchain und Machine Learning voran.

Wenn Geschwister gründen

Was beim Gründen mit Familienmitgliedern beachtet werden sollte.

Es kommt nicht selten vor, dass Familienmitglieder ein Unternehmen gründen. Doch in manchen Fällen fängt nach der anfänglichen Euphorie, oder wenn die ersten Probleme auftreten, das frohe Miteinander langsam an zu bröckeln. Traurige Beispiele sind Adidas und Puma, wo sich zwei Brüder seit Jahren einen unerbittlichen Konkurrenzkampf liefern. Damit der Familienfrieden nicht schiefhängt, sollten Geschwister, die gemeinsam ein Unternehmen gründen wollen, dann aber doch einige Dinge beachten.

Gemeinsames Wertesystem und Vision

Die Geschwister sollten ein gemeinsames Ziel verfolgen und für die Unternehmensidee brennen. Wenn alle Beteiligten dieselbe Vision haben, hilft das auch dabei, Krisenzeiten und Durststrecken gemeinsam durchzustehen, und das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bekommen.

Ebenso wichtig ist ein gemeinsames Wertesystem. Bei Geschwistern, die gemeinsam aufgewachsen sind, ist dieses oft dasselbe, da die Eltern in der Regel jedem Kind dieselben Werte vermitteln. Für die Unternehmensgründung kann das ein entschiedener Vorteil sein, denn durch dieselbe Auffassung von wichtigen Werten wie Integrität und Ehrlichkeit kommt es gar nicht erst zu Missverständnissen. Außerdem wird das Risiko, dass man sich gegenseitig hintergeht oder betrügt, minimiert.

Klare Aufgabenteilung und Vertrauen

Auch wenn Geschwister gemeinsam aufwachsen, dieselben Werte vermittelt bekommen und vieles gemeinsam unternehmen, sind sie Individuen mit ihren eigenen Stärken und Schwächen. In der Regel kennen sie diese genau untereinander und können sich so gegenseitig unterstützen. Für das Gründen eines Unternehmens ist die Idealform, wenn die Fähigkeiten der einzelnen Geschwister sich gegenseitig ergänzen, sodass jeder/jede einen klaren Aufgabenbereich hat, in dem er/sie die eigenen Stärken ausspielen kann.

Ein Beispiel für ein sich perfekt ergänzendes Geschwisterpaar sind Manuel und Dominic Heyden, Gründer des Kölner Fintech-Unternehmens nextmarkets. Gemeinsam hatten sie die Vision von der Entwicklung eines Neobrokers, der den Menschen den Handel mit Wertpapieren so einfach wie möglich machen soll.


Manuel ist dabei der Finanz- und Dominic der Technikexperte. So hat jeder seinen ganz klar definierten Bereich. Manuel bringt sein Finanzwissen in die Entwicklung der Neobroker-App ein und Dominic kümmert sich um die technische Umsetzung.

Die beiden haben eine ungeschriebene Regel

Manuel erklärt sie: „Wichtig ist, dass wir uns gegenseitig nicht in den jeweiligen Expertenbereich hineinreden. Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen stehen für uns an höchster Stelle. Nur so kann man harmonisch zusammenarbeiten. Deswegen halte ich mich aus den technischen Dingen und der App-Entwicklung raus, weil ich weiß, dass die bei Dom in den besten Händen sind. Und er redet mir im Gegenzug nicht ins Produkt- und Unternehmensmanagement rein. Das spart uns beiden Zeit und Nerven.“

Sein Bruder Dominic ergänzt: „Wir haben schon viel miteinander erlebt und wissen, wenn es hart auf hart kommt, dass wir uns auf den anderen verlassen können. Das ist wohl der größte Vorteil, den gründende Geschwister haben. Bei nicht-verwandten Gründern fehlt dieses Urvertrauen.“

Konflikte professionell lösen

In jedem Unternehmen kann es vorkommen, dass Mitarbeiter oder Geschäftsführer aneinandergeraten und Konflikte entstehen. Bei Geschwistern besteht oft die Gefahr, dass man aufgrund der tieferen Bindungsebene persönlich wird. Das sollte in jedem Fall vermieden werden. Auch wenn man mit seinem Bruder oder seiner Schwester im Konflikt steht, wenn es beispielsweise um eine Entscheidung geht, sollte man die familiäre Bindung ausblenden können und professionell miteinander umgehen, so wie man es mit einem nicht-verwandten Geschäftspartner auch tun würde.

Wann sollte man auf das gemeinsame Gründen lieber verzichten?

Nicht immer ist es ratsam für Geschwister oder Verwandte miteinander ein Unternehmen zu gründen. Nimmt ein Geschwisterteil zum Beispiel auf Drängen der Eltern einen anderen Geschwisterteil mit ins Boot, obwohl dieser nicht besonders stark am Unternehmen interessiert ist, kann das zu Konflikten führen.

Bestehen alte Konflikte, die nie gelöst wurden, sollte von einer gemeinsamen Gründung auch abgesehen werden. Es ist fast schon vorprogrammiert, dass alte, schlecht verheilte Wunden wieder aufbrechen, wenn es Probleme gibt. Wenn sich Geschwister früher immer in den Haaren gelegen haben, wird das im Erwachsenenalter kaum anders sein. In diesem Fall sollte man sich lieber Gründungspartner außerhalb des Familienkreises suchen.

Company Building statt Inkubatoren

Warum der Mittelstand echtes Company Building und keine Inkubatoren braucht.

Innovation ist gefragt wie selten zuvor, um mittelständische Unternehmen über die Krise hinaus am Markt zu halten. Und dennoch werden Inkubatoren, die zu diesem Zwecke ins Leben gerufen wurden, aktuell wieder zurückgefahren oder verkauft, wie die OGDS der OTTO Group oder Daimlers Lab1886. Während ihre Innovationskraft gerade jetzt dringend gebraucht wird, geraten Inkubatoren durch die aktuelle Situation noch stärker unter Druck. Die Brutstätten für Start-ups stehen schon länger im Ruf zu teuer zu sein und zu wenig konkrete Business Cases hervorzubringen. Es gilt Lösungsansätze zu finden, die einerseits den Bedarf nach Neuerungen decken und gleichzeitig wirtschaftlich rentabel sind. Aber wie?

Company Building statt klassischem Inkubator

Mittelständische Unternehmen, die unabhängig vom Bestandsgeschäft neue Geschäftsmodelle durch Ausgründungen entwickeln wollen, sollten zunächst einmal nicht auf klassische Inkubatoren setzen. Letztere sind zumeist in die Kernorganisation integriert und an deren gewachsene Prozesse gebunden. Klassische Unternehmensstrukturen machen die Kernorganisation eher wie einen Tanker, der ruhig und mit konstantem Tempo in eine Richtung fährt, wohingegen Start-ups, eher wie unabhängige Schnellboote agieren, die kurzfristig und agil neue Richtungen einschlagen können. Investitionsprozesse in Corporates gestalten sich wesentlich langwieriger, wodurch Start-ups das Zeitfenster für Innovationen und damit die “First Mover Advantage” verpassen würden. Außerdem hätten die jungen Unternehmen durch eine zu enge Bindung an die Kernorganisation vermutlich nicht die notwendige Freiheit um gerade zu Beginn mit Geschäftsmodellen zu experimentieren.

Aus diesen Gründen sollte eine eindeutige Trennung der Einheiten durch “Chinese Walls” angestrebt werden. Company Builder erfüllen diese Anforderung, in dem sie das Bindeglied zwischen der Kernorganisation und den Start-ups darstellen. So schaffen Company Builder einen hohen Grad an Freiraum und Unabhängigkeit, den Start-ups in dieser frühen Phase brauchen. Zudem vermittelt das Company Builder Team zwischen Start-up und Unternehmen, da es beide Welten verstehen und bewerten kann, welche infrastrukturelle Unterstützung und Kompetenzen des Mutterunternehmens bei der Entwicklung des Start-ups hilfreich sind.

Lernen aus den Fehlern von anderen

Ein häufiger Kardinalfehler bei Ausgründungen sind zu starre Eigentumsstrukturen. Hält das Mutterunternehmen 100 Prozent der Anteile an einem Unternehmen und sind die Gründer*innen lediglich über Gehaltsstrukturen und nicht über Shares incentiviert, fehlt ein wichtiger Anreiz, um sich langfristig für den messbaren Erfolg des Start-ups zu engagieren. Gleichzeitig werden so externe Finanzinvestor*innen von vornherein ausgeschlossen. Doch die Öffnung für externes Kapital schafft ganz neue Wachstumschancen. Die wenigsten Unternehmen können all ihre Start-ups finanziell ausstatten, dass sie ihr volles Skalierungspotenzial erreichen. Es gilt das einfache Motto "Lieber einen kleinen Anteil an einem großen Kuchen, als einen großen Anteil an einem sehr kleinen Kuchen". Gleichzeitig muss immer die Option im Raum stehen, ein Start-up aufzulösen, wenn sich abzeichnet, dass ein Geschäftsmodell keinen Erfolg verspricht. Nie sollte man in eine “sunk cost fallacy” verfallen und weiter an einem Start-up festhalten, nur weil man bereits Summe X investiert hat.

Allzu häufig scheitern die Experimente mit Ausgründungen nicht zuletzt aufgrund fehlender Toleranz zwischen Mutterschiff und Start-ups. Wichtig sind vor allem ein offenes Mindset und die Förderung gegenseitigen Verständnisses. Wer glaubt, ein junges Unternehmen wie eine mittelständische Firma führen zu können, der verurteilt sich selbst zum Scheitern. Allerdings ist der beidseitige Austausch von Wissen und Assets auch das, was das Company-Building-Modell so erfolgreich macht.

Wie der Mittelstand mit Company Building erfolgreich sein kann

Die notwendige Umgebung für den Erfolg der Start-ups schaffen Company Builder, indem sie ein erfahrenes und gut vernetztes Management-Team aufbauen und eine klare Trennung zwischen Start-ups und Kernorganisation schaffen. Einem Corporate Manager die Hauptverantwortung zu übertragen, der durch seine mangelnde Erfahrung mit Start-ups wenig Glaubwürdigkeit gegenüber Gründer*innen oder der VC-Szene hat, ergibt wenig Sinn und lädt zu Fragen über die Ernsthaftigkeit des Vorhabens ein. Für die Auswahl des Führungspersonals des Company Builders kommen vor allem Personen infrage, die sich einerseits mit der Corporate als auch der Start-up-Seite auskennen und zwischen den beiden moderieren können. Um diese Brücke zu schlagen, gibt es viele Wege, wie z.B. komplementäre Teams, die zusammenkommen, um sich gegenseitig weiterzubilden.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die klare Trennung der Start-ups von konkreten Business Units des Mutterunternehmens und den Zielvorgaben von dessen Geschäftsführung. Verständlicherweise ist das Ziel der Geschäftsführung stets ein positiver Jahresumsatz. Wer sich allerdings auf das Experiment mit Ausgründungen einlässt, muss in Kauf nehmen, dass der Aufbau neuer Geschäftsmodelle und der Sprung in die Profitabilität mehrere Jahre in Anspruch nehmen und Investments relativ lang gebunden sind.

Fazit: Company Builder können Unternehmen “Disruption-proof” machen

Fest steht, dass sich kein Unternehmen Stagnation leisten kann. Gewachsene Unternehmensstrukturen sind dahingehend optimiert, das Bestandsgeschäft voranzutreiben. Für Innovationen im Bestand sind sie häufig zu starr und zu langsam. Deshalb sind gut geführte Company Builder eine wichtige Möglichkeit sich langfristig zukunftsfähig aufzustellen und die Zukunft der eigenen Branche zu gestalten, bevor es andere tun.

Der Autor Matthias Friese ist Managing Partner bei XPRESS Ventures sowie Head of Company Building bei FIEGE

Expandieren bzw. Skalieren via Franchise

Für wen lohnt sich der Aufbau eines Franchise­systems und wie lassen sich geeignete Franchisenehmer finden?

Wenn ein Unternehmen schwarze Zahlen schreibt und sich als feste Größe am Markt etabliert hat, ziehen Geschäftsführer häufig eine Expansion in Betracht. Dabei stehen ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Sie können beispielsweise Kooperationen mit anderen Unternehmen oder Lizenznehmern eingehen, die den Vertrieb des eigenen Produktes übernehmen. Auch eine Suche nach Investoren, die die Expansion finanzieren, kommt oftmals infrage.

Eine kostengünstige und effiziente Art der Unternehmenserweiterung stellt außerdem der Aufbau eines Franchisings dar − allein in Deutschland gibt es bis zu 1000 verschiedene Franchisesysteme. Hierbei gewähren Gründer ihren Partnern mit der Zahlung einer Lizenzgebühr das Recht zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit auf Basis des eigenen Franchisekonzeptes. Doch für wen lohnt sich eine Franchisegründung, was sind die Vor- und Nachteile und wie lassen sich geeignete Franchisenehmer finden?

Auf einen Blick: Was ist Franchise?

  • Franchise ist ein Expansionsmodell für Unternehmen (Franchisegeber), die mit lokalen, selbständigen Unternehmen (den Franchisenehmern) einen oder mehrere nationale Märkte erschließen wollen.
  • Dazu übergibt der Franchisegeber dem Franchisenehmer für einen bestimmten Standort ein erprobtes und vielfach erfolgreiches Unternehmenskonzept.
  • Der Franchisenehmer übernimmt dieses Unternehmenskonzept und verpflichtet sich, dieses mit seiner Kapital- und Arbeitskraft sowie auf eigenes Risiko in dem ihm überlassenen Markt durch Expansion zur vereinbarten Marktposition zu entwickeln.
  • Der Franchisegeber verzichtet bei vertragsgerechtem Verlauf an diesem Standort in der Regel auf eine eigene Marktbearbeitung.
  • Im Gegenzug verzichtet der Franchisenehmer auf die aktive Marktbearbeitung außerhalb des ihm überlassenen Marktausschnitts.
  • Die Fülle der damit für den Franchisenehmer und -geber verbundenen Rechte und Pflichten wird
  • in einem Franchisevertrag und einem Handbuch dargestellt sowie für alle Parteien einheitlich und verbindlich geregelt.