Neuer Online-Shop Temu: Grell, laut und auf den Punkt

Autor: Robert Klipp
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Mit einer Kombination aus billiger Ware und aggressiver Online-Werbung prescht ein neuer E-Commerce-Shop auf den Markt. Robert Klipp, Marketer und CEO von MBC My Best Concept, erklärt, warum das Temu-Konzept so gut aufgeht.

Wer sich in den letzten Wochen im Netz aufgehalten hat, kam wohl kaum an Temu vorbei. Vor allem in den sozialen Medien wie TikTok oder Instagram präsentiert sich das in den USA gegründete und von einer chinesischen Holding gehaltene Onlinehandel-Unternehmen quasi omnipräsent.

Das Ziel ist eindeutig: Möglichst schnell möglichst viele Kund*innen gewinnen und sich so am E-Commerce-Markt etablieren. Dabei setzen die Marketer hinter Temu vordergründig zunächst auf die bewährte Taktik ‚viel hilft viel‘ – und das sowohl in der Frequenz der Beschallung potenzieller Abnehmer*innen als auch in der schieren Menge der Angebote.

Die Qualität der angepriesenen Produkte erweist sich hierbei als zweitrangig. Sechs Silikondeckel zum Schutz von Lebensmitteln für 2,45 Euro, ein Paar Badelatschen zum halben Preis für 3,87 Euro und eine Diamantensäge für 2,79 Euro; die Bandbreite scheint so riesig wie die Preise niedrig. Dies hat einen nicht zu vernachlässigenden psychologischen Effekt, der sich erheblich auf die Kaufentscheidung der Nutzer auswirkt. Denn es ist eine Sache, Kund*innen durch aggressive Werbung in den virtuellen Verkaufsraum zu ziehen – und eine andere, sie dort auf lange Zeit zu halten oder zum Wiederkommen zu bewegen.    

Voll gepackte virtuelle Regale

Enorm viel Geld ins Online-Marketing zu pumpen, um in jedermanns Gedächtnis zu bleiben, kann im Grunde jeder Player, der über die nötigen finanziellen Mittel verfügt. Was Temu vom Rest abhebt, ist, dass das Unternehmen mit seinem Store-Konzept die Zeichen der Zeit erkannt hat. Im Visier befindet sich vor allem eine junge Zielgruppe, die es gewohnt ist, digital zu kaufen, aber gleichzeitig nicht zu viel Geld ausgeben möchte.

Was den Neuling am Markt allerdings von etablierten Playern wie Amazon unterscheidet, ist der Ansatz des Marketing Discovery Commerce. Diese Art des Einkaufens ähnelt in ihrer angewandten Verkaufspsychologie eher dem normalen Shopping in der realen Welt als seinem Online-Pendant. Auswahl steht im Regal Massenweise zur Verfügung, was genügend Raum für Impulskäufe bietet. Zudem bedient sich Temu im App- und Browser-Aufbau bei den modernen Social-Media-Plattformen. Egal wie lang und weit ein Nutzender bei Letzteren scrollt, es kommt immer neuer Content nach. Genauso verhält es sich mit den Produkten des chinesischen Händlers. Schier unendliche Möglichkeiten tun sich auf – und irgendwann muss doch auch für DICH etwas dabei sein!

Bestelle jetzt!

Von TikTok, Instagram und Co. hat sich Temu zudem den Empfehlungsalgorithmus abgeschaut – und diesen danach auf das absolute Maximum hochgeschraubt. Durch extrem fordernde Push-Nachrichten sollen Nutzer*innen immer wieder zu erneuten Käufen animiert werden. In Kombination mit zeitlich limitierten Rabatten schafft Temu so eine Dringlichkeit, der besonders die anvisierte Zielgruppe nur schwer widerstehen kann. Stetig neue bildliche Reize bilden eine Symbiose mit herunter tickenden Uhren.

So gilt das Gratisversand-Angebot angeblich nur für fünf Stunden, der Tiefstpreis für den ohnehin schon unverschämt günstigen Lockenstab läuft morgen aus und genau JETZT ist der beste Zeitpunkt für die nächste Deko-Bestellung, denn Halloween steht doch bereits vor der Tür.

Temu erfindet das Rad mit dieser Art des Marketings nicht neu. In ihrer schieren Masse und Aggressivität erreicht die Strategie allerdings ein ganz neues Level – und trifft damit genau den Zeitgeist. Vor allem bei der Generation Z kommen Unternehmen mit subtiler Werbung nicht mehr weit; grell, laut, leicht verständlich und auf den Punkt muss es sein, sonst ist es die Zeit der schnelllebigen Nutzer nicht wert. Temu macht vor, wie es geht und ist damit unaufhaltsam auf dem Weg an die Spitze des E-Commerce-Marktes.

Der Autor Robert Klipp ist CEO und geschäftsführender Gesellschafter der Performance-Marketing-Agentur My Best Concept www.mybestconcept.com

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Nicht ohne Kosten: Die kostenlose Retoure

Gastkommentar: Artjom Bruch, CEO von Trusted Returns, beleuchtet die wahren Kosten der kostenlosen Retoure und erläuert, warum sich im Retourenmanagement wohl bald einiges ändern wird.

Die Wirtschaft schwächelt, Lieferketten sind instabil und neue Richtlinien wie das Recht auf Reparatur oder die EU-Öko-Designrichtlinie führen zu zusätzlichen Kosten, die Händler*innen einpreisen müssen. Viele sehen sich zusätzlich dazu gezwungen, stärker auf Profitabilität zu achten, was unweigerlich auch zu Kosteneinsparungen führen wird. Die Retoure als reiner Kostenpunkt bietet hier natürlich besonders großes Potenzial für Einsparungen und allein der Rückversand ist laut Daten des EHI für Onlinehändler*innen der zweitgrößte Kostentreiber bei Retouren. Wirklich kostenfrei ist eine kostenfreie Retoure daher nicht – weder für Käufer*innen noch für Händler*innen.

Die Kosten, die Seitens der Händler*innen durch Retouren ausgelöst werden, sind leicht nachzuvollziehen: Retournierte Ware muss transportiert, gelagert und geprüft werden. All diese Schritte lösen Kosten aus und binden Ressourcen – Mitarbeitendenzeit, Lagerplatz und mehr. Dadurch kann der Retourenprozess eines Produkts im Extremfall sogar zu einem Negativergebnis in der Gesamtbilanz führen. Und besonders ärgerlich: Wenn bei der Prüfung des retournierten Produkts im Lager festgestellt wird, dass es sich nicht zum Wiederverkauf eignet, muss es auch noch entsorgt werden – auch das ist wieder mit Kosten verbunden. Händler*innen antizipieren diese Kosten wiederum und reagieren dementsprechend. Zwar sind sich nicht viele Verbraucher*innen dessen bewusst, aber das Retourenrisiko samt Kosten wurde natürlich eingepreist.

Kostenfreier Rückversand ist kundenorientiert – ein Trugbild?

Das Risiko, dass der Versand eines Produkts möglicherweise nachgelagerte Kosten auslöst, wenn dieses zurückgeschickt wird, ist von dem/der Händler*in bei der Preisgestaltung in der Regel berücksichtigt worden. Dadurch tragen die Kund*innen als Kollektiv die versteckten Kosten der kostenlosen Retoure mit: Der Produktpreis ist für alle gleich, auch wenn nicht alle auf die Retoure zurückgreifen – von Kleidung, die in unterschiedlichen Größen bestellt wird, um nur die passende zu behalten, bis hin zu Produkten, die gekauft wurden, nur um die tatsächliche Kaufentscheidung beim Erhalt zu treffen. In diesem Modell werden jene Kund*innen belohnt, die Produkte häufig retournieren. Diejenigen, die sich jeden Kauf gut überlegen und bestellte Produkte nur bei einem wirklichen Problem zurückschicken, zahlen de facto drauf.

Dass dieses Retouren-Modell so großen Anklang fand, liegt größtenteils an einer Art Gruppenzwang: Unter den 100 größten Onlineshops in Deutschland bieten knapp 87 Prozent kostenlose Retouren an. In Zeiten der absoluten Kund*innenorientierung, wenn Kund*innenbindung und Neukund*innengewinn wichtiger ist als Effizienz und Wirtschaftlichkeit, ist dies auch völlig legitim. Da sich nun aber abzeichnet, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich verschlechtern und Profitabilität das Gebot der Stunde für Onlinehändler*innen ist, lohnt es sich, diese Strategie kritisch zu evaluieren. Denn bei Versandkosten zeichnet sich bereits ein starker Trend weg vom kostenlosen Versand ab: Nur noch 4 Prozent der Onlinehändler*innen im DACH-Raum bieten ihn aktuell an.

Versandkosten wurden schon jeher differenzierter betrachtet als Retourenkosten, jedoch kann es ratsam sein, auch diese Zweiteilung zu überdenken, wenn ohnehin ein strategischer Wechsel mit Fokus auf Profitabilität bevorsteht.

Eine Re-Positionierung der Retoure und ihres Stellenwerts könnte bei Kund*innen gut ankommen. Frei nach dem Motto „Was nichts kostet, ist nichts wert“ bietet sie heutzutage als Schnittstelle zum Kund*innen wenig Services an, während in der Vergangenheit lebenslange Garantien und ein erstklassiger Kund*innenservice USPs waren. Zwar ist eine Kehrtwende in dieser Größenordnung nicht zwingend der einzige Weg, aber eine selektive und gezielte Diversifizierung bei Retouren anhand von Unterschieden wie Retouren aus dem heimischen Markt oder dem Ausland, Retouren aus Kulanz im Kontrast zu rechtlichen Gründen wie Widerrufsretouren, oder auch eine Segmentierung nach Kund*innengruppen sind Möglichkeiten der Diversifizierung.

Sobald nicht jede Retoure kategorisch kostenlos für Verbraucher*innen ist, wird die Retourenquote fallen, und Onlinehändler*innen werden sich viele der nachgelagerten Kosten sparen. Ferner ist die Retoure auch nicht zwingend für jedes Problem, das ein(e) Käufer*in mit einem Produkt hat, die optimale Lösung. Und besonders wenn die EU-Ökodesign-Richtlinie die Vernichtung von Retouren in einigen Produktkategorien verbietet, könnten Händler*innen in eine Zwickmühle geraten, wenn sie bei einer hohen Retourenquote auf der zurückgeschickten Ware sitzenbleiben.

Diversifizierung der Retourenstrategie: Ein Schritt in Richtung Fairness und Effizienz

Die Änderungen in der Retourenstrategie von Online-Riesen wie Amazon im letzten Jahr können durchaus Testläufe gewesen sein und zusammen mit der Trendumkehr bei Versandkosten zumindest im DACH-Raum einen echten Paradigmenwechsel für den Onlinehandel signalisieren. Denn der Gruppenzwang wird allein durch Amazons Änderung gelockert.

Kund*innenorientierung muss neu gedacht werden. Eine Diversifizierung der Retouren-Möglichkeiten ergibt wirtschaftlich Sinn und erlaubt es Händler*innen, auch passgenauer auf Kund*innenbedürfnisse einzugehen. Den Rückversand als Schnittstelle zur Kundschaft zu verstehen und auch zu nutzen, könnte in der Zukunft einen echten Unterschied darin machen, wie ein(e) Kund*in eine(n) Händler*in wahrnimmt. Denn wenn die Retourenstrategie eine Auswahl an Möglichkeiten bietet, fühlt sich der Service individueller an und Probleme können mit mehr Präzision gelöst werden als es der heutige One-Size-Fits-All-Ansatz erlaubt. Auch Extremfälle wie die fehlende Schraube, die trotz allem dazu führt, dass das ganze Produkt zurückgeschickt werden muss, könnten der Vergangenheit angehören. Der simple Umstand, mehr als eine Möglichkeit der Retoure anzubieten, gibt Verbraucher*innen einen größeren Handlungsspielraum. Wenn sich dadurch sogar Kosten einsparen lassen, ist gut durchdachtes Retourenmanagement ein mächtiges Werkzeug für Profitabilität und Kund*innenzufriedenheit gleichzeitig.

Der Autor Gründer Artjom Bruch ist Gründer und Geschäftsführer von Trusted Returns, einer IT-Plattform für das Retourenmanagement.

Start-ups und Patente: Was du wissen solltest

Welche Maßnahmen Start-ups im Rahmen einer Schutzrechtsstrategie ergreifen sollten, erläutert Patentanwalt und Start-up-Kenner Florian Meyer.

Die Geschäftsidee ist innovativ, die Technologie einzigartig. Optimismus und Risikobereitschaft sind ungebrochen. Doch auch an den Schutz des geistigen Eigentums gedacht? Start-ups tun gut daran, ihre eigenen Ideen vor Plagiaten zu schützen – und gleichzeitig die Rechte anderer Unternehmen zu beachten. Denn Fehler können später richtig teuer werden. Patentanwält*innen helfen Gründer*innen dabei, sich im komplexen IP-Recht zurechtzufinden und eine eigene Patentschutzstrategie zu entwickeln.

In einer Studie aus dem Oktober 2023 haben das Europäische Patentamt (EPA) und das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) herausgefunden: Patent- und Markenrechte sind mitentscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Start-ups. So ist es für Start-ups, die in der Gründungs- und frühen Wachstumsphase über diese Rechte verfügen, durchschnittlich über zehn Mal wahrscheinlicher, sich eine Finanzierung zu sichern – vor allem in Hightech-Branchen mit hohem Kapitalbedarf. Investor*innen benötigen eine möglichst große Sicherheit, dass ihre Investitionen abgesichert sind. Außerdem steigern erworbene Schutzrechte die Bewertung des Unternehmens. Der Rat: Die frühzeitige Entwicklung einer Schutzrechtsstrategie sollte ein wichtiger Teil der unternehmerischen Planung sein. Das verhindert nicht nur, dass die eigenen Ideen kopiert werden, sondern stärkt auch die Position von Start-up-Gründer*innen in Verhandlungen mit Geldgeber*innen oder bei der Entwicklungsarbeit mit Industriepartner*innen.

Professionelle Begleitung durch die komplexe IP-Welt

Dabei ist Schutzrecht nicht gleich Schutzrecht. Mit Patenten oder Gebrauchsmustern können technische Innovationen geschützt werden, mit Designs die gestalterischen Aspekte. Durch Markenschutz können Start-ups ihre Marke langfristig am Markt absichern. Daneben gibt es weitere Spezialrechte, wie den Halbleiter- oder Sortenschutz. Start-ups stehen vor der Herausforderung, sich in der komplexen Welt des geistigen Eigentums zurechtzufinden. Umso wichtiger ist eine kompetente Beratung durch erfahrene Patentanwält*innen. Sie unterstützen das Start-up dabei, seine Innovationskraft optimal zu nutzen und zu schützen.

Eine Herausforderung für Start-ups ist, dass sie meist wenig Ressourcen haben. Viele von ihnen können sich daher einen weltweiten Schutz nicht leisten. Die gute Nachricht: Sie brauchen ihn oft auch gar nicht, zumindest nicht sofort. Zum Glück gibt es den sogenannten Patentzusammenarbeitsvertrag („Patent Cooperation Treaty”, PCT). Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Option auf eine Patentanmeldung in rund 150 Ländern. Die Kosten können Start-ups zeitlich nach hinten verlagern. Wenn die Innovation später ihre Erwartungen nicht erfüllt oder wenn sie nur in bestimmten Ländern vertrieben werden soll, können sie den Patentierungsprozess abbrechen oder anpassen, bevor die Kosten steigen.

Gewerblichen Rechtsschutz von Anfang an mitdenken und Innovationen schützen

Wann sollten sich Gründer*innen mit dem gewerblichen Rechtsschutz befassen? Klar ist: Spätestens, sobald Wissen das eigene Haus verlassen soll, etwa bei der Suche nach Geldgebern oder bei Kooperationen mit Partnern, müssen die Start-ups sicherstellen, dass die eigenen Ideen geschützt sind. Dazu ist nicht immer direkt eine Patentanmeldung erforderlich, womöglich genügt anfangs auch ein Geheimhaltungsvertrag. Gleichzeitig sollten die Gründer*innen die Schutz- und Nutzungsrechte, die ursprünglich bei Mitarbeitenden oder externen Entwickler*innen liegen, auf ihre Firma übertragen. Hierfür müssen sie rechtlich eindeutige Schutzrechtsübertragungsvereinbarungen abschließen.

Schutzrechte der Konkurrenz berücksichtigen

Neben dem Erwerb von Schutzrechten müssen Start-ups auch die Rechte anderer Marktteilnehmer*innen beachten. Sonst läuft das Start-up schlimmstenfalls Gefahr, vor Gericht zu landen. Einen ersten Anhaltspunkt bieten hier Patentrecherchen der Patentämter. Wer schließlich seine eigenen Innovationen anmeldet, verhindert, dass Konkurrent*innen Schutzrechte für dieselbe Innovationen erhalten. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für die Überwachung des Marktes. Klar ist aber auch: Eigene Schutzrechtanmeldungen ersetzen keineswegs die Analyse der bestehende Fremdschutzrechte. Gründer*innen sollten eine umfassende und systematische Prüfung immer dann vornehmen, wenn sie ein neues Produkt im Markt anbieten wollen.

In der Anfangseuphorie klingt der Schutz des geistigen Eigentums eher wie ein Stimmungskiller. Doch das Thema des gewerblichen Rechtsschutzes sollten Gründer*innen nicht auf die lange Bank schieben, damit ihr Unternehmen erfolgreich durchstarten kann.

Der Autor Florian Meyer kennt die Herausforderungen für Start-ups im Detail – aus dem Blickwinkel des Patentanwalts und als Entwickler in einem Robotik-Start-up. Bei der IP-Kanzlei Meissner Bolte begleitet er Start-ups aus unterschiedlichen Branchen und verschiedenen EU- Staaten.

Innovationsbooster 2024

Wie Start-ups und Corporates von Innovationsprogrammen profitieren können und welche Programme welchem Start-up aktuell den größten Mehrwert bieten.

Seit sechs Jahren untersucht das Beratungshaus mm1 die Start-up- und Innovationsprogramme der zu den Indizes DAX, MDAX, ATX und SMI gehörenden Unternehmen. Basis der Analyse sind alle Geschäftsberichte der 130 indizierten Unternehmen, die gezielt mit Blick auf entsprechende Programme untersucht werden. Auch in diesem Jahr zeigen sich spannende Entwicklungen. Vor allem die Trendthemen Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz (KI) stehen hoch im Kurs. Doch welche Programme bringen für welches Start-up den größten Mehrwert?

Eine gute Nachricht vorab: Auch wenn der Start-up-Boom der letzten Jahre einen Rückgang erlebt, wird weiterhin viel in Deutschland gegründet. Allein im Jahr 2022 gab es laut Bundesverband Deutsche Startups e.V. 2618 Neugründungen. Eine enorme Zahl, die das riesige Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen (großen) Unternehmen und Start-ups unterstreicht. Allerdings: Der Großteil der Start-ups scheitert, sodass erfolgreiche Start-ups heiß begehrt sind.

Für Inkubatoren, Acceleratoren oder Venture Capitals (VC), die an Kooperationen mit Start-ups interessiert sind, gilt es deshalb, attraktive Innovationsprogramme anzubieten – im Idealfall sorgfältig geplant, strukturiert aufgesetzt und mit dem notwendigen Ernst durchgeführt. Ist dies der Fall, bieten sich viele Vorteile: Unternehmen können ihre Innovationskraft und Kreativität steigern, die Produktpalette und Einnahmequellen erweitern sowie wesentliche Trends und Technologien frühzeitig identifizieren.

Doch wie können Gründer*innen konkret profitieren und welche Programme passen am besten zu welchem Start-up? Hat der Rückgang an Neugründungen Auswirkungen auf das Angebot an Innovationsprogrammen?

Welche Arten von Programmen gibt es?

Fest steht: Für Start-ups sind entsprechende Programme oft ein wertvoller Zugang zu potenziellen Kund*- innen und Investor*- innen. Sie bieten die Gelegenheit, ihre Technologien zu testen und ihre Marktrelevanz zu prüfen. In ihrer Entwicklung durchlaufen Start-ups grundsätzlich mehrere Phasen, von der Pre-Seed-Phase (Definition der Grundlagen eines Start-ups wie Zielgruppe und Produkt/Service) über die Seed-Phase (Entwicklung eines Prototyps von Produkt/Service) und Gründungsphase (Vorbereitung des Markteintritts, Aufsatz von Produktion und Marketing etc.) bis zur Expansions- oder Wachstumsphase (u.a. Ausweitung Vertrieb und Produktion).

Für eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Start-ups bieten sich vor allem jene Phasen an, in denen das Start-up in den Markt einsteigen bzw. expandieren möchte. Hierbei können (große) Unternehmen wertvolle Hilfestellungen geben, sodass eine Zusammenarbeit für beide Seiten sinnvoll ist.

Die bekanntesten Programme zur Einbindung von Start-ups sind:

Inkubatoren: Förderung junger Start-ups (Seed-Phase) bei der Entwicklung innovativer Produkte und Services; Aufbau des Unternehmens generell sowie des notwendigen Know-hows und der Rahmenbedingungen.

Acceleratoren: Diese Programme fokussieren eine Beschleunigung sowie starkes Wachstum von Start-ups.

Venture Capital (VC): Bei einem finanziellen Invest wird ein Risikokapital investiert, um von der positiven Entwicklung des Start-ups zu profitieren; strategische VCs fokussieren die Erweiterung des eigenen Portfolios.

Kooperationsprogramme: Programme, bei denen sich Unternehmen zusammentun und gemeinsam Acceleratoren, Inkubatoren etc. für Start-ups anbieten.

Welche Art von Programm bzw. Zusammenarbeit sinnvoll ist, muss individuell betrachtet werden. Einen tiefergehenden Überblick bietet hier der Startup- und Innovationsmonitor, den mm1 seit 2017 jährlich veröffentlicht.

Start-up-Boom flaut ab: Gehen die Investments zurück?

In der diesjährigen Studie wurde ein Rückgang des Hypes rund um Start-ups beobachtet. Investments nehmen im Allgemeinen ab, und die Bewertungen fallen deutlich niedriger aus als noch vor einigen Jahren. Dennoch gibt es aus zwei Gründen keinen Grund zur Panik für Start-ups.

Grundsätzlich war es bereits vorhersehbar, dass der Hype irgendwann nachlassen würde. Realistische Einschätzungen und Investments können helfen, den Fokus wieder stärker auf die wesentlichen Inhalte zu legen. Außerdem können übermäßig hohe Bewertungen in den frühen Phasen nachteilig sein, da sie zu übertriebenen Erwartungen führen und die Bewertungen in den späteren Phasen gerechtfertigt werden müssen. Dennoch ist es für Start-ups wichtig, den Markt weiterhin sorgfältig zu beobachten.

Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Auswirkungen auf die Start-up- und Innovationsprogramme in Unternehmen der DACH-Indizes vergleichsweise gering sind. Obwohl der Anstieg der Programme im Vergleich zum Vorjahr moderater ist, gibt es keine signifikanten Schließungen von Programmen. Im internationalen Vergleich stehen deutsche Start-ups generell besser da als ihre Pendants in Großbritannien und Frankreich. Dort gab es einen drastischen Rückgang der finanziellen Mittel, die Start-ups für ihr Wachstum dringend benötigen, nämlich um mehr als 50 Prozent innerhalb eines Jahres.

Nachhaltigkeit und KI weiterhin im Fokus

Der Verlauf der letzten Jahre zeigt, dass sich Programme wie Co-Pace von Continental, TechBoost der Deutschen Telekom oder die BMW Startup Garage etabliert und wertvolle Kooperationen mit Start-ups hervorgebracht haben. Zudem zeigt sich, dass in den letzten Jahren verschiedene Trend­themen und Technologien Einzug in die Start-up-Programme erhalten haben. Insbesondere Programme zu datengetriebenen Themen wie KI oder Machine Learning wurden eröffnet (z.B. Industrial AI Accelerator von ABB).

Auch das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend umgesetzt, zum Beispiel durch die Siemens Energy Ventures, die Circular Valley Stiftung von Henkel, oder die Future Energy Ventures von E.ON.

Die Herausforderungen des Klimawandels und der Energiekrise sowie zukünftige regulatorische Anforderungen wie das ­CSRD-Gesetz und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sollen durch nachhaltigkeitsorientierte Start-up- und Innovationsprogramme angegangen werden. Dabei liegt der Fokus darauf, Innovationen im Bereich Energieeffizienz, Dekarbonisierung und Recyclingoptionen zu entwickeln.

Ähnlich ist es mit der Entwicklung von KI-Themen; diese setzt sich auch in diesem Jahr fort. Eine steigende Anzahl von Produkten und Services wird intensiv analysiert, beispielsweise mithilfe von Sensordaten. Dadurch ergeben sich nütz­liche Möglichkeiten wie Predictive Maintenance oder Generative AI. Unternehmen reagieren zunehmend darauf, indem sie externe Expertise in Form von Start-up- und Innovationsprogrammen sowie ähnlichen Aktivitäten einbinden, um diese Technologien zu nutzen.

Mit Blick auf die jeweiligen Programmarten haben insbesondere Kooperationsprogramme in den letzten Jahren stark zugenommen. Start-ups profitieren davon, dass sie mit verschiedenen Partner*innen zusammenarbeiten. Weiterhin werden solche übergreifenden Programme oftmals von politischer Seite gefördert, was sowohl finanzielle Vorteile hat als auch die Objektivität der Programme erhöhen kann.

Klare Ziele, wissenschaftliche Validierung

Wichtig ist und bleibt, dass Unternehmen und Start-ups ihre jeweiligen Zielsetzungen für eine Kooperation klar kommunizieren. Nur so können die wertvollen Vorteile erzielt werden. Diese müssen gut geplant und mit aller Ernsthaftigkeit umgesetzt werden. Programme, die primär Marketingzwecken dienen, sind in der Regel zum Scheitern verurteilt.

Ebenso empfiehlt sich innerhalb von Innovationsprogrammen mehr denn je eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und wissenschaftlichen Institutionen. Durch den engen Austausch zwischen unternehmerischer Praxis und wissenschaftlicher Forschung kann zum Beispiel der technologische Status quo als wichtiger Bestandteil einer Geschäftsidee immer wieder validiert werden. Dazu stärkt eine wissenschaftliche Validierung von Produkten, Dienstleistungen und Technologien das Vertrauen der Verbraucher*innen und erhöht die Marktakzeptanz.

Der Autor Dr. Jens Lehnen ist Manager bei der Digitalberatung mm1 – a valantic company. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen der kundenzentrischen Produktentwicklung, dem Technologie- und Innovationsmanagement sowie der Geschäftsmodellentwicklung.

Neues Jahr, neuer Versuch: Mit diesen fünf Schritten setzt ihr eure Ziele auch wirklich um

Alle setzen sich Ziele. Das Problem: Oftmals erreicht man seine Ziele nicht, ganz gleich, wie gut man sie geplant und mithilfe von OKRs operationalisiert hat. Wir erklären, woran es liegt und zeigen, wie es besser geht.

Gerade zum Jahresanfang ist die Motivation hoch und man setzt sich viele, hehre Ziele. Das Problem: Nach nur wenigen Tagen oder Wochen setzt die Ernüchterung und Erkenntnis ein: Man erreicht seine Ziele nicht, weil man vom Planen nicht ins Machen kommt. Einer der Hauptgründe dafür: Es fehlt das Bewusstsein für die tatsächliche Zeit, die einem zur Verfügung steht. Doch das kann man mit nur fünf Schritten ändern.

1. Schritt: Trackt eure Zeit und schaut, wo sie verloren geht

Der erste Tipp ist denkbar simpel – und dennoch oftmals unglaublich erkenntnisreich. Trackt mal für ein oder zwei Wochen eure Zeit und schaut, was ihr den ganzen Tag so alles macht. Das kann mithilfe eines Tools gemacht werden oder händisch, indem man am Ende eines jeden Tages Revue passieren lässt, wie lange ihr woran gearbeitet hat. Ihr werdet feststellen, wie verblüfft ihr vom Ergebnis seid. Zum Beispiel werdet ihr aller Wahrscheinlichkeit nach feststellen, dass ihr selten mehr als 6 Stunden Fokuszeit die Woche habt. Weil ihr viel in Meetings sitzt, mit Mitarbeiter*innen via Slack kommuniziert oder Kundentermine habt und obendrein Mails beantwortet und ganz oft eure Mails checkt. Natürlich ist das wichtig. Die große Frage ist aber: Zahlt das alles auf eure Ziele ein? Und geht das nicht besser?

2. Schritt: Macht eine Liste der Ziele und verseht sie mit Zeitstempeln

Im nächsten Schritt geht es darum, zu überlegen, wie ihr eure Zeit sinnvoller, das heißt wirksamer nutzen könnt. Angenommen ihr hättet nur sechs Stunden Zeit pro Woche für echte Fokuszeit. Dann stellt sich zunächst die Frage: Reicht euch das überhaupt aus, um eure Quartalsziele zu erreichen? Das geht am einfachsten, indem ihr euren Zielen Zeitstempel verseht. Schätzt dafür grob, wie viel Zeit das jeweilige Ziel von euch in etwa beansprucht. So stellt ihr schnell fest, ob ihr überhaupt genug Zeit habt, um eure Ziele zu erreichen. Berücksichtigt hier, dass es sicherlich einige Termine gibt, die bereits auf die formulierten Ziele einzahlen. Andere aber sicherlich nicht. Ihr werdet erstaunt sein, wie wenig Zeit euch letztlich zur Verfügung steht oder anders ausgedrückt: Wie ineffektiv ihr teilweise eure Zeit nutzt. Das ist der Hauptgrund dafür, dass man viel plant, aber wenig umsetzt. Stellt euch dabei auch die Frage, ob bestimmte Aufgaben von jemand anderem übernommen werden können? Und falls nicht: Vielleicht gibt es ja ein Tool, mit dem ihr bestimmte Aufgaben automatisieren könnt?

3. Schritt: Fokussiert euch, nutzt Timeboxing – und denkt an die Rüstzeit

Habt ihr euch einen Überblick verschafft, wie viel Zeit ihr für eure Ziele benötigt und wie ihr die benötigte Zeit in eurem Kalender freischaufeln könnt, geht es nun darum, sicherzustellen, dass ihr in der Zeit auch wirklich an der Aufgabe arbeitet. Eine der effektivsten Methoden ist laut Harvard Business Manager das Timeboxing. Das heißt, ihr schreibt euch die Aufgabe in den Kalender und blockt euch die Zeit. So stellt ihr sicher, dass keine(r) euch einen Termin einstellt. Zugleich werdet ihr daran erinnert, dass ihr diese Aufgabe zu dieser Zeit erledigen solltet.

Wichtig: Ihr solltet mindestens in 60-Minuten-Blöcken planen. Ihr braucht durchschnittlich allein schon 5 bis 10 Minuten, um euch in eine Aufgabe hineinzudenken. Eine halbe Stunde ist daher meist zu kurz, um wirklich etwas erledigt zu bekommen. Die Zeit könnt ihr wirklich besser für E-Mails oder Slack nutzen.

4. Schritt: Führt einen Makers und Manager Schedule ein

Der Tipp ist nicht neu, aber ich bin erstaunt, wie wenige Unternehmen ihn umsetzen. Oftmals haben Manager über die ganze Woche verteilt Termine wie One-on-Ones. Das ist hochgradig ineffizient. Weil so jeder einzelne Tag sehr zerstückelt ist und es – wenn überhaupt – nur sehr wenig Fokuszeit pro Tag gibt. Ihr braucht ja mindestens 60 Minuten, idealerweise 120 Minuten am Stück, damit ihr überhaupt größere Aufgaben erledigen könnt. Indem ihr meetingfreie Tage einführt, erhöht ihr die Wahrscheinlichkeit dafür. Dann sind zum Beispiel der Montag, Dienstag und Donnerstag Tage für Meetings und der Mittwoch und Freitag steht für Fokusarbeit zur Verfügung.

5. Schritt: Denkt in Wochensprints – und führt eine Weekly Review ein

Im letzten Schritt geht es darum, ein wöchentliches Bewusstsein für die eigenen Ziele zu schaffen. Das geht in Form von Wochensprints und einer Wochenrückschau am besten. Setzt euch am Anfang einer jeden Woche ein kleines Ziel, das euch dabei hilft, die Wahrscheinlichkeit euer Ziel am Ende des Quartals zu erreichen – und blockt euch entsprechend die Zeit im Kalender. Ihr müsstet jetzt zumindest Blöcke für Fokuszeit oder gar einen oder zwei ganze Fokustage haben.

Am Ende einer jeden Woche schaut ihr dann zurück und guckt, woran ihr in der Woche tatsächlich gearbeitet habt. Stimmen eure Planung und die Realität überein? Falls die Antwort „Nein“ lautet, kann das zweierlei bedeuten: Ihr habt zu wenig Fokuszeit oder lasst euch zu viel ablenken und müsst daran arbeiten. Oder aber ihr habt per se die Zeit, aber arbeitet dann doch an anderen Dingen. Dann habt ihr vermutlich die falschen Ziele und ihr müsst sie anpassen.

Last but not least: Fragt euch, wann ihr welches Energielevel habt

Es gibt ja den Tipp „Eat the frog first“. Der ist nur halb richtig. Denn: Euer Chronotyp hat einen großen Einfluss auf eure Produktivität. Seid ihr eine Eule, ist es total illusorisch, dass ihr morgens eine Strategie erstellt. Seid ihr eine Lerche, solltet ihr nicht die Ambition haben, am späten Nachmittag noch zu Höchstleistung auflaufen zu wollen. Nehmt darauf Rücksicht und plant die Tage entsprechend. Als Lerche kann man Termine, die kein so hohes Energielevel verlangen, eher in den Nachmittag schieben. Wichtige Aufgaben, die viel Energie abverlangen, solltet ihr eher morgens in Angriff nehmen. Oftmals sieht es aber genau andersrum aus. Die Tage sind von morgen bis in den Nachmittag hinein verplant – und erst am Abend hat man wirklich Zeit. Für die Eule mitunter kein Problem. Für die Lerche sehr wohl.

Der Autor Marco Alberti ist Gründer und Geschäftsführer von Murakamy, einer Beratung mit Fokus auf Visions-, Missions- und Strategieentwicklung sowie Objectives and Key Results (OKRs). In seiner mehr als 20-jährigen Berufslaufbahn hat Marco schon viele namhafte Unternehmen wie mymuesli, Daimler und Vaillant in strategischen Fragen und bei der Einführung von OKRs beraten.

Unternehmensverkauf: darauf kommt es an

Das richtige Timing spielt in vielen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle, sei es in der Karriereplanung, der Vermögensbildung, im Privatleben oder im unternehmerischen Kontext. Obwohl nicht alle Faktoren kontrollierbar sind, können insbesondere bei Unternehmensverkäufen oder Finanzierungsrunden einige Variablen beeinflusst werden.

Für ein erfolgreiches Liquiditätsereignis in deinem Unternehmen ist es nützlich, zwischen "internem" und "externem" Timing zu unterscheiden.

  • Das "interne Timing" bezieht sich auf Faktoren, die direkt mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Zustand deines Unternehmens zusammenhängen.
  • Das "externe Timing" ist komplexer und bezieht sich auf den Zustand des Marktes und seine Dynamik.

Indem du diese beiden Timing-Aspekte harmonisierst, schaffst du die Voraussetzungen, den Transaktionswert für dein Unternehmen zu maximieren.

Wichtige Faktoren aus Sicht des Unternehmens

1. Die Abstimmung und einheitliche Motivation der Eigentümer*innen und Entscheidungsträger*innen bei einem Verkauf

Auch wenn dieser Punkt klar erscheint, so ist dieser im Verlauf des Prozesses ein oft unterschätztes Hindernis für einen maximalen Verkaufserlös. So können interne Konflikte den Verkaufsprozess erheblich verlangsamen oder bei anhaltenden Differenzen in den Gremien sogar gänzlich zum Scheitern bringen.

2. Die wirtschaftliche Verfassung des Unternehmens

Die wichtigsten Faktoren sind dabei sicherlich der Umsatz, das Umsatzwachstum und das operative Ergebnis. Vor allem die Profitabilität rückt wieder verstärkt in den Fokus. Natürlich sind cash-burn-rates auch heute noch valide, denn junge Unternehmen sind weiterhin angehalten, Wachstum vor Profitabilität zu zeigen, und doch ist die bottom-line wieder im Bewusstsein von Käufer*innen.

3. Bewertungs- und prozessrelevante Determinanten, die direkten Einfluss auf eine Transaktion haben

Ein wesentlicher Faktor für eine grundsätzlich positive Transaktionsperspektive ist neben den wirtschaftlichen Faktoren vor allem ein ausreichender Liquiditätspuffer, der für mindestens sechs Monate reichen sollte, da Transaktionsprozesse oft länger dauern als ursprünglich angenommen. Dies gibt euch mehr Flexibilität und Verhandlungsmacht, denn Käufer*innen können sehr genau einschätzen, wo der „wahre“ Verkaufsgrund liegt.

Marktbedingungen

1. Zustand des makro-ökonomischen und branchenspezifischen Umfelds

Diese Perspektive ist eine für den Moment gut einschätzbare Größe, sie setzt den Kontext und das Sentiment für jede Transaktion und kann Chancen wie auch Risiken bergen. Die externen Faktoren vorherzusehen ist dabei von vielen Faktoren abhängig, am besten können dies Berater*innen einschätzen, die damit Erfahrung haben. Aber sicherlich helfen Indikatoren wie die Entwicklung langfristiger Zinssätze, Inflationsraten, Einkaufsmanager- und Erzeugerpreisindex oder Voranmeldungen zur Arbeitslosenversicherung. Dennoch bleibt der Blick in die Zukunft schwierig und du solltest deine Einschätzungen durch Expert*innengespräche verifizieren.

2. Trends im branchenspezifischen Umfeld

Branchenspezifische Einflüsse sind häufig die Grundlage für kurzfristige Hypes oder Bewertungsblasen. Es ist daher essenziell, die wichtigsten Trends der Branche zu verstehen und sie im Business Case vor einer Transaktion zu berücksichtigen. Zudem sollten mittelfristige Entwicklungen, die potenziell das eigene Geschäftsmodell bedrohen könnten, vor jeder Transaktionsplanung antizipiert werden. Falls das nicht möglich ist, sollte dein Unternehmen zumindest überzeugende Strategien haben, um mit diesen Herausforderungen umzugehen.

3. Optimale Selektion der „Trading-Multiples“ und vergleichbare Transaktionsmultiples

In diesem Zusammenhang muss in einem klar definierten Kontext gedacht werden. Bei der Auswahl von Trading-Multiples ist es entscheidend, die richtige Vergleichsgruppe unter Berücksichtigung von Faktoren wie Wachstumsrate, Marktposition, Unternehmensgröße und Profitmarge zu identifizieren. Bei der Analyse vergleichbarer Transaktionen sind ähnliche Kriterien relevant. Allerdings stellt der begrenzte Zugang zu öffentlichen Informationen ein Hindernis für die Bildung einer vollständig passenden Vergleichsgruppe dar.

Fazit

Zusammengenommen bilden diese Faktoren ein komplexes Netzwerk von Variablen, durch das sorgfältig navigiert werden muss, um den bestmöglichen Verkaufserlös zu erzielen. Deshalb ist es wichtig, eine(n) Berater*in frühzeitig als Sparringspartner*in zu engagieren, da dessen/deren Erfahrungen Eingang in die Vorbereitung finden sollten.

Die Autorin Lisa Groiß ist die Gründerin und CEO von Decroix. Seit über 15 Jahren berät sie als M&A Beraterin, Sparringspartnerin und Coach ihre Kunden*innen bei M&A Transaktionen und gründete daneben ihr eigenes HR-Tech-Start-up.

10 entscheidende Kriterien für die Wahl eines seriösen Online-Casinos: Ein umfassender Leitfaden

Zehn Punkte, die bei der Auswahl eines Online-Casinos berücksichtigt werden sollten, um eine positive und geschützte Spielerfahrung zu gewährleisten.

In der dynamischen Welt der Online-Casinos ist es unerlässlich, eine sichere und faire Spielumgebung zu gewährleisten. Da Online-Glücksspiele immer beliebter werden, steigt auch die Anzahl der Online-Casinos, und leider sind nicht alle von ihnen vertrauenswürdig. Es gibt verschiedene Aspekte, auf die Spieler*innen achten sollten, um sicherzustellen, dass sie eine informierte Wahl treffen und in Casinos ohne Anmeldung sofort online spielen können.

In den folgenden zehn Punkten werden wichtige Kriterien vorgestellt, die bei der Auswahl eines Online-Casinos berücksichtigt werden sollten, um eine positive und geschützte Spielerfahrung zu gewährleisten.

1. Lizenzierung

Stellen Sie sicher, dass das Online-Casino eine gültige Lizenz von einer anerkannten Regulierungsbehörde wie der Malta Gaming Authority oder der UK Gambling Commission hat. Die Lizenznummer und -informationen sollten leicht auf der Casino-Website zu finden sein. Eine Lizenz garantiert, dass das Casino bestimmten Betriebsstandards entspricht und reguliert wird.

2. Sicherheit

Überprüfen Sie, ob das Online-Casino moderne Sicherheitsmaßnahmen wie SSL-Verschlüsselung verwendet, um die persönlichen und finanziellen Daten der Spieler zu schützen. Eine sichere Website zeigt in der Regel ein kleines Schlosssymbol in der Adressleiste des Browsers an.

3. Fairness der Spiele

Achten Sie darauf, dass das Casino Spiele von bekannten und vertrauenswürdigen Softwareanbietern anbietet. Diese Anbieter verwenden zertifizierte Zufallszahlengeneratoren, um sicherzustellen, dass die Spiele fair und unvoreingenommen sind. Einige Casinos lassen ihre Spiele auch von unabhängigen Prüforganisationen wie eCOGRA überprüfen.

4. Kundensupport

Ein seriöses Casino sollte über einen zuverlässigen Kundenservice verfügen, der leicht erreichbar ist und schnell auf Anfragen reagiert. Idealerweise sollte der Support 24/7 über verschiedene Kanäle wie Live-Chat, E-Mail und Telefon verfügbar sein.

5. Positive Bewertungen und Rezensionen

Recherchieren Sie im Internet nach Erfahrungen anderer Spieler mit dem Casino. Positive Bewertungen und Erfahrungsberichte können ein Indikator für die Vertrauenswürdigkeit und Qualität des Casinos sein. Seien Sie jedoch vorsichtig mit übermäßig positiven Bewertungen, da diese gefälscht sein könnten.

6. Transparente Geschäftsbedingungen

Ein vertrauenswürdiges Online-Casino zeichnet sich durch klare, transparente und leicht zugängliche AGB aus. Diese sollten auf der Website des Casinos leicht auffindbar sein und alle wichtigen Informationen über die Rechte und Pflichten der Spieler enthalten. Achten Sie darauf, die AGB sorgfältig zu lesen, um sicherzustellen, dass keine unfairen oder irreführenden Klauseln enthalten sind.

7. Vielfältige und sichere Zahlungsmethoden

Ein seriöses Online-Casino sollte eine breite Palette von sicheren und bequemen Zahlungsoptionen für Ein- und Auszahlungen anbieten. Dazu gehören in der Regel Kredit- und Debitkarten, E-Wallets, Banküberweisungen und andere anerkannte Zahlungsmethoden. Stellen Sie sicher, dass das Casino moderne Sicherheitsstandards einhält, um Ihre Finanztransaktionen zu schützen, und überprüfen Sie, ob es keine unangemessenen Gebühren für Transaktionen erhebt.

8. Klare und faire Auszahlungsbedingungen

Informieren Sie sich ausführlich über die Auszahlungsrichtlinien des Casinos. Prüfen Sie, wie und wann Sie Ihre Gewinne abheben können, und achten Sie auf mögliche Auszahlungslimits oder -gebühren. Ein gutes Casino sollte den Auszahlungsprozess so einfach und transparent wie möglich gestalten, ohne unnötige Verzögerungen oder Hindernisse.

9. Verantwortungsbewusstes Spielen

Ein verantwortungsbewusstes Casino sollte Maßnahmen zum Schutz der Spieler vor Spielsucht ergreifen, einschließlich Einzahlungslimits, Selbstsperre und anderen Selbstschutzmechanismen. Informationen und Ressourcen zur Prävention von Spielsucht sollten ebenfalls leicht zugänglich sein.

10. Realistische und transparente Bonusangebote

Achten Sie bei den Bonusangeboten des Casinos auf Realismus und Transparenz. Ein vertrauenswürdiges Casino sollte klare Informationen über alle angebotenen Boni, Promotionen und andere Anreize bieten, einschließlich der damit verbundenen Bedingungen und Anforderungen. Vermeiden Sie Casinos, die unrealistisch hohe Boni mit unerreichbaren Umsatzbedingungen anbieten, da dies oft ein Zeichen für Unseriosität ist.

Fazit

Die Auswahl eines seriösen Online-Casinos ist entscheidend für eine sichere und angenehme Glücksspielerfahrung. Indem Sie sicherstellen, dass das gewählte Casino in allen oben genannten Bereichen gut abschneidet, minimieren Sie das Risiko von Betrug, Datendiebstahl und anderen unerwünschten Problemen. Ein vertrauenswürdiges Online-Casino zeichnet sich durch Transparenz, Sicherheit, faire Spielbedingungen und exzellenten Kundenservice aus. Nehmen Sie sich die Zeit, um gründliche Recherchen durchzuführen, und zögern Sie nicht, zusätzliche Fragen zu stellen oder weitere Informationen einzuholen, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Ihre Sicherheit und Zufriedenheit sollten immer an erster Stelle stehen.

Nachhaltigkeit per Selbstverpflichtung

Recht für Gründer*innen: So kannst du dich mit der Gestaltung deiner Gesellschaftsstruktur glaubhaft und effektiv zu nachhaltigen Zielen verpflichten.

Wenn es um Nachhaltigkeit in Unternehmen geht, haben wir rasch das prominente Beispiel Patagonia vor Augen. Im September letzten Jahres gab Gründer Yvon Chouinard bekannt, dass er ab sofort fast den gesamten Gewinn seines Unternehmens zum Schutz der Umwelt „spenden“ wird.

Ein drastischer und respektabler Schritt, der für viele Unternehmen nicht ohne Weiteres umsetzbar sein dürfte. Aber es gibt eine gute Nachricht: Gründer*innen haben eine ganze Reihe von rechtlich bindenden Möglichkeiten, um sich mit ihrem Unternehmen nicht nur glaubhaft, sondern auch effektiv für den Klimaschutz einzusetzen. Die Maßnahmen reichen von mehr oder weniger konkreten Absichtserklärungen bis hin zur festen strukturellen Verankerung im Unternehmen.

Wo man als Start-up-Gründer*in dabei konkret ansetzen sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab und sollte jeweils im individuellen Fall geprüft werden. Gleichwohl schadet es nicht, sich einen allgemeinen Überblick über die zur Verfügung stehenden Optionen zu verschaffen.

Absichtserklärungen im Gesellschaftsvertrag

Der einfachste und relativ unkomplizierte Ansatz sind Ziel- und Absichtserklärungen, die Start-ups in ihrer Satzung, also dem Gesellschaftsvertrag der GmbH, festhalten können. So kann beispielsweise in den Vertrag aufgenommen werden, dass bestimmte Nachhaltigkeitsziele bei der Unternehmensführung zu berücksichtigen sind. Dadurch verpflichten sich die Geschäftsführer*innen gewissermaßen selbst, diese Regeln verbindlich einzuhalten. Die Kriterien sollten deshalb auch so präzise wie möglich in den Vertrag geschrieben werden. Der Satz „Wir setzen uns für einen wirksamen Umweltschutz ein“ ist zwar gut gemeint, kann aber im Prinzip erst einmal alles und nichts bedeuten. In einem solchen Fall wäre es daher auch objektiv schwierig festzustellen, ob im Sinne der Satzung gehandelt wurde oder nicht.

Auch abgesehen davon stellt sich die Frage, welche Folgen eine Missachtung der Satzung hätte. Denn Gesellschafter*innen hätten zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Schadenersatz von zuwiderhandelnden Geschäftsführer*innen eines Start-ups zu fordern. Problematisch könnte dabei jedoch regelmäßig der direkte Nachweis eines finanziellen Schadens sein, sodass der Anspruch wohl häufig ins Leere liefe. Zudem könnten Geschäftsführer*innen zur Einhaltung der Ziele verklagt werden, wobei in der Praxis aber eher eine Abberufung das praktikablere Mittel der Wahl sein wird.

Es zeigt sich, dass die einfache Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten im Gesellschaftsvertrag zwar ein guter erster Schritt ist, aber spätestens bei der Durchsetzbarkeit regelmäßig auf Probleme stößt. Will man als Unternehmen konkrete Verbindlichkeiten schaffen, bieten sich andere Wege eher an.

Zertifizierungen und Initiativen

Ein möglicher Ansatz wäre in diesem Zusammenhang die Kooperation mit externen Organisationen, wie z.B. der Benefit Corporation (B Corp) oder der Leaders for Climate Action. Beide Initiativen geben gewisse Kriterien vor, die auf Unternehmensseite erfüllt werden müssen, um eine entsprechende Zertifizierung bzw. Mitgliedschaft zu erhalten. Der Vorteil: Bekannte Zertifizierungen genießen einerseits einen gewissen öffentlichen Vertrauensvorschuss und lassen andererseits das Sanktionspotenzial deutlich höher ausfallen. Denn verliert man als Start-up die Zertifizierung, weil bestimmte Umweltaspekte nicht beachtet werden, schadet das der Reputation enorm.

Die Herangehensweise ist dabei nicht immer gleich. Die Leaders for Climate Action hat beispielsweise eine Sustainability Clause entwickelt, die in einer neben dem Gesellschaftsvertrag bestehenden Gesellschaftervereinbarung verankert wird. Die Klausel enthält z.B. Absichtserklärungen zur Analyse und Messung des CO2-Fußabdrucks, zur Evaluation von CO2-Kompensationslösungen und zur Implementierung von Energie­effizienzmaßnahmen. Die B Corp setzt wiederum direkt am Gesellschaftsvertrag an, gibt einen bestimmten Wortlaut für dessen Ergänzung vor und setzt zusätzlich ein sogenanntes Impact Assessment voraus. Dabei müssen bestimmte Fragen zur Auswirkung des eigenen Unternehmens auf die Umwelt beantwortet werden. Nur wer dabei die vorgegebene Mindestpunktzahl erreicht, wird auch entsprechend zertifiziert.

Kapitalbeteiligungen für den guten Zweck

Neben den dargestellten Möglichkeiten können Start-ups auch einen Teil ihres Eigenkapitals oder etwaige Erlöse für nachhaltige Zwecke zur Verfügung stellen. So können sich die Gesellschafter*innen beispielsweise dazu verpflichten, im Falle eines Börsengangs oder Exits einen gewissen Prozentsatz ihrer Erlöse abzugeben bzw. in nachhaltige Projekte zu investieren. Etwas weiter greift die Variante, eine bestimmte Anzahl an Anteilen auf eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung zu übertragen, welche die Erlöse dann für gemeinnützige Zwecke einsetzt. Zu beachten ist bei diesen Modellen jedoch, dass die Förderung von nachhaltigen Zielen – insbesondere bei noch nicht profitablen Unternehmen – so erheblich in die Zukunft verlagert wird. Als Sofortmaßnahme ist sie daher bei vielen Jungunternehmen zunächst nicht sonderlich wirkungsvoll.

Ausgestaltung als gemeinnützige GmbH

Die in Deutschland wohl beliebteste Möglichkeit, das Thema Nachhaltigkeit dauerhaft und weitreichend in der eigenen Organisation zu verankern, ist die Gesellschaftsform der gemeinnützigen GmbH, kurz gGmbH. Die Beliebtheit lässt sich leicht an den Zahlen ablesen: Derzeit gibt es hierzulande knapp über 25.000 gGmbHs. Doch was macht diese so besonders?

Voraussetzung ist in erster Linie eine Anpassung der Satzung, damit diese bestimmten steuerlichen Anforderungen genügt. Dabei ist es erforderlich, dass der steuerbegünstigte Zweck im Gesellschaftsvertrag sehr detailliert dargelegt wird. Der Gesetzgeber hat dazu in den §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) ausführlich geregelt, was als gemeinnützig anerkannt wird. Eine erwähnenswerte Besonderheit ist zudem auch das eingeschränkte Recht auf Gewinnausschüttung. So können die Gesellschafter*innen in einer gGmbH nicht wie in einer „normalen“ GmbH am Gewinn beteiligt werden. Während eine gGmbH auf der einen Seite also die wohl rechtlich umfangreichste Verankerung von Nachhaltigkeitszielen erlaubt, schränkt sie auf der anderen Seite die Rechte der Gesellschafter*innen erheblich ein. Ebenso gehen Gründer*innen mit der staatlichen Anerkennung als gemeinnützig auch das entsprechende Risiko ein, dieses Prädikat später wieder zu verlieren. Denn feststeht: Die Voraussetzungen sind sehr streng.

Das Beispiel von Patagonia zeigt jedoch, dass es auch außerhalb der steuerlichen Gemeinnützigkeit wirksame Möglichkeiten gibt, nachhaltige Ziele fest in der Gesellschaft zu verankern. Hier wurde das Unternehmen schließlich in eine Non-­profit-Gesellschafterstruktur überführt. Andere etablierte Unternehmen wie Bosch oder Zeiss haben ein ähnliches Modell. Gleichwohl sollten sich Gründer*innen derartige Strukturierungen gut überlegen und nicht ohne weitergehende Rechtsberatung aktiv werden.

Ausblick: Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Mit dem Ziel, die aktuellen rechtlichen Möglichkeiten zu erweitern, hat die Stiftung Verantwortungseigentum zudem im Juni 2020 die Einführung einer neuen Gesellschaft in Verantwortungseigentum vorgeschlagen. Auch die amtierende Ampel-Koalition spricht in ihrem Koalitionsvertrag von der Einführung einer neuen Gesellschaftsform mit gebundenem Vermögen. Im Grundsatz soll es sich dabei um eine Gesellschaft handeln, bei der die Überschüsse weder als Gewinn noch in der Liquidation an die Gesellschafter*innen ausgeschüttet werden dürfen. Vielmehr sollen diese als Treuhänder*innen die Gesellschaft uneigennützig weiterentwickeln. Ob man den Vorschlag nun sinnvoll findet oder nicht: Derzeit sieht es nicht danach aus, als würde der Plan zeitnah in ein Gesetz umgesetzt werden.

Anhand der obengenannten Beispiele wird aber deutlich: Die bestehenden rechtlichen „Werkzeuge“ erlauben es Gründer*innen schon jetzt, mit der Gestaltung ihrer Gesellschaftsstruktur starke Impulse für die Erreichung nachhaltiger Ziele zu setzen.

Der Autor Daniel Grisar ist Rechtsanwalt bei PXR, einer spezialisierten Kanzlei für Start-ups in der Tech-Branche sowie Experte für Gesellschaftsrecht und M&A-Transaktionen mit starkem Fokus auf der Beratung von Green- und Climate-Tech-Start-ups.

Zeit für den Abschied?

Gut zu wissen: Das sind die wichtigsten Exit-Optionen für Start-ups.

Es gibt viele Motivationen für Unternehmer*innen, sich teilweise oder auch ganz aus ihrem Start-up zurückzuziehen. Während sich einige den Management­herausforderungen späterer Unternehmensphasen nicht gewachsen sehen, möchten andere den zeitlichen und finanziellen Druck hinter sich lassen. Daneben gibt es noch Serial Entrepreneurs, die regelmäßig neue Geschäftsideen entwickeln, diese verfolgen möchten und hierfür die mit dem aktuellen Start-up verbundenen Verpflichtungen abgeben müssen. Die Motivation hat dabei einen wesentlichen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Nachfolge. Steht ein Rückzug aus dem Unternehmen an, gilt es für Gründer*innen, die Zukunftsfähigkeit ihres Start-ups zu sichern – ein Prozess, der einer gründlichen Vorbereitung bedarf.

Welche Nachfolgevariante eignet sich für wen?

Grundsätzlich stehen hier mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Dabei hat jede Exit-Variante einen unmittelbaren Einfluss auf die künftige Rolle des/der Verkaufenden im Unternehmen und bringt zudem spezifische Anforderungen mit sich. Deshalb ist eine frühzeitige Beschäftigung mit den verschiedenen Optionen und deren Eignung für das Erreichen der eigenen Ziele unerlässlich.

Bevor auf die einzelnen Exit-Optionen eingegangen wird, muss zunächst eine variantenübergreifende und unerlässliche Voraussetzung geklärt werden: die Ersetzbarkeit des/der Gründer*in beziehungsweise des Gründungsteams. Sind nämlich Produkt oder Geschäftsbeziehungen, sei es zu Kund*innen oder Investor*innen, zu stark mit der Person des/der Verkaufenden verbunden, so kann der Exit den Kaufpreis des Start-ups signifikant beeinträchtigen oder gar das Ende für das etablierte Geschäftsmodell bedeuten. Start-ups sollten daher von Beginn an als eigenständige, von Personen möglichst unabhängige Institution aufgebaut werden. So kann beispielsweise die rechtzeitige Einbindung der Mitarbeitenden in die wichtigsten Geschäftsbeziehungen dabei helfen, eine reibungslose Übergabe in einem Exit-Szenario sicherzustellen.

Abgabe der operativen Tätigkeiten

Ist dieses Kriterium gegeben, können Unternehmer*innen eine für ihre Ziele geeignete Exit-Variante auswählen. Hierbei liegt die erste Entscheidung zwischen einem vollständigen und einem teilweisen Exit. Der Teil-Exit bietet sich für alle an, die sich entweder schrittweise aus ihrem Start-up zurückziehen oder die Geschicke des Unternehmens mithilfe des Mitspracherechts noch ein wenig mitgestalten möchten.

Hier führen zwei Wege zum Ziel: Der erste ist der Rückzug aus dem operativen Geschäft, bei dem die jeweiligen Unternehmensanteile im Besitz des/der Gründer*in bleiben. Als Nachfolgende kommen sowohl Mitarbeitende als auch externe Geschäftsführer*innen infrage. Eine unternehmensinterne Übergabe fällt Gründer*innen aufgrund der meist vorhandenen Vertrauensbasis infolge jahrelanger Zusammenarbeit oftmals leichter, erfordert jedoch eine geeignete zweite Ebene im Unternehmen. Auch hier zahlt sich frühzeitiges Handeln aus – beispielweise die Ausbildung eines/einer potenziellen Nachfolgenden durch Einbindung in das Management. Besonders effektiv lässt sich dies gestalten, wenn die Mitarbeitendenbindung zuvor im Rahmen eines ESOP (Employee Stock Option Plan) oder VSOP (Virtual [Employee] Stock Option Plan) noch weiter intensiviert wurde.

Die Nachfolge durch eine(n) externe(n) Geschäftsführer*in bietet dem/der Gründer*in hingegen den Vorteil, trotz externer Geschäftsführung personell und wirtschaftlich für sein/ihr Start-up verantwortlich zu bleiben und somit weniger Kontrolle abgeben zu müssen. Allerdings bedeutet dies auch eine entsprechend geringere zeitliche und finanzielle Entlastung.

Veräußerung der Unternehmensanteile

Der zweite und meistgewählte Weg in den Teil-Exit stellt der Verkauf von Unternehmensanteilen dar. Während manche Unternehmer*innen damit lediglich einen Teil ihres Vermögens in risikoärmere Anlageformen transferieren möchten, kombinieren andere den Verkauf mit dem Rückzug aus dem operativen Geschäft: Je nach Menge der verkauften Anteile geht der Teil-Exit damit fließend in einen vollständigen über. Im Gegensatz zum isolierten Rückzug aus dem operativen Geschäft führt der Anteilsverkauf in der Regel dazu, dass die Vorstellungen des/der Gründer*in nicht mehr maßgebend für die Geschäftsführung sind. Die Balance zwischen Ausstieg und Einflusserhalt kann hierbei jedoch mit der Menge der verkauften Anteile relativ präzise gesteuert werden – selbstverständlich unter der Einschränkung der ebenfalls zu berücksichtigenden Käufer*inpräferenzen, welche maßgeblich vom Investor*innen-Typ abhängig sind. Beispielsweise bevorzugen Corporate-­Venture-Capital-Einheiten meist vollständige Übernahmen, wohingegen VC-Investor*innen in der Regel nur Teilübernahmen durchführen.

Bei der Wahl des/der Käufer*in kann zwischen zwei Gruppen unterschieden werden: unternehmensinterne und -externe Investor*innen. Erstere sind zumeist Mitarbeitende, die im Rahmen eines Management-Buy-Outs (MBO) die Gesellschafterrolle des/der Unternehmer*in übernehmen. Dabei kommen für Letztere dieselben Vorteile wie bei der internen Übergabe des operativen Geschäfts zum Tragen. Fällt die Entscheidung hingegen auf eine(n) externe(n) Käufer*in, so stehen die Optionen Trade Sale und Börsengang (IPO) zur Verfügung. Bei einem Trade Sale stellt der/die Käufer*in meist ein anderes, größeres Unternehmen dar, das mit der Übernahme beispielsweise die Erschließung neuer Märkte oder auch den Zukauf von Know-how, beispielsweise neuer Technologien, zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition anstrebt. IPOs sind hierzulande als Exit-Form eher seltener zu beobachten. Grund dafür sind die hohen Anforderungen, die Börsengänge an Start-ups stellen. So müssen unter anderem Emissionskosten von bis zu zehn Prozent des Emissionsvolumens gestemmt, ein aufwendiges Börsenprospekt erstellt sowie ein professionelles Controlling, Risikomanagement und Investor-Relations-­Team aufgebaut werden – für viele Start-ups eine zu hohe Belastung.

Was gilt es, bei der Finanzierung zu beachten?

Ist die Entscheidung bezüglich der Nachfolgevariante gefallen, kommt der Punkt der Finanzierung ins Spiel. Diesbezüg­liche Gedanken können Verkaufende grundsätzlich dem Käufer überlassen. Bei MBOs stellt Fremdkapital – meist ein Bankkredit – die wichtigste Finanzierungsform dar. Voraussetzung dafür ist, dass das zu verkaufende Start-up bereits Gewinn erwirtschaftet, mit dem die Kapitaldienstfähigkeit gewährleistet wird. Da Banken in der Regel eine gewisse Eigenkapitalbeteiligung fordern, sind die meist kapitalschwächeren Käufer*innen bei einem MBO oftmals auf das Eigenkapital von Beteiligungsgesellschaften angewiesen. Dieses wird häufig in Form von Mezzanine-Kapital bereitgestellt. Dazu gründet der/die Käufer*in eine Erwerbsgesellschaft, die mit dem für den Kauf benötigten Kapital ausgestattet wird. Durch die Zusammenarbeit mit einer Beteiligungsgesellschaft profitieren Käufer*innen nicht nur von der ermöglichten Fremdkapitalfinanzierung und dem zusätzlichen Mezzanine-Kapital, sondern auch von deren Know-how und Netzwerk. So können unter anderem die klassischen Anfängerfehler bei Nachfolgen vermieden werden – beispielsweise bei der Finanzierungsstruktur.

Fazit

Nachfolgen bestimmen über die Unternehmenszukunft – bei Mittelstand und Start-ups gleichermaßen. Um die eigene Nachfolge möglichst wunschgerecht realisieren zu können, sollten sich Gründer*innen frühzeitig mit der Thematik auseinandersetzen – erstens, um sich über die eigenen Präferenzen klar zu werden, und zweitens, um das eigene Unternehmen auf die präferierte Exit-Variante vorzubereiten. „Nachfolge-Anfänger*innen“ empfiehlt sich zudem die Zusammenarbeit mit erfahrenen Expert*innen wie Beteiligungsgesellschaften zur Vorbeugung vermeidbarer Fehler. Und ein letzter Appell an alle, die sich momentan noch gar keine Nachfolge vorstellen können: Das Leben hält oftmals die ein oder andere Überraschung bereit, und der Aufwand, sich die Nachfolgeoption offen zu halten, ist die Entscheidungsfreiheit in späteren Jahren wert.

Der Autor Dr. Steffen Huth ist seit 2021 Geschäftsführer der BMH Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen mbH. Die BMH bündelt die öffentlichen Beteiligungsinteressen und Finanzierungsinstrumente für Frühphasen-, Wachstums- und Mittelstandsunternehmen in Hessen.

Made-to-order: das (Mode)-Konzept der Zukunft?

Fast Fashion schadet Umwelt und Menschen auf lange Sicht. Die 2022 von Brenda Mäder und Daniel Leuthard gegründete Fashion Brand APPOLINE setzt daher auf das Made-to-order-Konzept.

Fast Fashion ist nach wie vor dominant und unumstritten ein Geschäftsmodel, welches Umwelt und Menschen auf lange Sicht schadet. Es sind in jeglicher Hinsicht vor allem die schnellen Zyklen, die zum Problem werden. Der hohe Ressourcenverbrauch, das gesteigerte Müllaufkommen und oft lange Transportwege belasten die Umwelt auf der einen Seite. Niedrige Löhne, fehlende Arbeitssicherheit, unbezahlte Überstunden sorgen auf der anderen Seite für unfaire Bedingungen für Arbeitende in Niedriglohnländern.

Langsam rücken nun vermehrt auch alternative Shopping-Konzepte in den Vordergrund. Ob Secondhand-Fashion, Modeverleih oder das Konzept Made-to-order. Immer mehr Konsument*innen begrüßen neue Businessmodelle und die Möglichkeit, mit der Art ihres Konsums mitbestimmen zu dürfen. Eine positive Entwicklung, auch wenn der Marktanteil dieser alternativen Modelle noch vergleichsweise gering ausfällt.

Mehr Wertschätzung für Mode

Brenda Mäder und Daniel Leuthard haben mit ihrer 2022 gegründeten Fashion Brand APPOLINE eine wirksame Antwort auf die Überproduktion in der Modeindustrie gefunden.  Denn APPOLINE stellt Kleidung nur auf Kund*innenbestellung her – und löst mit ihren Geschäftsstrukturen nicht nur viele der oben genannten Probleme der Modeindustrie, sondern auch einige Themen, die im öffentlichen Diskurs relativ neu sind. Nämlich die Wertschätzung von Mode und das Motto „Qualität vor Quantität“.

Fairly made und im Sinne kurzer Transportwege erfolgt auch die Produktion ausschließlich in Europa bei Produzent*innen, die unter den Standards von APPOLINE arbeiten. „Während meiner Arbeit in der Modeindustrie als COO hat mich ein Thema nie losgelassen: Overstock und Nachhaltigkeit in der Branche. Unsere Vision mit APPOLINE ist deshalb eine Modelinie, die nur auf Bestellung erhältlich ist. Das vermeidet Überproduktion und Verschwendung, was im Modemarkt leider noch dominant ist“, sagt Brenda Mäder, Co-Founder von APPOLINE.Das Made-to-order-Konzept ist ein weitaus ethischerer und nachhaltigerer Ansatz, da es keine Überproduktion gibt und das Risiko, dass überschüssige Ware auf der Mülldeponie landet, gleich null ist. Es vermeidet die Förderung einer Kultur, die immer mehr und schneller Neues will und fördert stattdessen den Slow-Fashion-Ansatz, Qualität, Wertschätzung und die Liebe zu einem hochwertigen Kleidungsstück. „Um den Ausgleich von gesellschaftlichen, ökologischen und unternehmerischen Aspekten in der Fashion Industrie herbeizuführen, sind neue Geschäfts- und Konsummodelle notwendig. APPOLINE ist ein solches“, erklärt Co-Founder Daniel Leuthard.

Ein Blick auf die Rentabilität hinter dem Made-to-Order-Konzept

„Aktuell sehen wir, dass einige Brands, die unter dem 'üblichen' Modell operieren, mit der Profitabilität und v.a. dem Cashflow und der Finanzierung zu kämpfen haben. Das liegt natürlich am aktuell schwierigen Marktumfeld. Bei schwankender Nachfrage sind hohe Bestände entsprechend risikoreich, da sie Cash binden. Dieses Risiko vermeiden wir zu großen Teilen bei Made-to-order. Die Profitabilität des Modells hängt, wie so oft, von der Menge ab. Bei auskömmlicher Bestellmenge gibt es keinen Grund, nicht die benötigten Bruttomargen zu erzielen – zumal keine Rabatte für das Abschleusen von Ware finanziert werden müssen. Allerdings erfordert das Modell, gerade zu Beginn, eine gewisse Flexibilität innerhalb der Wertschöpfungskette,“ so Brenda Mäder.

Es gibt zahlreiche Argumente, bei der Modeauswahl genauer hinzuschauen. APPOLINE steht im Sinne der Nachhaltigkeit für einen verlängerten Produktlebenszyklus und geht mit Made-to-order einen noch unkonventionellen Weg. Ein Gesamtkonzept, das nicht nur einem kurzfristigen Trend folgt, sondern einen aktiven Beitrag für einen langfristigen Wandel in der Modeindustrie leistet.

Massenkündigungen vs. Healthy Growth

Es geht um Wachstum, unternehmerische Notwendigkeiten, Kapital, Jobs, Emotionen und letztlich um Menschen: Wie sich die Start-up-Szene im Sog der aktuellen Massenkündigungen darstellt und positioniert.

Wie die Start-up-Welt funktioniert, wurde vielen erst bewusst, als Massenkündigungen plötzlich Thema waren und Menschen von einem Tag auf den anderen ihren Job verloren. Es gab harte Kritik, nicht nur an den „Layoffs“, sondern an der Szene allgemein. Und es tauchte die Frage auf, ob es nicht Alternativen zu den Hypergrowth-Bestrebungen gebe, die ein nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen. Dieter Rappold und Jule Wilhelm von Speedinvest Pirates, Co-Founder von Austrian Start­ups ­Daniel Cronin und Veronika Leibetseder vom Vorzeige-­Unternehmen Dynatrace teilen ihre Ansichten zu diesem Thema und liefern Best-Practice-Beispiele samt Lösungsansätze.

Perspektive ist so eine Sache. Sie ist fließend, sie kann gewechselt werden wie eine Meinung, kann – einmal angenommen – Standpunkte vertreten und als Verteidigerin von Positionen dienen. Sie kann aber auch, sollte sie starr und stur verwendet werden, Essenzielles ausblenden und der Kritik an einer Sache ihre Stärke entziehen.

Vor diesem Hintergrund sind Wortmeldungen aus der und über die Start-up-Szene stets zu durchleuchten, um ein ganzheitliches Bild des betreffenden Themas zu erreichen – besonders wenn es sich um emotional aufgeladene Themen wie Hypergrowth und Massenkündigung handelt.

2022 – Jahr des Mega-Wachstums

2022 war das Jahr, in dem der Begriff Mega-Wachstum Einzug in die heimische Start-up-Welt hielt, Unternehmen zu Unicorns wurden, neue Märkte anvisierten, auf Akquise-Tour gingen, um schlussendlich – auch den globalen Umständen geschuldet – in finanzielle Krisen zu verfallen und einen Haufen Leute zu kündigen, nachdem sie gewachsen waren und die Zukunft rosig schien. Neue Mitarbeiter*innen verlegten ihren Lebensmittelpunkt oder Wohnsitz und verloren wenige Wochen danach ihre Arbeitsplätze aufgrund von Sparmaßnahmen – so die Kurzfassung.

Es gab viel Aufregung. Entscheidungen und das Verhalten von Gründer*innen wurden kritisiert. Menschen, die ihren Job verloren haben, schlossen sich zu anonymen Gruppierungen zusammen, die Details und Interna ihrer alten Arbeitgebenden „leakten“ und allgemein ihrer Wut und ihrem Frust auf diversen Plattformen freien Lauf ließen. Von außerhalb der Start-up-Szene mehrten sich Stimmen, die Start-ups gar als Wirtschaftsfaktor die Ernsthaftigkeit absprachen und das ganze „eine lächerliche Spielerei“ nannten. Das Konzept von Start-up-Investment-Bewertung-Wachstum wurde infrage gestellt und Hypergrowth verkümmerte zu einer negativen Assoziation. Argumentationsketten drehten sich infolge darum, dass Massenkündigungen zu Start-ups einfach dazugehören und „Part of the Game“ seien.

Ist das wirklich nötig, Start-up-Szene?

Es poppte auch die Frage auf, ob dieser sonst typische Vorgang „wirklich nötig sei“, ob die Jagd nach Risikokapital und hohen Firmenbewertungen wirklich das Nonplusultra der Start-up-Community sein müsse und ob es nicht nachhaltigere Lösungen und andere Verhaltensweisen gebe, die nicht dazu führen, dass Einzelschicksale einen plötzlichen Tiefschlag erleiden bzw. Menschen von einem Tag auf den anderen ohne Beruf dastehen. Und dass vielversprechende Start-ups plötzlich mit einem PR-Fiasko zu kämpfen haben und Wege finden müssen, sich davon zu erholen.

Im Zuge der letztjährigen Massenkündigungen meinte der Gründer des VCs Speedinvest Oliver Holle im brutkasten-Gespräch, Hypergrowth sei „brutal und abnormal“, weil es nicht normal sei, derart schnell zu wachsen. Jedoch sei aus VC-Sicht der Hypergrowth die Zielsetzung. Man müsse sich auch als Mitarbeiter*in genau ansehen, ob man diese Reise mitgehen wolle. Mit dem Wissen, dass es ein kurzer Teil der Reise sein kann. Business Angel Hansi Hansmann indes zog damals sogar noch deutlicher ins argumentative Feld und meinte zu Massenkündigungen, es sei „selbstmörderisch“, es nicht zu tun.

Daniel Cronin, Co-Founder von Austrian Startups, gilt als „Pitch Professor“. Für ihn ist zwar die Triade „Schnelles Wachstum, Bewertung, Massenkündigung“ keine in Stein gemeißelte, jedoch sieht auch er keinen anderen Weg in der Form, wie Hypergrowth-Start-ups finanziert sind. „Es stecken unendlich viele Einzelschicksale dahinter“, sagt er. „Wenn ich bei einer erzkonservativen Bank anheuere, dann ist mein Job ein sicherer. Bei Hypergrowth-Start-ups muss ich mir der Gefahr des Verlustes bewusst sein. Das ist eine Risikofrage.“

Für ihn hat die Aufregung nach den Massenkündigungen viele Facetten. Ein Punkt jedoch, den er nennt, ist bemerkenswert und soll veranschaulichen, wieso die Aufregung derart große Ausmaße erreicht haben könnte.

„Start-ups sehen, wenn sie auf 2000 Leute anwachsen, bloß wie ein reguläres Unternehmen aus“, erzählt er. „Sie haben ein ,fettes‘ Büro und stellen vielleicht Leute aus dem Konzernumfeld an, die das Risiko gar nicht kennen und es nicht bewerten können. Wenn man externe Investoren hat, mit dem Fokus auf Profitabilität, muss man aber vielleicht einmal Dinge reduzieren, Büroflächen etwa, oder eben auch Personal. Das Ergebnis auf menschlicher Ebene ist übel, aber vielen neuen Mitarbeiter*innen, die von großen Unternehmen oder Konzernen kommen, ist wohl nicht bewusst, dass sie auf einem Schleudersitz sitzen. Sie sehen nur das moderne ,Headquarter‘ und ihr höheres Gehalt.“

Circular Economy: Die Chance für echte Nachhaltigkeit

Ein Ansatz der im Kontext nachhaltigen Wirtschaftens eine fundamentale Rolle spielen könnte, ist die Kreislaufwirtschaft. Dies bedeutet, dass alle Stoffe, die in der Produktion, Distribution bis hin zur Konsumtion verwendet werden, weitestgehend in einem Kreislauf bleiben. Sebastian Reichelt, Mitgründer des Start-ups StrollMe hat dieses Thema mit seinem Start-up umgesetzt. Mehr dazu im Interview mit Sebastian.

Die beiden Gründer, Sebastian Reichelt und Timon Beutel, selbst Väter, haben sich Anfang 2020 gefragt, ob man wirklich alles rund um das Thema Kindermobilität besitzen muss? Die Antwort lautete, nein! Daraus wurde die Idee für StrollMe geboren. Mit den flexiblen Abos von StrollMe kann man alles, was die Mobilität des Kindes betrifft, wo es schnell rauswächst, mieten statt es zu kaufen. Wie StrollMe das Thema Kreislaufwirtschaft umsetzt, erzählt Co-Founder Sebastian im Interview.

Was war die Motivation hinter der Gründung von StrollMe? 

Neben dem eigenen Bedarf und Wunsch, nach einer flexiblen Alternative zum Kauf von Kinderwagen, haben wir die ineffiziente Nutzung von Ressourcen gesehen. Kinderprodukte werden oft nur einmal verwendet oder warten lange auf ihren zweiten Einsatz. Gerade im Zuge des Elternwerdens macht man sich Gedanken, wie man seinen Beitrag leisten kann, unseren Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen. So kam die Idee, dass mit einem Mietmodell, ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft, ein Mehrwert für Eltern geschaffen werden kann, der gleichzeitig wertvolle Ressourcen schont.

Was ist euer Beitrag zur Kreislaufwirtschaft bei StrollMe? Wie setzt ihr diese in eurem Business um?

Unser Beitrag in der Circular Economy, also Kreislaufwirtschaft, ist es, die Nutzungsdauer der Produkte zu verlängern. Nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Familien oder Kinder, die ein Produkt nutzen, sondern auch in Bezug auf die Auslastung.
Ein seit Jahren oft genanntes Argument gegen den Kauf bzw. Besitz eines eigenen Autos ist es, dass es über 90 Prozent der Zeit ungenutzt auf der Straße steht und somit wertvolle Ressourcen vergeudet werden. Anders, aber dennoch ein Stückweit mit Kinderprodukten zu Vergleichen ist das. Ein Kinderwagen, der im Keller steht und auf ein mögliches weiteres Kind oder den Verkauf auf dem nächsten Flohmarkt wartet ist zwar besser als einer, der weggeworfen wird. Noch besser wäre es aber, wenn seine Nutzungsdauer erhöht wird. Bei StrollMe mieten Kund*innen die Produkte nur solange sie diese nutzen. Sobald sie nicht mehr benötigt werden, gehe sie an uns zurück und wir können sie, nachdem sie professionell aufbereitet wurden, an die nächste Familie vermieten. Das heißt also, je weniger Produkte ungenutzt in Kellern und Garagen stehen, desto weniger Ressourcen müssen für die Herstellung neuer Produkte aufgebracht werden.

Worin siehst du die Vorteile der Kreislaufwirtschaft und die Abgrenzung zum Trend der „Nachhaltigkeit“ in Unternehmen?

Fast jedes Unternehmen muss heute „Nachhaltigkeit“ in seiner Philosophie stehen haben. Sonst hat es sowohl in der Kunden- als auch Mitarbeitergewinnung einen sehr schweren Stand. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird aber leider sehr inflationär verwendet. Selbst wenn nur ein kleiner Teil der verwendeten Ressourcen z.B. aus erneuerbaren Energien stammt. Das ist zwar besser als gar nichts, aber leider nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Ich sehe keine Notwendigkeit in der Abgrenzung oder einen Vorteil von Kreislaufwirtschaft, sondern sehe sie viel mehr als wichtigen Bestandteil der Nachhaltigkeit.
Im Idealfall wird der Begriff „Nachhaltig“ wieder näher an seiner ursprünglichen Definition aus der Forstwirtschaft verwendet. Nur so viele Ressourcen verwenden, wie auch nachwachsen können. Dann ist die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Stütze für Nachhaltigkeit, weil die Menge der benötigten Ressourcen verringert und die Zeit zum „Nachwachsen“ verlängert werden kann.

Welche Chancen bietet die Kreislaufwirtschaft für StrollMe? Wodurch stellt ihr sicher, dass es sich nicht um Greenwashing handelt?

Die Nachfrage nach zirkulären, nachhaltigen Geschäftsmodellen nimmt stetig zu. So hat sich für uns die Chance ergeben, einen bis dato besetzten und gesättigten Markt mit einem neuen Geschäftsmodell zu verändern.
Unser Geschäftsmodell funktioniert nur, wenn die von uns vermieteten Produkten mehrere Kreisläufe durchlaufen und bisher ist jedes unserer Produkte mehrfach in die Vermietung gegangen. Demnach ist ein Abo bei StrollMe eigentlich immer nachhaltiger als der Kauf eines neuen Produktes.
Ich glaube, die meisten von uns möchten nachhaltiger Leben. Wir wissen aber alle, wie schwer es ist, auf Konsum und die damit oft verbundenen Annehmlichkeiten zu verzichten. Kreislaufwirtschaft bietet in meinen Augen zum einen Unternehmen die Möglichkeit, ein nachhaltiges Business aufzubauen - sowohl ökologisch als auch ökonomisch. Zum anderen bietet sie uns Verbrauchern eine Möglichkeit, ohne Verzicht nachhaltiger zu konsumieren.
Nur wenn es sowohl für Unternehmen lukrativ als auch für Konsumenten nicht mit Verzicht verbunden ist, sehe ich die Möglichkeit, dass Nachhaltigkeit sich durchsetzt und wir nur noch so viel verbrauchen, wie unsere Erde es verträgt.

Wo siehst du StrollMe und das Thema Kindermobilität in zehn Jahren?
Ich glaube, dass sich die Trends „Sharing economy“, „Circular economy“ usw. fortsetzen werden und es immer mehr Angebote zum Mieten von Produkten geben wird. In 10 Jahren sehen wir ein Potential von mindestens 30% am Gesamtmarkt für Kinderprodukte in Europa. Mit StrollMe bauen wir diesen Markt gerade auf und streben in unserem Sortiment nicht weniger als die marktführende Position an.

Hast du einen Tipp, wie man die wichtigen Aspekte der Kreislaufwirtschaft bereits im kleinen als Privatperson in seinen Alltag integrieren kann? 

Klein starten und darauf aufbauen. Zum Beispiel mit „Cafe-to-go“ im „Re-cup“ und nicht im Wegwerfbecher. Und das Loch im Socken kann man auch mal stopfen, anstatt sie gleich wegzuwerfen. Am besten mal Oma und Opa fragen, wie man früher mit kaputten Dingen umgegangen ist. Wir unterschätzen oft, wie viel wir von unseren älteren Mitmenschen, in Bezug auf Nachhaltigkeit aber auch allgemein, lernen und profitieren können.

Was ist für das Jahr 2023 bei StrollMe geplant?

Wir arbeiten daran, dass wir 2023 alle werdenden Eltern in Deutschland mit StrollMe und der Alternative zum Kauf von Kinderprodukten erreichen werden.
Dafür investieren wir zum einen viel in Marketing und haben zum anderen bereits großartige neue Partner und ergänzende Produkte in unser Sortiment aufgenommen, um noch mehr Eltern das passende Produkt anbieten zu können. Wir sind aber noch am Anfang ;-). Wenn Sie das Thema Kreislaufwirtschaft genauso wichtig finden wie wir bei StrollMe, würden wir uns sehr freuen, wenn Sie gemeinsam mit uns für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

Was hätten Wirtschaftsvordenker*innen zur Arbeit in Start-ups gesagt?

Diese Frage war eine von vielen auf der Fachkonferenz „Arbeit geben – Arbeit nehmen“ diesen Monat in München. Hier die spannenden Antworten und Erkenntnisse aus Start-up-Sicht.

Zur Fachkonferenz eingeladen hatten Experten in Sachen Arbeitsverhältnisse: Die Connect Neustadt GmbH hat bereits 5.000 Menschen wieder in Arbeitsverhältnisse integriert und fast 8.000 für neue Positionen qualifiziert. Neben Start-ups und Datenspezialist*innen war der Bereich Wissenschaft prominent vertreten: Prof. Dr. Dr. Johannes Wallacher, Präsident der Münchner Hochschule für Philosophie ordnete ein, wie der berühmte Wirtschaftstheoretiker Adam Smith die heutige Arbeitswelt sehen würde.

Start-ups bezeichnen sich selbst gern als dynamisch, hierarchiefrei und sozial. Ein kurzer Ausflug zu den Twitter-Accounts von Start-up-Beschäftigten macht deutlich, dass diese Versprechen nicht immer eingelöst werden: "Dynamisch ist, wenn du keinen eigenen Schreibtisch hast und dein Feierabend sich ständig verschiebt“ - "Vollzeit-Anstellung in dynamischer Start-up-Atmosphäre heißt Obstkorb, aber wenig Gehalt, oder?“.

Wer mit großen Gehaltserwartungen in ein Start-up kommt, so Amelie Binder, die Gründerin von CargoKite und eine der Sprecherinnen auf dem Podium, hat tatsächlich die falsche Entscheidung getroffen. Die meisten Menschen, so Amelie Binder von CargoKit, könnten mit einer 35-Stundenwoche in einem traditionellen Unternehmen mehr verdienen als bei einem Newcomer. Aber welche traditionelle Firma entwickelt schon Drachensegel, mit denen kleine Containerschiffe in Zukunft klimaneutral über die Meere fahren sollen? Und einen Entwicklungsschritt weiter sogar ohne Mannschaft und Kapitän. Bei solch spannenden Themen eng mitzuarbeiten und schnell Verantwortung zu übernehmen sei für viele Bewerberinnen und Bewerber wichtiger als ein hohes Gehalt. Anders als bei den großen Playern sind Design und Marketing nicht abgeschottet in einer anderen Etage der Firmenzentrale, sondern arbeiten mitten im Team. So ist die Entwicklung von Produkt und Firma für jeden Mitarbeitenden im Joballtag unmittelbar erlebbar.

Dazu kommt, dass Start-ups fast immer etwas garantieren können, was bei alteingesessenen Betrieben gerade erst mühsam erlernt wird: Der genderneutrale Umgang mit allen Mitarbeitenden und der sensible Blick auf das Thema Gleichbehandlung. Blickt man auf die Arbeitsbelastung in vielen jungen Unternehmen, so Amelie Binder, sei aber die Frage „Warum tust Du Dir das an?“ trotzdem naheliegend. Bei CargoKit kommt noch eine wichtige Antwort auf diese Frage hinzu: Containerschiffe sind nicht gerade umweltfreundlich. In einem Start-up mit daran zu arbeiten, den Seegüterverkehr nachhaltiger zu machen, nützt dem Klima und damit der ganzen Gesellschaft.

Wer gibt denn Arbeit? Und wer nimmt sie? Was bedeutet es, dass die Arbeit mit Marktmechanismen konfrontiert ist? Wer sind die Handelnden in diesem Feld und welche Verantwortung haben sie? Vor allem die Frage nach der Verantwortung in Arbeitsverhältnissen und schon davor, nämlich im Umgang mit Bewerber*innen, beschäftigt die Diplom-Statistikerin Katharina Schüller von STAT-UP. Katharina Schüller, die sich in ihrem Unternehmen intensiv mit den Gebieten Datenethik und Datenkultur beschäftigt, verwies auf die zunehmende Auswahl von Bewerber*innen durch Methoden der künstlichen Intelligenz. Wenn in einem Unternehmen solche KI-Werkzeuge verwendet werden, so die Statistikerin, müssen in solch sensiblen Bereichen Mitarbeitenden mit sehr guten technischen, kognitiven und sozio- emotionale Kompetenzen vorhanden sein. Denn, so die Chefin von STAT-UP, eine softwarebasierte Analyse müsse als Fundament universelle moralische Werte berücksichtigen. In den Bereichen Datenverarbeitung und Datenanalyse unterstützt ihr 2003 in München gegründetes Statistik- und Analyseunternehmen Kunden und war bereits für die Hälfte aller DAX-Unternehmen tätig.

Anhand dieser unterschiedlichen Beispiele aus der praktischen Arbeitswelt ging es um die Frage, die der Wirtschaftswissenschaftler Adam Smith vor mehr als 200 Jahren gestellt hat: Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen dem eigenen Interesse und dem der Gesellschaft, wenn es um Arbeit und Arbeitsverhältnisse geht? Prof. Dr. Dr. Johannes Wallacher, Präsident der Münchner Hochschule für Philosophie, erinnerte daran, dass die Frage des berühmten Ökonom Adam Smith immer noch aktuell ist: „Wie ist eine gesellschaftliche Interaktion freier Individuen in arbeitsteiligen Gesellschaften möglich, in der das private Interesse des einzelnen Bürgers untrennbar mit dem Gemeinwohl verbunden und von diesem abhängig ist?“ Adam Smith, der die Arbeitsteilung als Grundlage für die Spezialisierung und Steigerung der Produktivität menschlicher Arbeit und als Quelle des Wohlstandes ansah, wäre mit STAT-UP und CargoKit vermutlich sehr zufrieden gewesen: Beide Unternehmen haben sich hochgradig spezialisiert und dienen dem Gemeinwohl: Durch einen sensiblen Umgang mit Daten das eine, mit der Entwicklung einer klimaneutralen Technologie das andere.

Start-ups und Corporates: die Kluft überwinden

Illai Gescheit – Partner bei Siemens Energy Ventures, Risikokapitalgeber, Unternehmer, Mentor und Autor – über die Herausforderungen und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Corporates, um gemeinsam die Dekarbonisierungsziele erreichen zu können.

Start-ups und Konzerne stellen völlig unterschiedliche Welten dar, und die Beziehung zwischen ihnen ist kompliziert. Große Unternehmen verfügen über zahlreiche Strategien und Verfahren, um Risiken zu minimieren, und Entscheidungen und Maßnahmen können Zeit in Anspruch nehmen. Auf der anderen Seite müssen Start-ups agil sein und schnell Änderungen vornehmen.

Um die Herausforderungen der Dekarbonisierung zu meistern, sind jedoch weder Corporates noch Start-ups exklusiv in der Lage, Antworten zu liefern. Wenn wir die ökologischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfolgreich bewältigen wollen, müssen die Denkweisen dieser beiden Unternehmenswelten weiterentwickelt werden, damit sie schneller und effizienter zusammenarbeiten können. Nur so werden wir die Dekarbonisierungsziele rechtzeitig erreichen.

Corporates, die mit Start-ups zusammenarbeiten wollen, müssen sich auf Start-ups konzentrieren und sich die Zeit nehmen, eine Beziehung aufzubauen und zu verstehen, was Start-ups brauchen: sei es Kapital, Mentoring oder Zugang zu Kund*innen. Ohne dieses Verständnis ist es schwierig, innerhalb des Corporates den richtigen Partner für eine konkrete Partnerschaft zu finden, was im Worst Case zum Fehlstart oder zumindest zu Verwirrung führt und gleich zu Beginn der Beziehung mangelndes Vertrauen und die Verschwendung von Energie und Ressourcen zur Folge hat.

Corporates sind darauf ausgelegt, auf Nummer sicher zu gehen, und ihre Prozesse sind so gestaltet, dass hohe Risiken vermieden werden. Neugründungen hingegen bewegen sich von Natur aus in einem risikoreichen Umfeld, müssen schnell Fehler machen und aus ihnen lernen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Diese unterschiedliche Mentalität hat zur Folge, dass mit Misserfolgen ganz anders umgegangen wird. Damit Start-ups und Corporates erfolgreich zusammenarbeiten können, muss diese Kluft verstanden und überbrückt werden.

Auch denken Corporates zu Beginn eines Projekts oft in großen Dimensionen, während Start-ups erst einmal in kleinen Dimensionen agieren und ihre Marktanpassung finden müssen, da sie sonst Gefahr laufen, viel Geld zu verbrennen, wenn sie sich schnell in die falsche Richtung bewegen, oder zu langsam, um die richtige Lösung zu finden.

Wie kann vor diesem Hinterrtrund die Beziehung zwischen Corporates und Start-ups gelingen?

1. Die richtige Mentalität entwickeln

Corporates müssen sich von einer „Start-up-taker“-Organisation zu einer „Start-up-giver“-Organisation wandeln. Auch wenn der Schwerpunkt des Corporates auf der Frage liegt, welches Potenzial ein Start-up mitbringt, muss das Corporate zunächst einen Mehrwert für die Beziehung schaffen, wenn eine solide, auf Vertrauen basierende Beziehung entstehen soll. Es gilt zu fragen, wie das Corporate helfen kann, die Bedürfnisse des Start-ups zu verstehen, und sich einen Ruf als guter Partner für Start-ups aufzubauen. Es gibt einige gute Beispiele von Corporates, die sich das „Start-up-Geber“-Denken zu eigen gemacht haben: Google for Startups, Nvidia VC Alliance, Intel Ignite und natürlich Siemens Energy Ventures.
Eine der offensichtlichen Gelegenheiten zum "Geben" ist, wie bereits erwähnt, das Mentoring. Es bietet eine Quelle von Wissen und Unterstützung, die Gründer*innen hilft, ihre ersten Schritte selbstbewusster zu unternehmen und ihre Positionierung zu verbessern. Die Erfahrung, die ein Mentor aus der Welt der Corporates mitbringt, und die Zeit, die er mit dem Start-up verbringt, tragen dazu bei, eine Brücke zwischen den beiden Welten zu schlagen und sicherzustellen, dass die Beziehung wachsen kann.

Die Zusammenarbeit mit Start-ups erfordert Geduld und Verständnis. Corporates müssen hierbei einen anderen Ansatz wählen als im normalen Tagesgeschäft. Wenn sie ein erfolgreicher Partner sein wollen, müssen sie langfristig denken und bereit sein, kurzfristige Misserfolge in Kauf zu nehmen, während beide Parteien wachsen und lernen.

2. Aufbau von Mechanismen

Mechanismen sind sich wiederholende Prozesse, die skaliert werden können. Mentoring und Schulungen sind Mechanismen, die dem Start-up mit nur begrenztem Aufwand und Unternehmensressourcen einen großen Mehrwert bringen. Sie sind eine Möglichkeit für das Corporate, zu Beginn einer Beziehung einen Mehrwert zu schaffen, und bieten einen Weg, die Bedürfnisse des Start-ups zu verstehen und Vertrauen aufzubauen. Abgesehen von den Mechanismen, um ein erstes Verständnis für die Bedürfnisse und die Eignung eines Start-ups zu erlangen, muss das Betriebsmodell des Corporates in der Lage sein, diese Anforderungen zu erfüllen. Nicht alle Start-ups wollen Kapital und nicht alle brauchen Unterstützung für Pilotprojekte.

Bei Siemens Energy Ventures haben wir drei Abteilungen mit spezifischen Mechanismen geschaffen, um den unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Start-ups gerecht zu werden: Venture Building, Venture Clienting und Venture Capital.

Venture Building hilft internal entrepreneurs beim Aufbau neuer, wachstumsstarker Unternehmen, die entweder in das Unternehmensportfolio aufgenommen oder in eigene kommerzielle Unternehmen ausgegliedert und sich als eigenständige Unternehmen entwickeln können. Venture Clienting untersucht die Lücken im Portfolio, um betriebliche Probleme zu identifizieren und Start-ups zu finden, die zur Lösung des Problems beitragen können. Neue Lösungen werden erprobt und können bei Erfolg in das Portfolio aufgenommen werden. Venture Capital basiert auf langfristigen strategischen Investitionen und einer engen Zusammenarbeit zur Erforschung neuer Technologien und neuer Märkte.

War der Ansatz von Siemens Energy Ventures erfolgreich?

Wir wissen noch nicht, ob die Investitionen rentabel sein werden, aber es weist in diese Richtung. Wir sehen, dass sich die Visionen der Companies, mit denen wir zusammenarbeiten, geändert haben, und entwickeln neue Strategien zur Dekarbonisierung und zur Erzielung einer echten Wirkung. Derzeit haben wir vier Investitionen (mit dem Ziel, in fünf weitere pro Jahr zu investieren), zehn laufende Pilotprojekte und acht aktive interne Unternehmen in unserem Start-up-Portfolio.

Wir haben festgestellt, dass die Mechanismen zur Unterstützung von Start-ups einen Mehrwert schaffen. Wir haben ein aktuelles Beispiel für ein Start-up-Unternehmen, mit dem wir eine Partnerschaft anstreben. Es wurde von einem Mitarbeiter von Siemens Energy gescoutet und als Mentor betreut. Wir haben zudem ein Beispiel für ein internes Projekt im Bereich Blockchain und Clean Energy Certification system, das wir unterstützt haben, um diesen Ansatz auf den eines externen Start-ups zu transformieren. Dies trug dazu bei, die Agilität und Innovation zu fördern, und das Team spricht nun mit Kund*innen, baut eine Demo auf und erzielt eine starke kommerzielle Wirkung.

Das Clean Energy Certification system ermöglicht den Vergleich und die Überprüfung von Quellen "grüner" Energie und bietet die Rückverfolgbarkeit, welche die Hersteller*innen benötigen, um ihren CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Ein offenes und rückverfolgbares Zertifizierungssystem bedeutet, dass künftige Energieanwendungen und -produkte mit einem Zertifikat versehen werden können, welches die Energieherkunft des Produkts entlang der gesamten Wertschöpfungskette identifiziert. Das offene System, das sektor- und grenzübergreifend eingesetzt werden kann, nutzt die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und verbindet physische Vermögenswerte mit dem Blockchain-Netzwerk, um die Ausstellung von Zertifikaten auf staatlich genehmigte Weise zu ermöglichen.

Monika Sturm, Head of Incubation and Strategy bei Digital Solutions Siemens Energy, sagt: „Die Bereitstellung von Energie und ihre Verwendung in der Produktion von Produkten sind für uns normalerweise unsichtbar. Deshalb wollen wir sie mit einem Label versehen, das auf ihre Nachhaltigkeit hinweist.“

Eine Straße in beide Richtungen

Als Gründer habe ich immer gedacht, dass Corporates Start-ups nicht verstehen. Als ich anfing, Corporate-Venturing-Einheiten und -Teams aufzubauen, wurde mir klar, dass es sich um ein doppeltes Problem handelt und dass auch Start-ups die Corporates nicht verstehen bzw. nicht wissen, wie sie mit ihnen zusammenarbeiten sollen.

Jede Beziehung erfordert Einfühlungsvermögen und Verständnis für die andere Partei, und sowohl Start-ups als auch Corporates sollten sich gegenseitig zuhören und verstehen, wie der andere arbeitet, um einen Mittelweg zu finden, bei dem sie zusammenarbeiten und sich gegenseitig helfen können.

Das Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen Corporates und Start-ups ist riesig, nicht nur im Energiesektor, sondern auch in anderen Bereichen wie dem Bildungs- und Gesundheitswesen. Der Erfolg erfordert jedoch Durchhaltevermögen, Fleiß und Geduld bei Investitionen und Ressourcen. Es ist zu einfach, ein Corporates als zu langsam oder ein Start-up als zu schnell und zu riskant zu bezeichnen. Beide sollten davon überzeugt sein, dass die Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen zu positiven Auswirkungen führen wird.

Ein gegenseitiges Verständnis und eine Kommunikation in beide Richtungen bringen auch einen weiteren potenziellen Vorteil mit sich: den Talentfluss. Wenn Corporates und Start-ups enger zusammenarbeiten, führt dies auch zu einem größeren Personalfluss, da Gründer*innen in Corporates wechseln und Mitarbeitende von Corporates in Start-ups. Dies kann nur dazu beitragen, den Wissensaustausch zu verbessern, das Verständnis zu fördern und unsere Erfolgschancen zu erhöhen.

Die Notwendigkeit zu scheitern, wenn wir gewinnen wollen ...

Wenn wir mit unserer Mission, Netto-Null zu erreichen, Erfolg haben wollen, müssen wir Risiken eingehen und bereit sein, Klima- und Energieunternehmen aufzubauen, die scheitern werden. Bei der Gründung von Start-ups besteht eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie scheitern. Aber ohne die damit einhergehenden Misserfolge können wir nicht lernen, was wir aufbauen müssen, um bei unserer allgemeinen Netto-Null-Mission erfolgreich zu sein.

Letztendlich müssen mehr Corporates und Start-ups versuchen, zusammenzuarbeiten, wenn wir die heutigen Umweltprobleme lösen wollen. Selbst wenn ein Vorhaben scheitert, werden beide Parteien daraus lernen und langfristig profitieren. Wir können die Entwicklung dadurch beschleunigen, wie wir auf Misserfolge reagieren und wie schnell wir aufstehen und weitermachen, um zu lernen, Fortschritte zu machen und schneller voranzukommen. Wir brauchen das Scheitern – aber wir müssen schnell scheitern, damit wir lernen und zum nächsten Schritt übergehen können. Wenn wir versuchen, Misserfolge gänzlich zu vermeiden, werden wir unser Ziel, Netto-Null zu erreichen, nicht erreichen.

Es ist wichtig, die Notwendigkeit, in einer Beziehung Risiken einzugehen, voranzutreiben, aber dies muss mit der richtigen Einstellung einhergehen, um Misserfolge zu akzeptieren. Wenn wir Angst vor dem Scheitern haben, werden wir die vor uns liegenden Herausforderungen nicht meistern. Ein Start-up, das gescheitert ist, hat auch gelernt und hat mit Unterstützung des Corporates eine viel bessere Chance, beim nächsten Mal erfolgreich zu sein. Das Scheitern mit dem gesamten Ökosystem zu teilen, wird auch anderen helfen, die gleichen Fallstricke zu vermeiden, und wird uns letztendlich helfen, die Dekarbonisierungsziele zu erreichen.

Wir stehen bei den Herausforderungen, die die globale Erwärmung mit sich bringt, nicht alleine da, sondern wir sitzen alle im selben Boot! Ich habe beide Welten erlebt, als Gründer und Investor in Start-ups und heute als Partner in einem Corporate Venture Capital. Eine der spannendsten und herausforderndsten Aufgaben bei meiner Arbeit ist es, diese beiden Welten zu verbinden und ihnen zu helfen, schneller und besser zusammenzuarbeiten.