Change Management: Keine Angst vor Veränderungen

Autor: Rafael Koch
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Wir zeigen, wie gutes Change Management effizient gelingen kann.

Auf das Thema Change Management reagieren viele mit Abwehr oder Angst vor Veränderung. Dabei ist Veränderungsmanagement vielfach der Schlüssel für den Erfolg eines Unternehmens und zufriedenere Mitarbeitende. Wie kann also Change Management zur Zufriedenheit aller beteiligten Stakeholder eingesetzt werden und warum sind Kommunikation und Empowerment dabei die entscheidenden Erfolgsfaktoren?

Der richtige Zeitpunkt für Veränderung

Change Management ist die systematische Anpassung eines Unternehmens an sich wandelnde Umstände. Es ist deswegen so wichtig, weil es Unternehmen mittels einer Reihe von Methoden und Prozessen dabei unterstützt, sich an Veränderungen anzupassen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Durch ein gutes Veränderungsmanagement können Firmen den inneren Widerstand verringern, der bei Umgestaltungen häufig aufkommt. Deswegen hängt auch der Zeitpunkt, wann ein Unternehmen spätestens einen Change-Management-Prozess anstoßen sollte, von verschiedenen Faktoren ab, je nachdem, was das Unternehmen konkret verändern möchte: Ein guter Zeitpunkt ist, sobald firmenintern eine signifikante Änderung der Strukturen, Prozesse oder Technologien erfolgen soll. Damit ist beispielsweise eine Umstrukturierung einer Abteilung, eine neue Unternehmensstrategie oder die Einführung einer neuen Technologie gemeint.

Wichtig ist, dass der Prozess so früh wie möglich angestoßen wird. Das Schöne am Change Management ist, dass es ein universelles Werkzeug für wirklich jedes Unternehmen ist, das die eben genannten Veränderungen in seinem Geschäftsbetrieb umsetzen möchte. Dabei hängt die Dauer der Umstellung stark von der Komplexität und dem Umfang des Veränderungsprozesses ab. In der Regel kann man aber von einer Zeitspanne von mindestens einigen Monaten ausgehen, in einigen Fällen sogar bis zu mehreren Jahren.

Erfolgreich wandeln in fünf Phasen

Für die Durchführung eines Change-Management-Prozesses gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Frameworks. Bekannte Modelle sind beispielsweise das nach Lewin, nach McKinsey, Kübler-Ross oder der Psychotherapeutin Virginia Satir. Gemeinsam ist all diesen Frameworks, dass sie von unterschiedlichen Phasen ausgehen, die eine tiefgreifende Veränderung normalerweise begleiten, wie etwa Schock, Widerstand, Angst, Verleugnung etc. Am Ende eines gelungenen Change-Management-Prozesses steht immer die Akzeptanz des Neuen, das dann wertstiftend in die eigene Persönlichkeit und das eigene Umfeld integriert werden kann.

Da Unternehmen in der Mehrzahl hierarchisch organisiert sind und wenn die Veränderung ein klar definiertes Ergebnis und einen bekannten Lösungsweg hat (Leitfragen: „Was wollen wir erreichen?“ sowie „Wie erreichen wir es?“), empfehle ich das Phasenmodell des traditionellen Projektmanagements, das fünf folgende Phasen umfasst:

Phase 1: Analyse und Initiierung

Hier geht es um eine Bestandsaufnahme und die Ermittlung des Ist-Zustands im Hinblick auf die Frage, ob ein Prozess oder eine Aktivität geändert werden müssen.

Phase: 2 Planung

Im zweiten Schritt steht die Entwicklung eines Change-Konzepts und die Erstellung eines entsprechenden Plans im Vordergrund.

Phase 3: Umsetzung

In dieser Phase wird das Change-Konzept implementiert und der Change-Plan umgesetzt.

Phase 4: Kontrolle

Diese Phase dient der Überwachung des Change-Prozesses und stellt die Ermittlung von Abweichungen sicher.

Phase 5: Abschluss

In der letzten Phase wird der Change-Prozess in der Rückschau bewertet, die neuen Prozesse und Systeme werden überwacht und es wird ein Abschlussbericht erstellt.

Selbst in diesem traditionellen Modell gibt es den so genannten „Change Request“, der Veränderungen berücksichtigt. Bei Veränderungsanliegen, bei denen das Ergebnis sich im komplexen Raum (siehe Stacey-Diagramm) befindet, also das „Was“ und „Wie“ eher unbekannt sind, kann es helfen, ein agiles Framework zu nutzen. So können Veränderungen in kleinen Teilabschnitten umgesetzt und im Nachgang kontrolliert werden, bevor der nächste Schritt erfolgt.

Vollständig agil beispielsweise mittels SCRUM in Sprints zu arbeiten, ist insbesondere bei vielen Ungewissheiten der neuen Umgebung ein hilfreiches Vorgehen. Der Plan-Do-Check-Act-Kreislauf, auf dem SCRUM letztendlich basiert, ist vielen Unternehmen im Bereich der Qualitätssicherung bereits bekannt. Dem Artefakt „Check“ des PDCA-Kreislaufs oder in SCRUM das „Review“ und die „Retrospektive“ sind dabei von besonderer Bedeutung, da sie alle Stakeholder einbeziehen und den Veränderungsprozess prägen.

Das Ziel und die Umwelt diktieren also die richtige, nämlich erfolgversprechende Taktik.

Impulse der Führungsebene

Gutes Veränderungsmanagement beginnt mit einer klaren Vision des Führungskreises, wie und wohin sich das Unternehmen in der Zukunft entwickeln möchte. Wenn sich die Verantwortlichen dafür einsetzen, schaffen sie ein Umfeld, in dem sich die Mitarbeitenden auf die anstehenden Veränderungen innerlich vorbereiten können. Denn wer die Chancen von Veränderung nachvollziehen kann, akzeptiert sie leichter. Um alle beteiligten Unternehmensbereiche wertstiftend in den Veränderungsprozess zu integrieren, sollte zunächst ein Change-Management-Team oder ein Change Management-Beauftragter ausgewählt werden, das oder der die Verantwortung für die Umsetzung des Veränderungsprozesses übernimmt. Handelt es sich dabei um ein ganzes Team, sollte es aus Personen aller beteiligten Unternehmensbereiche gebildet werden und interdisziplinär aufgestellt sein. Es hilft den involvierten Abteilungen, wenn es Zeitpläne erstellt, Ressourcen bereitstellt und den Fortschritt überwacht.

Drei Basisregeln für die Zusammenstellung eines Change-Management-Teams:

1. Fähigkeiten erkennen: Die Beteiligten eines Change-Management-Prozesses sollten bestimmte Skills haben, damit der Wandel gelingen kann. Dazu zählen – neben dem technischen und organisatorischen Wissen – Attribute wie Kommunikationsstärke, Stakeholdermanagement, Geduld und Führungsvermögen. Natürlich müssen sich diese Fähigkeiten nicht in einer einzelnen Person bündeln – besser noch ist es, wenn das Team möglichst verschiedene Blickwinkel abbildet.

2. Ressourcen gewähren: Veränderungsmanagement ist durchaus anstrengend, was nicht nur an der anstehenden Veränderung als solcher liegt, sondern auch am zeitlichen Aspekt. Daher ist es wichtig, dass die beteiligten Akteure während des Prozesses auf die oben genannten Ressourcen zurückgreifen können. Tun sie das nicht, kommt es zu Verzögerungen, Frust und Fehlern.

3. Vertrauen schenken: Denn das ist die Basis, um sich überhaupt auf die Veränderung innerlich einzulassen und sie dann im Außen auch erfolgreich durchziehen zu können.

Negative Abwehrhaltung durchbrechen

Wichtig sind dabei vor allem regelmäßige Feedbackschleifen zwischen den Abteilungen und dem Change-Management-Team, weil nur so sichergestellt werden kann, dass sich die gemeinsam beschlossenen Änderungen erfolgreich implementieren lassen. Neben diesen formalen Aspekten ist eine wertschätzende und kooperative Haltung aller Teammitglieder ungemein hilfreich.

Dass man dabei nicht immer von Anfang an bei allen Beteiligten auf Akzeptanz stößt, darf nicht verwundern. Meist hängt eine Abneigung damit zusammen, dass Change-Management-Prozesse eine Veränderung einleiten, die einen Abschied bedeutet von Gewohntem, das Sicherheit suggeriert. Das kann dann bei manchen Beteiligten zu negativen Gefühlen führen, die mit der Angst vor dem Unbekannten zusammenhängt. Letztlich ist diese menschlich und auch bis zu einem gewissen Ausmaß normal. Jede und jeder von uns war sicherlich schon einmal in einer völlig neuen Situation, die nicht steuerbar schien und auf die wir dann mit Abwehrmechanismen reagiert haben. Bei Veränderungsprozessen in Unternehmen können solche Gefühle besonders dann ausgelöst werden, wenn sich die Mitarbeiter durch das Neue bedroht oder überrumpelt fühlen und ihnen nicht genügend Informationen oder Zeit gegeben wurde, um die Veränderungen zu verstehen. Führungskräften kommt die wichtige Aufgabe zu, Sicherheit und klare Ziele zu vermitteln und als Vorbild voranzugehen.

Wertschätzung und Kooperation

Ein gelungenes Change Management bindet alle ein. Denn wer die Notwendigkeit von Veränderung nachvollziehen kann, ihre Chancen, aber auch die damit verbundenen Risiken sehen darf, kann einen Change auch akzeptieren. Ein solches Einbeziehen kann beispielsweise über Workshops oder Schulungen geschehen. Wichtig ist, jegliche Bedenken und Zweifel, aber auch alle Ideen und Meinungen der Mitarbeiter aufzugreifen und ernst zu nehmen und alle ganz aktiv in den Veränderungsprozess einzubinden. Empathie zu den Beteiligten ist entscheidend und vermittelt Verständnis und Akzeptanz. Dies bedeutet nicht, dass Einigkeit beim Vorgehen herrschen muss oder Entscheidungen demokratisch getroffen werden. Zudem ist es hilfreich, positionsunabhängig diejenigen Mitarbeitenden einzubinden, die einen starken positiven Einfluss auf ihre Teammitglieder haben. Denn diese Personen haben meist eine Vorbildfunktion und beeinflussen, vergleichbar mit „Influencern“ in den sozialen Medien, mit ihrem Standpunkt und Verhalten ihr Umfeld.

Geduld ist die Mutter jeder Veränderung

Wichtig ist, nicht davon auszugehen, dass die angestoßenen Veränderungsprozesse sofort für alle sichtbare Endergebnisse liefern. Gutes Veränderungsmanagement ist nachhaltig und daher braucht es Zeit, bis sich die erwarteten Ergebnisse zeigen. Es bietet sich an, Erfolgskriterien auf dem Weg dahin zu schaffen, die sich messen lassen. Auch vier von fünf Sterne in einer Umfrage sind ein solches Messergebnis.

Der Autor Rafael Koch ist Head of Customer Success bei Operations1. Zusammen mit seinem Team führt er die Operations1-Software bei den Kund*innen ein und hat schon viele Change-Management-Prozesse erfolgreich begleitet.

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Antwerpen: City of Things

Der Blick über die Grenzen zeigt: Das belgische Antwerpen ist ein Geheimtipp nicht nur für TechStart-ups.

Wer mit IoT, AI oder Blockchain durchstarten will, der sollte sich Antwerpen genauer anschauen – und am besten mit dem Zug anreisen. Denn der Bahnhof (s. das Aufmacherfoto) spiegelt den Charakter des lokalen Start-up-Ökosystems wider. Wenn man aus dem Zug steigt, steht man in einem der wohl schönsten Bahnhofsgebäude der Welt – dessen Innenleben indessen hochmodern ist: Seit zehn Jahren ist der ehemalige Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof. Dazu wurden in kurzer Zeit neue Tunnel gegraben und innen die Bahnsteige auf mehrere Etagen verteilt. Außen blieb alles beim Alten.

Und genau deshalb ist der Bahnhof typisch, oder vielmehr: „Atypisch Antwerpen“, wie der offizielle Claim der Stadt lautet. Man hat seinen Stil, dem man treu bleibt. Aber man ist stets bereit, sich von innen heraus zu erneuern, Wände einzureißen, neue Wege zu gehen. Tradition trifft Moderne: Das ist hier keine Floskel, sondern Realität. Zwei Beispiele: In Sachen Kunst und Stil reicht das Spektrum vom „ewigen“ Rubens bis hin zu den Entwürfen der heutigen Modedesigner. Der Hafen Antwerpens ist eine der wichtigsten Logistikdrehscheiben dieser Erde, er beherbergt den zweitgrößten Chemiepark der Welt. Zudem ist Antwerpen das Zentrum des globalen Diamantenhandels.

Dieses Spannungsfeld aus ­Tradition und Moderne hat die Stadt auch zu einem Start-up-Eldorado gemacht, so Claude Marinower. Zur Erläuterung greift der Beigeordnete der Stadt tief in die Mentalitätskiste: „Wir haben eine lange Handels- und Innovationstradition, mit der wir uns immer wieder neue Wirtschaftszweige erschlossen haben. Diese in globalen Umfeldern wie dem ­Hafen bewährte Herangehensweise hat dazu geführt, das Antwerpen seit 2012 auch gezielt auf Start-ups setzt.“

Das Start-up-Ökosystem wächst

Rund 400 Start-ups zählt die Halbmillionenstadt aktuell. Das liegt laut Claude Marinower auch an den finanziellen Möglichkeiten, die das örtliche Ökosystem bietet: „In Antwerpen finden Start-ups auch Geldgeber. Seit 2012 hat sich das jährlich eingesammelte Kapital vervierfacht. Platz ist ebenfalls reichlich Platz vorhanden, wie in unseren Hubs StartupVillage und The Beacon, wo das Herz des Start-up-Ökosystems schlägt.“ Auch Wissen – und das gleich in zwei Formen – ist hier vorhanden. Zum einen sind zahlreiche etablierte Unternehmen am Start-up-Ökosystem direkt beteiligt, zum anderen bringen die Hochschulen der Stadt gut ausgebildete Talente hervor. „Jedes Jahr heißen wir um die 50.000 ­Studenten in unseren höheren Bildungseinrichtungen willkommen“, so Claude Marinower. „Diese Talente bereiten sich auf interna­tionale Karrieren in den unterschiedlichsten Branchen vor Ort vor – von Logistik, über Technologie, bis hin zu Mode. Es ist kein Zufall, dass Antwerpen seit Jahren die am schnellsten wachsende Studenten- bzw. Talente-Community Flanderns hat.“ Guido Muelenaer, Strategie und Innova­tionsmanager der Stadt, ergänzt: „Als Hafenstadt sind wir weltoffen und setzen konsequent auf Kooperationen mit Menschen und Unternehmen aus aller Herren Länder. Für Start-ups bietet diese internationale Orientierung zahllose Vorteile.“

Praxisnahe Schwerpunkte – auch mit Beteiligung deutscher Firmen

Auch deutschen Unternehmen kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. So ist die BASF seit 1964 in Antwerpen vertreten und mit aktuell rund 3000 Mitarbeitern nicht mehr von hier wegzudenken. Umso mehr, als sie ein wichtiger Innovationstreiber ist. Guido Muelenaer: „Das Zusammenspiel zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen ist eine der Besonderheiten des Standorts. Daraus ergeben sich praxisnahe Branchen- und Nischenspezialisierungen. So werden wir Anfang 2020 BlueChem eröffnen, einen Inkubator für Firmen im Bereich der nachhaltigen Chemie.“ Für die Praxisnähe stehen auch ganzheitliche Smart-City-Lösungen. Bei deren Entwicklung arbeiten junge und etablierte Firmen zusammen, werden Einzel­innovationen über Branchengrenzen hinweg zu Gesamt­lösungen verknüpft. So werden derzeit Blutproben testweise per Drohne zwischen den Forschungslaboren der Stadt hin- und her transportiert, und seit Jahren schon arbeiten Akteure aus Wirtschaft, Forschung und Verwaltung am intelligenten Hafen der Zukunft.

Innovationen als Motor der Wirtschaft

Innovationen als Motor der Wirtschaft - ein Blick in die Zukunft.

Trotz anhaltender Personalengpässe, Verzögerungen beim Breitbandausbau und Reformstau gilt Deutschland als einer der innovativsten Volkswirtschaften der Welt und wächst weiter. Die letzte große Innovationsflut haben mittelständische Unternehmen hierzulande beim Ausbau der Solar- und Windenergie ausgelöst. Weil die Kosten letztlich die Endverbraucher belasteten, wurde das Förderprogramm der rot-grünen Regierung wieder eingestampft. Von Innovationen wie der MP3-Technologie haben andere Volkswirtschaften profitiert. Warum sind wir Deutschen nicht in der Lage, aus großartigen Erfindungen einzigartige Produkte und große Unternehmen entstehen zu lassen?



Welche Bedeutung haben Innovationen für die deutsche Wirtschaft?



Mit Innovation wird die Einführung von Neuem verbunden – eine Veränderung. Viele Menschen haben Angst vor Veränderungen. Die Furcht, Vertrautes zu verlieren, ist größer als die Freude auf den Gewinn des Unbekannten. Technische Erneuerungen haben in der Geschichte große Ängste ausgelöst, wie zum Beispiel die Erfindung des Automobils und der Eisenbahn. Andererseits wurden durch Innovationen viele Arbeitsplätze geschaffen und durch geschicktes Marketing entspringt aus Ängsten nicht selten Vorfreude – denken wir an die Einführung der neuesten Generation von Mobiltelefonen. Jetzt stehen viele Branchen erneut vor dramatischen Umbrüchen – die digitale Revolution, die Einführung der Elektro-Mobilität. Sorgen diese Innovationen für einen neuen Beschäftigungsboom?



Wie innovativ ist Deutschland im Vergleich

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Patente sind eine wichtige Messgröße für die Innovationskraft eines Landes. Deutschland zählt zu den TOP 10 bei der Anzahl der Patentanmeldungen. Von 2008 bis 2018 ist die Zahl der Patentanmeldung um 8,9% angestiegen. Über 67.700 Patente wurden 2017 beim Deutschen Patentamt angemeldet. Die meisten Patente wurden in den Bereichen Mechanische Elemente, Werkzeugmaschinen und im Bauingenieurwesen von Unternehmen wie Bosch, Schaeffler, Ford, der Aerzener Maschinenfabrik GmbH und anderen angemeldet.

In einem aktuellen Ranking von Bloomberg landet Deutschland knapp hinter Südkorea auf Platz 2 der innovativsten Volkwirtschaften der Welt – gemessen an der Höhe der Forschungs- und Entwicklungsausgaben, der Anzahl der Patente sowie der Anzahl der High-Tech-Unternehmen mit Sitz in Deutschland.

 Trotz aller Euphorie sollte bei der Betrachtung der Zahlen nicht vergessen werden, dass die Zahlen zur Jahrtausendwende besser waren.

Hinzu kommt, dass vom Deutschen Patentamt die Patentierenden mit Sitz im Ausland mitgezählt werden, die sich die Rechte in Deutschland sichern. Das verzerrt das Bild, weil sich deren Zahl pro Jahr um 8.000 Patentanmeldungen seit dem Jahr 2000 erhöht hat. Damit wird deutlich, dass es in Deutschland zwar immer noch eine große Zahl cleverer Erfinder gibt. Die Zahlen des Patentamtes spiegeln jedoch eher wieder, dass Deutschland ein attraktiver Absatzmarkt ist.



Wie kann der Wachstumsturbo in Fahrt kommen

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Neben den oben genannten Faktoren fehlt es in Deutschland am Risikokapital, damit aus Innovationen Produkte entwickelt und daraus erfolgreiche Unternehmen entstehen können. Es wird sich zeigen, ob der Wettbewerbsdruck in der deutschen Bankenlandschaft und aufkommende alternative Finanzierungsmodelle ausreichen, damit neue Produkte eine Zukunftschance haben. 

Für Unternehmen sind Innovationen einer der wichtigsten Wachstumsfaktoren und der Schlüssel zum Erfolg. Eine Unternehmenskultur, die Kreativität der Mitarbeiter fördert, damit innovative Ideen entstehen können, ist unverzichtbar. Dennoch passt nicht jede scheinbar gute Idee zur Vision, Mission und zur Strategie des Unternehmens und bedarf der sorgfältigen Prüfung.

Start-Up-Flair als Wachstumsmotor für Unternehmen

Corporate Incubation ist das Trendwort in der Unternehmerwelt. Inkubatoren sind in diesem Zusammenhang Einrichtungen, die Unternehmen auf dem Weg in die Existenzgründung unterstützen. Namhafte Konzerne investieren Millionen, um eigene Bereiche für Innovationen zu schaffen.

Egal ob Microsoft, Axel Springer oder die Deutsche Telekom: Es gibt kaum einen Großkonzern, der keinen eigenen Inkubator einführt. Hochqualifiziertes Know-How, Top-Berater und millionenschwere Etats werden eingesetzt, Infrastrukturen werden geschaffen sowie umfangreiche Projekte auf den Weg gebracht. Die kostspieligen und in alle Richtungen gestreuten Aktivitäten demonstrieren, dass es sich hier um mehr als eine neuartige Erscheinung handelt, sondern langfristige, strategische Taktik im Vordergrund der Anstrengungen steht. Die Frage ist jedoch, inwieweit sich dieses kostspielige Engagement lohnt, und welche Auswirkungen diese Tatkraft überhaupt auf ökonomische Expansionen hat. 

Welche Effekte besitzt Corporate Incubation auf Employer Branding sowie auf Corporate Culture?

Eines steht fest: Durch die Digitalisierung aller Märkte (egal, ob Telekommunikation, IT, Medien, oder so genannte “klassische Geschäfte”, wie Transport und Logistik) bewegen sich alle Marktteilnehmer in einem immensen Verdrängungswettbewerb. Bestehende Märkte werden mit Hilfe digitaler Techniken neu definiert. Dieses disruptive Umfeld zwingt vor allem etablierte Unternehmen, sich so schnell wie nie zuvor den neuen Gegebenheiten zu stellen, um weiter expandieren und die eigene Innovationskraft vorantreiben zu können. Denn nicht der Ausharrende, sondern der Schnelle und Flexible wird der Sieger in diesem Wettstreit sein. Dies ist die absolute Voraussetzung zum Erhalt und zum Ausbau der Position am Markt. Denn viele Newcomer in den digitalen Märkten locken kapitalstarke Geldgeber an, mit dem Ergebnis, dass das Umfeld des Wettbewerbs nicht nur immer schneller, sondern häufig auch aggressiver wird.

Für die Nutzung der Entwicklungsmöglichkeiten, die durch den Verdrängungswettbewerb entstehen, hat sich Corporate Incubation besonders bewährt. Es nutzt das kreative Momentum von Gründungen, das durch das Einbringen fokussierter Investments, innovativer Ideen, Technologien und Geschäftsideen entsteht. Diese Umstände machen es den etablierten Unternehmen leichter, sich in der Gründungsphase eines aussichtsreichen Start-Ups als geeigneter Partner zu präsentieren. Denn besonders in dieser Anfangsphase können neue Wachstumsfelder ausfindig gemacht werden, in denen bisher wenig oder gar keine Interaktionen vorhanden waren. Optimalerweise gelingt dann ebenso die Integration der Geschwindigkeit und der Flexibilität von Unternehmensgründungen in die eigenen internen und externen Innovationen.

Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Corporate Incubation zielen auf die Generierung von nachhaltigem Wachstum ab. Corporate Incubation hilft mit der nötigen Geschwindigkeit und Kreativität, ein neues Business zu erschließen und aufzubauen. Damit dies gelingt, muss die Interaktion des Großkonzerns mit dem neuen Partner hinsichtlich kultureller Aspekte sowie in Bezug auf gegebene Prozesse gelingen. Das bedarf wiederum der Schaffung flacher Hierarchien mit dem Ziel, flexible Organisationseinheiten zu bilden, um die Potentiale der jungen kreativen Unternehmer auch dementsprechend nutzen zu können. 

Wachsen aus dem Cashflow

Der Webseiten-Baukasten Jimdo ist mit weltweit über 15 Millionen Webseiten und mehr als 200 Mitarbeitern eine herausragende Erfolgsstory. Erreicht wurde das weitgehend ohne Fremdkapital.

Das Wachstum gelang fast ausschließlich aus dem Cashflow - also per Bootstrapping. Wie war das möglich?

Dazu muss ich in unsere Firmenhistorie einsteigen: Angefangen haben meine späteren Co-Gründer Chris- tian Springub und Fridtjof Detzner Anfang 2000 im Alter von 16 auf einem Bauernhof in der Nähe von Cuxhaven. Dort haben die beiden Computer zusammengeschraubt und fingen an Webseiten zu bauen. Erst für Freunde und Familie, dann für Einzelhändler und die Stadt Cuxhaven. Alles funktionierte aus dem Cashflow: Vom verdienten Geld konnten die beiden ihre ersten Computer kaufen.


Webdesign haben aber viele gemacht, was war hier anders?

Durch Zufall haben die beiden gemerkt, dass man Inhalte im Browser nach dem WYSIWYG-Prinzip ändern, speichern und live schalten kann, ohne Software-Download. Das gab es damals noch nicht, und ist bis heute die Grundidee von Jimdo. Die beiden haben erkannt: „Boah, da könnte man wahrscheinlich ein Produkt draus bauen“.  


Wann und wie sind Sie selbst eingestiegen?

Ende 2003 – ich war gerade mit dem Studium in Kiel fertig – fragten mich Christian und Fridtjof, ob ich dazukommen wolle. Die beiden hatten das Produkt entwickelt. Nun brauchten Sie einen BWLer, der für den Verkauf sorgte. Sie hatten die Illusion, dass ich Marketing kann. Zu Dritt haben wir dann NorthClick gegründet. Das Produkt konnte man auf Mietbasis nutzen. Wir haben aber auch eine Einrichtungsgebühr verlangt. Unsere Kunden, hauptsächlich kleine und mittelständische Unternehmen, haben den Baukasten geliebt, weil sie jetzt ihre Webseite selbst aktualisieren konnten.


Und auch das ging ohne Fremdkapital?

Ja, wir konnten von den Einrichtungsgebühren leben und mit den Mietgebühren einen Sockel aufbauen. So konnten wir die ersten Mitarbeiter einstellen. Wenn man per Bootstrapping startet, braucht man ein Produkt, dessen Mehrwert dem Kunden sofort klar wird und für das der Markt sofort bereit ist, Geld auszugeben. Außerdem muss man in der Situation erst den Cash verdienen, bevor man den nächsten logischen Schritt macht. So machen wir das noch immer.


Was sind die Nachteile dieser Methode?

Die Limitierung ist natürlich, dass man im Gegensatz zu VC-finanzierten Unternehmen den nächsten Wachstumsschritt erst später vollziehen kann. Aber: Es ist ein sehr unternehmerischer Ansatz. Man gibt nur Geld aus, das man schon verdient hat.


Wie kam es dann zu Jimdo?

Als wir erkannten, dass der Bedarf an einem Webseiten-Baukasten – also einem Content Management System – ständig zunahm, haben wir Anfang 2007 Jimdo aus NorthClick ausgegründet. Das Ziel war, alle Prozesse zu automatisieren und das Produkt als Webseiten-Baukasten zu vertreiben. Das war die Anfangszeit des Web 2.0. Alle wollten im Internet publizieren. Wir stellten fest, dass es international keine vergleichbare Software auf dem Markt gab. Jetzt haben wir erstmals auch externe Investoren ins Boot geholt. Zunächst vier Business Angels, dann, eineinhalb Jahre nach der Gründung, stieg United Internet mit 30 Prozent ein, aus der eine Kooperation mit 1&1 hervorging.


Wie lief das?

Bald merkten wir, dass 1&1 als Unternehmen ganz anders tickte als wir. Deshalb kauften wir die Anteile wieder zurück. Uns war klar, dass wir für diesen Deal einen positiven Cashflow brauchten. Es war schwierig, aber wir haben es gepackt.


Und dann nie wieder fremdes Geld angefasst?

2011 haben wir sogar eine Finanzierungsrunde abgelehnt, weil wir uns nicht auf einen Exit festlegen wollten. Jetzt, im Juni 2015, haben wir allerdings den US-Venture-Capitalist Spectrum Equity mit 25 Millionen Euro an Bord genommen. Wir wollen jetzt noch einmal richtig Gas geben und in das Produkt sowie dessen Vermarktung investieren. Es gibt noch unzählige Ideen, wie wir das Bauen von Webseiten noch einfacher machen können. Ein bisschen fühlt es sich an wie am Anfang.

Eigenes Konzept oder bewährtes Modell?

Diese Gestaltungsstrategien gilt es, beim Aufbau eines Unternehmens sorgfältig abzuwägen.

Beim Aufbau eines neuen Unternehmens steht jede(r) Gründer*in vor einer zentralen Frage: Soll ich die Gestaltung meines Unternehmens weitestgehend selbst in die Hand nehmen oder Aufgaben und Verantwortlichkeiten auslagern? Soll ich meinen eigenen Weg finden oder eine Blaupause der verwandten Branchen verwenden?

Diese Entscheidungen sind nicht nur eine Frage der Kontrolle und des Vertrauens, der Kompetenz und Erfahrung, sondern auch der Effizienz und langfristigen Strategie. Im Folgenden werden mögliche Ausgangssituationen skizziert und konkrete Handlungsempfehlungen vorgestellt.

Die Herausforderungen

Die Gründungsphase eines Unternehmens ist geprägt von Unsicherheiten und begrenzten Ressourcen. Viele Gründer*innen beginnen mit einer starken Vision, müssen jedoch ihre Fähigkeiten und Kapazitäten realistisch einschätzen lernen und Erfahrungen sammeln. Die Herausforderung besteht da­rin, das Unternehmen effizient zu gestalten, ohne die Kontrolle über die Kernaspekte der Geschäftstätigkeit zu verlieren und die Flexibilität außer Acht zu lassen. Gerade zu Beginn ist es wichtig, Prozesse, Strukturen etc. im möglichen Rahmen auszuprobieren und dann Modifikationen, Veränderungen und Innovationen zuzulassen.

I. Selbstgestaltung – eigenes Unternehmensmodell entwickeln

Innovationskraft „unleashed“

Diese Gestaltungsform gibt Gründer*innen die volle Kontrolle über alle Entscheidungen und hat zahlreiche Vorteile zu bieten. Eine maßgeschneiderte Struktur ermöglicht es, innovative Ansätze zu verfolgen, die genau auf die spezifischen Bedürfnisse des Markts und der Zielgruppe zugeschnitten sind. Dies kann zu einem deutlichen Wettbewerbsvorteil führen. Eigene Strukturen sind oft flexibler und können bei Bedarf leichter an veränderte Umstände oder neue Erkenntnisse angepasst werden. Die Entwicklung einer eigenen Organisationsstruktur ermöglicht es, eine Unternehmenskultur von Grund auf zu etablieren, die die Werte und Visionen des/der Gründer*in widerspiegelt.

Komplexität als Kreativitätskiller

Die Selbstgestaltung birgt jedoch auch Nachteile. Der Aufbau einer eigenen Struktur erfordert einen erheblichen Zeit- und Ressourceneinsatz, was in manchen Phasen eine enorme Belastung darstellt. Ohne erprobte Modelle erhöht sich das Risiko von Fehlentscheidungen. Die Folgen von Strukturproblemen können schwerwiegend sein, von ineffizienten Prozessen bis hin zu Konflikten innerhalb des Teams. Die Entwicklung einer eigenen Unternehmensstruktur kann zu einer höheren Komplexität in der Organisationsgestaltung führen, was wiederum die Geschwindigkeit und Skalierung des Unternehmens erschwert.

Neuland ohne Kompass

Die Selbstgestaltung der Unternehmensorganisation führt durch fehlende Erfahrungswerte mit einer neuen Struktur unter Umständen zu ineffizienten Abläufen und strategischen Fehltritten. Eine völlig neue Struktur könnte von Marktakteur*innen, einschließlich Investor*innen und Kund*innen, als zu experimentell oder unerprobt angesehen werden, was die Akzeptanz erschweren könnte. Innovative Strukturen können bei Mitarbeitenden bestimmter Persönlichkeitsstrukturen auf Widerstand stoßen, besonders wenn sie von tradi­tionellen Arbeitsweisen abweichen. Dies kann die Implementierung erschweren und zu einer niedrigeren Mitarbeitendenbindung führen.

II. Fremdgestaltung – bewährte Strukturen übernehmen

Stabilität trifft Innovation

Mit der Fremdgestaltung der Unternehmensorganisation erhalten Start-ups von Anfang an eine strukturierte Basis, die oft auf Effizienz getrimmt und bereits am Markt getestet ist, was die Unsicherheiten bei der Implementierung minimiert und den Markteintritt beschleunigt. Auch wenn die Grundstruktur übernommen wird, lässt sich die Unternehmenskultur individuell gestalten, um den eigenen Werten und Visionen Ausdruck zu verleihen. Die Verwendung erprobter Strukturen bietet eine sichere Basis für alle geschäftlichen Entscheidungen und fördert ein tiefes Verständnis für bewährte Geschäftsprozesse. Die Lernkurve muss nicht selbst durchschritten werden.

Kreativität im Korsett

Überlassen Start-ups die Gestaltung ihrer Organisation externen Kräften, riskieren sie, dass ihre einzigartige Vision und Kreativität in starre, vorgefertigte Strukturen gepresst wird, die wenig Spielraum für individuelle Anpassungen und experimentelle Ansätze bieten. Der Einsatz bewährter Strukturen kann zwar Ressourcen schonen, birgt jedoch die Gefahr, dass spezialisierte Anforderungen nicht optimal abgedeckt werden, da sie in der Vorlage nicht vorgesehen waren. Bewährte Modelle bergen das Risiko, dass das Unternehmen in seiner Entwicklung stagniert und nicht schnell genug auf Marktveränderungen reagieren kann. Auch bewährte Strukturen müssen kontinuierlich angepasst und optimiert werden, um nicht an Dynamik zu verlieren.

Vorsicht vor der Schablone

Die Übernahme bestehender Strukturen aus der Branche birgt das Risiko, dass Start-ups in eine uniforme Schablone gedrängt werden, die innovatives Denken einschränkt und die Entwicklung maßgeschneiderter, disruptiver Ansätze behindert. Fertige Strukturen können die Reaktionsfähigkeit auf Marktänderungen einschränken, da sie oft weniger anpassungsfähig sind. Eine übernommene Struktur kann mit der gewünschten Unternehmenskultur kollidieren, was Mitarbeitendenbindung und -zufriedenheit beeinträchtigen kann. Vorgefertigte Lösungen können zu Überkomplexität führen, die mehr Ressourcen verbraucht, als sie einspart.

Und nun: Selbst gestalten oder Bewährtes übernehmen?

Bei der Entscheidung zwischen Selbstgestaltung und der Übernahme vorhandener Strukturmodelle steht also viel auf dem Spiel. Es empfiehlt sich, eine gründliche Marktanalyse durchzuführen, um die Dynamiken und Anforderungen der Branche zu verstehen. Eingehende Studien über erfolgreiche, aber auch gescheiterte Geschäftsmodelle können zu wertvollen Lehren für das eigene Vorhaben führen. Workshops und Brainstorming-Sessions mit dem Gründungsteam generieren ebenfalls tiefgreifende Einsichten und kreative Ideen. Die Kernkompetenzen des Teams zu berücksichtigen und zu nutzen, sind wertvolle Ressourcen für die Entscheidungsfindung. Eine Kosten-Nutzen-Analyse kann außerdem helfen, die ­finanziellen Implikationen beider Optionen abzuwägen.

Schließlich ist es ratsam, Expert*innenrat einzuholen, sei es durch Branchenkenner*innen oder durch erfahrene Berater*innen in Unternehmensaufbau und -strukturierung. Diese Maßnahmen bieten eine solide Basis für eine fundierte Entscheidung, die das Unternehmen nach vorne bringt und auf langfristigen Erfolg ausrichtet. Die Vision sollte leiten, aber gleichzeitig Flexibilität und Raum für Anpassungen vorhalten. Der wahre Schlüssel zum Erfolg liegt oft im Gleichgewicht zwischen bewährten Methoden und innovativen Ansätzen.

Die Wahl zwischen Selbstgestaltung und Übernahme bewährter Strukturmodelle ist mitentscheidend für den Erfolg eines jeden Unternehmens. Diese Entscheidung sollte nicht leichtfertig getroffen werden, sondern mit Offenheit, strategischem Verstand und dem Willen zur Anpassung. Die Zukunft gehört den Mutigen, die bereit sind, mit Bedacht und Begeisterung ihren eigenen Weg zu gehen oder bewährte Pfade neu zu interpretieren.

Die Autorin Nicole Dildei ist Beraterin, Interimsmanagerin und Coach mit Fokus auf Organisationsentwicklung und Strategieberatung, Integrations- und Interimsmanagement sowie Coach•sulting.

Industrie 4.0 – Innovationsgeist nicht nur für Start-ups

Wie industrielle KI Unternehmen die Möglichkeit ebnet, technischen Innovationsgeist mit dem großen Potenzial der KI aufzugreifen, um starke Geschäftsideen zu entwickeln.

Mit den aktuellen Entwicklungen wie IoT oder der Einkehr von künstlicher Intelligenz (KI) in immer mehr Betriebe sind industrielle Start-ups besonders gefordert. Während kreative Köpfe das große Potenzial dieser Entwicklungen für sich nutzen können, sehen sich Gründer mit anderen Geschäftsideen unter Zugzwang. Auch wenn die eigene Geschäftsidee nicht zwingend auf diese Technologien zurückgreifen muss, ist eine betriebliche Integration von Beginn an sinnvoll.

Technisch Anschluss halten – auch als Start-up

Während das Internet of Things mit einer wachsenden Automatisierung und Vernetzung seit Jahren als stabiler Trend fungiert, rückt industrielle KI seit zwei Jahren rasant in den Vordergrund. Für bestehende Unternehmen kann es zur Herausforderung werden, die Sinnhaftigkeit einzelner Lösungen und Technologien abzuschätzen. Für Start-ups ergibt sich hingegen die Möglichkeit, den technischen Innovationsgeist mit dem großen Potenzial der KI aufzugreifen und hieraus eine starke Geschäftsidee zu entwickeln.

Steht dies in der Gründungsphase oder als laufender Betrieb nicht im Vordergrund, sollten die Augen vor den technischen Innovationen nicht verschlossen werden. Ob Start-up oder etablierte Firma, mit einem Ausblenden der aktuellen Trends und Entwicklungen dürften schneller denn je Wettbewerbsnachteile entstehen. Technisch Anschluss zu halten, muss dabei nicht horrende Kosten bedeuten, vielmehr ist eine strategische und zum Unternehmen passende Herangehensweise sinnvoll.

Einstieg in die Industrie 4.0 meistern

Der Einstieg ins Thema Industrie 4.0 und die Anschaffung technischer Innovationen setzt im ersten Schritt ein umfassendes Informieren voraus. Orientiert am vorhandenen Budget und den technischen Herausforderungen des eigenen Betriebs ist zu überlegen, welche Neuheiten zum Charakter der Firma passen und vorhandene Probleme lösen.

Verfügt das Unternehmen beispielsweise über einen veralteten Maschinenpark, ist erst im zweiten Schritt über eine Vernetzung der Produktion nachzudenken. Eine Herausforderung, die umso mehr für Start-ups mit einem überschaubaren Startkapital gilt. Auch wenn eine Investitionsphase zu Beginn unvermeidlich ist, sollte das vorhandene Geld dort landen, wo es langfristig der Etablierung und dem wirtschaftlichen Erfolg des eigenen Betriebs dient.

Systematische Lösungen für höhere Kosteneffizienz

Die Investition in technische Neuerungen der Industrie kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden. Der häufigere Blickwinkel geht von technischen Anschaffungen aus, die direkt Einfluss auf die Produktion nehmen. Intelligent vernetzte Maschinen, die auf die gegenseitige Arbeitsgeschwindigkeit eingehen, sind ein Beispiel. Das Potenzial, als Industriebetrieb kosteneffizient zu arbeiten, liegt jedoch gerade in „kleineren Schauplätzen“ rundum die Betriebsführung.

Ein Beispiel hierfür ist ein intelligentes Beleuchtungskonzept. Licht wird vom Büro über die Werkshalle bis zum Lager benötigt. Neben dem Einsatz moderner Leuchtmittel kann eine intelligente und automatisierte Lichtsteuerung helfen, sparsam mit dieser Ressource umzugehen, ohne Komfort oder Arbeitssicherheit einzubüßen. Die Kostenersparnis gegenüber klassischen Beleuchtungslösungen können erheblich sein und Einsparpotenziale aufdecken, über die sich Gründer und etablierte Betriebe nur selten Gedanken machen.

Externes Fachwissen als Schlüssel

Bei allen technischen Innovationen ist es keinem Industriebetrieb vorzuwerfen, keinen umfassenden Überblick zu besitzen und sofort die richtigen Entscheidungen zu treffen. Umso wichtiger ist der fachliche Austausch und das Einholen objektiver Informationen, um eine fundierte Entscheidung für die eigene Zukunft zu treffen.

Die beraterische Tätigkeit zu den aktuellen Entwicklungen und die Eignung und Realisierbarkeit für den jeweiligen Betrieb ist eine weitere Schiene, in der in den kommenden Jahren noch weitere Start-ups entstehen dürfen. Sich hier als Fachkraft hineinzudenken und die Problemsituationen einzelner Betriebe zu verstehen, kann wirtschaftlich zur echten Goldgrube werden.

Industrielle KI – Raum für deutsche Einhörner

Wie deutsche Start-ups das hochattraktive Segment der industriellen KI mit innovativen Technologien, Erfindergeist und Ingenieurskunst bereichern und so einen Beitrag dazu leisten können, die Industrie der Zukunft mitzugestalten.

Carl Benz baute Autos, Werner von Siemens Generatoren und Elektromotoren, Carl Zeiss Mikroskope. Was machen Start-ups in Deutschland heute, wenn sie in die Fußstapfen der industriellen Vorreiter treten wollen? Besondere Chancen bietet die industrielle Anwendung der künstlichen Intelligenz (KI). Denn während in anderen KI-Bereichen der Zug bereits abgefahren ist, ist das Rennen um die industrielle KI noch offen. Deutschland, bekannt für seine starke Industrie und sein Ingenieurswesen, hat hier eine hervorragende Ausgangsposition und kann in diesem Bereich eine führende Rolle einnehmen. Und deutsche Start-ups können dieses hochattraktive Segment mit innovativen Technologien, Erfindergeist und Ingenieurskunst bereichern und so einen Beitrag dazu leisten, die Industrie der Zukunft mitzugestalten.

Industrielle KI – entscheidend für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit?

Geht es nach der deutschen Industrie, wird KI maßgeblich über die Zukunft der Branche entscheiden. Laut einer Befragung des Digitalverbands Bitkom unter 604 Unternehmen - darunter 160 Industrieunternehmen - glauben 78 Prozent, dass der Einsatz von KI entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sein wird. Für 70 Prozent der Befragten ist KI sogar die wichtigste Technologie für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie überhaupt. Aber in der Umsetzung der industriellen KI stehen die Unternehmen noch am Anfang: 48 Prozent der Unternehmen beklagen, ihnen fehle die Expertise, KI zielgerichtet einzubinden. Eine Chance für Pioniere.

Dabei hat die Industrie ganz unterschiedliche Anwendungsbereiche für KI im Blick, deren Spannweite von der vorausschauenden Wartung (Predictive Maintainance) über das Energie-Management bis zur Leistungsoptimierung reicht. Auch im Lagermanagement, bei der Konfiguration von Maschinen und in der Robotik wird großes Potenzial gesehen. Weitere Einsatzfelder sind die Programmierung beziehungsweise Aufgaben in der Konstruktion, Projektplanung, technisches Management und im Qualitätsmanagement.

Industrielle KI: bereits heute im Einsatz

Die industrielle KI revolutioniert bereits heute verschiedene Bereiche der Industrie durch die Optimierung von Prozessen, die Verbesserung der Effizienz und die Lösung komplexer Herausforderungen. Unternehmen, die diese Technologien frühzeitig implementieren, sichern sich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und tragen zur Steigerung der industriellen Wertschöpfung bei, darunter einige namhafte Beispiele:

Siemens hat eine KI-basierte Branderkennung entwickelt, die herkömmliche Systeme bei weitem übertrifft. Zudem nutzt es KI zur Energieoptimierung in ihrenProduktionsanlagen. Durch die kontinuierliche Überwachung und Analyse des Energieverbrauchs können Einsparpotenziale identifiziert und realisiert werden.

BMW setzt KI in der Qualitätssicherung ein, insbesondere bei der visuellen Inspektion von Karosserieteilen. Kameras erfassen Bilder, die von ML-Algorithmen analysiert werden, um Fehler in der Lackierung oder anderen Oberflächen zu erkennen.

Der Technologiekonzern Bosch will bis zum Jahr 2025 seine gesamte Produktpalette mit KI ausstatten oder bei der Herstellung KI verwenden - beispielsweise in der Raumfahrt. So ist bereits seit 2019 das Bosch-Sensorsystem SoundSee im Weltall unterwegs, um in der Raumstation ISS ungewöhnliche Geräusche herauszufiltern. Mithilfe von KI-Algorithmen werden die Geräusche analysiert, um herauszufinden, wann eine Wartung erforderlich ist. Zudem verwendet Bosch KI, um die Fertigung von Elektromotoren effizienter und präziser zu gestalten, was zu erheblichen Effizienzgewinnen führt. Darüber hinaus kommt im Unternehmen KI zur Optimierung der Vertriebs- und Betriebsplanung zum Einsatz. Durch die Analyse historischer Verkaufsdaten und anderer relevanter Faktoren kann das Unternehmen die Nachfrage besser vorhersagen und die Produktion entsprechend anpassen.

DHL setzt KI zur Optimierung ihrer Lieferketten ein. Durch die Analyse großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen kann DHL die Routenplanung und Lagerhaltung optimieren und gleichzeitig Risiken wie Wetterbedingungen und Verkehrsstörungen berücksichtigen.

Als Softwareunternehmen entwickelt SAP KI-Lösungen für verschiedene industrielle Anwendungen, darunter Lieferkettenoptimierung und intelligente Datenanalyse.

„Wir verlieren unsere DeepTech-Innovationen“

Im Interview erklären Daniel Kroll und Jozsef Bugovics, Experten für Wachstumsfinanzierungen bei der M&A- und Debt-Advisory-Beratung Pava Partners, warum viele DeepTech-Innovationen ins Ausland abwandern und wie das verhindert werden kann.

Wie gut ist der Forschungsstandort Deutschland heute noch im Vergleich zu anderen Regionen?

Jozsef Bugovics: Deutschland ist und bleibt mit Forschungseinrichtungen wie der Max-Planck- oder der Fraunhofer-Gesellschaft einer der führenden Forschungsstandorte weltweit. Zum Jahresbeginn etwa hat die Bundesregierung 1,6 Milliarden Euro aus dem Zukunftsfonds für innovative Technologien freigemacht. Diese Summe soll größtenteils direkt in die Start-up-Förderung für Zukunftstechnologien fließen. Die initiale Förderung für neu gegründete Unternehmen funktioniert in Deutschland also ganz gut.

Aber woran hakt es?

Daniel Kroll: Große Defizite bestehen hierzulande leider in der späteren Risikokapitalfinanzierung, also bei der Überführung von Zukunftstechnologien in industrielle Anwendungen. Ein gutes Beispiel ist das Start-up INERATEC. Die Karlsruher haben eine energieeffiziente und skalierbare Methode zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe entwickelt. Die Technologie hat sehr viel Potenzial, insbesondere für das Erreichen der Klimaneu­tralität im Schiffs- und Flugverkehr. So fordert etwa die EU­Initiative „ReFuelEU Aviation“, dass Flugkraftstoffen ab 2030 synthetische Kraftstoffe mit einem Anteil von 1,2 Prozent beigemischt werden müssen.

Die Technologie wurde zwar im Forschungsstadium staatlich gefördert, doch fand sich für die vor wenigen Monaten durchgeführte Venture-Capital-Finanzierung von 118 Millionen Euro zur Skalierung von INERATEC kein einziger deutscher Geldgeber. Stattdessen stammen diese unter anderem aus den USA und Südkorea, und diese Länder werden später auch von der Technologie profitieren. Das Start-up ist somit eines der Beispiele, wie in Deutschland entwickelte Grundlagentechnologien ins Ausland abwandern.

Woher kommt diese geringe Risikobereitschaft von Investor*innen in Deutschland?

Jozsef Bugovics: In Deutschland fehlt es bislang an großen Venture-Capital-­Fonds, wie es sie etwa in den USA, Südkorea oder China gibt. Damit aber Zukunftstechnologien für die industrielle Anwendung skaliert werden können, braucht es große Risikokapital-Fonds mit einem Volumen von mindestens vier Milliarden Euro. Aktuell müssen deutsche Start-ups deshalb nach zahlungskräftigen ausländischen Investoren Ausschau halten, die vor allem aus den USA, Südkorea, Singapur, Japan oder Saudi-Arabien kommen. Das bedeutet aber auch, dass mit den hohen Investitionssummen ein Mitbestimmungsrecht der ausländischen Investoren über die Technologie und das Unternehmen verbunden ist. Im Umkehrschluss heißt das, dass Deutschland wichtige Innovationen aus der Hand gibt und andere Nationen davon profitieren.

Wie groß schätzt ihr die Finanzierungslücke in Deutschland ein?

Daniel Kroll: Wir sehen eine Finanzierungs­lücke von 30 Milliarden Euro für VC-Finanzierungen. Mit dieser Summe ließe sich eine ähnlich gute Investitionskultur wie in den USA schaffen. Allerdings sehen wir keine Möglichkeit, wie diese Summe mit staatlichen Mitteln allein aufzubringen wäre. Eine Alternative könnten private Investitionen sein, wofür in Deutschland aber erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden müssten.

Wie könnte das gehen?

Jozsef Bugovics: Versicherungskonzerne wie AXA oder die Allianz verfügen über ein gewaltiges Kapitalvermögen, das sie anlegen können. So betreut etwa Deutschlands größte Assekuranz, die Allianz Lebensversicherung, ein Anlagevermögen von 253 Milliarden Euro (Stand: September 2023). Leider ist es deutschen Versicherungen und Pensionsgesellschaften bisher untersagt, in Venture-Capital zu investieren. In den USA und anderen Ländern ist dies hingegen erlaubt. Würde Deutschland dies auch ermöglichen, würden schon zwei Prozent der Anlagen einer Allianz Lebensversicherung ausreichen, um fünf Milliarden Euro an Wagniskapital zu generieren – bei sehr geringem Risiko für die Anleger.

Wie könnte der Staat VC-Investitionen für die erwähnten Gruppen oder auch Privatanleger*innen attraktiv machen?

Daniel Kroll: Der deutsche Staat müsste entsprechende Anreize schaffen, etwa durch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten in Kombination mit einer Steuerbefreiung in Höhe der ursprünglichen Investition. Davon würde der Staat gleich doppelt profitieren: Einerseits könnten so dringend erforderliche Innovationen in den Standort Deutschland ermöglicht werden, andererseits würden sich auch höhere Steuereinnahmen als durch die Kapitalertragsteuer bei konservativen Anlageformen ergeben. Da­rüber hinaus kommen Gelder, die in VC-Fonds fließen, wieder dem Wirtschaftskreislauf zugute, und zwar in Form von Gehältern und unternehmerischen Ausgaben. Das heißt, dass Risikokapitalinvestitionen als Einkommen-, Gewerbe- und Mehrwertsteuer auch mehrfach versteuert würden. Berechnungen haben gezeigt, dass Steuereinnahmen in dieser Höhe bei einer Festgeldanlage selbst in 20 Jahren nicht möglich wären.

In welcher Größenordnung könnten diese Maßnahmen unserer Innovationskraft helfen?

Jozsef Bugovics: Für den Wirtschaftsstandort Deutschland könnten diese Maßnahmen den vorhin erwähnten, notwendigen Innovationsschub von 30 Milliarden Euro jährlich bewirken. So könnte der Ausverkauf von Innovationen ins Ausland gestoppt werden, ohne den aktuell ohnehin sehr angespannten Bundeshaushalt weiter zu belasten.

Die Bundesregierung muss nun rasch handeln, will Deutschland international nicht den Anschluss verlieren. Aus unserer Sicht ist das beste Rezept für eine gute Innovationspolitik die Bereitschaft, auch in Risikokapital zu investieren. Es reicht nicht aus, allein auf Altbewährtes zu setzen. Politik, Industrie und auch private Anleger müssen sich auf die neuen internationalen Gegebenheiten einstellen, wenn der Standort Deutschland eine Zukunft haben soll.

Jozsef Bugovics und Daniel Kroll, danke für die spannenden Insights!

Neuanfang statt Stillstand: Die Kunst des Pivots in der Start-up-Welt

Ein Pivot kann dabei helfen, ein scheiterndes Start-up zum Erfolg zu führen. Zu wissen, wann der Richtungswechsel notwendig ist und ihn erfolgreich umzusetzen, ist eine wichtige Kompetenz von Gründer*innen.

Ein Start-up aufzubauen, ist ein spannendes, aber auch riskantes Unterfangen. Nach der zündenden Idee investieren Gründer*innen unzählige Stunden in das Produkt, die Unternehmensstrategie und den Aufbau eines Sales-Funnels. Doch egal, wie viel Herzblut in das Projekt geflossen ist, nicht jedes Start-up kann erfolgreich sein. Was bleibt Gründer*innen also übrig, wenn die Entwicklung des Start-ups ins Stocken gerät?

An diesem Punkt trennt sich die Spreu vom Weizen: Während manche Gründer*innen aufgeben, sehen andere eine Chance darin, die verschiedenen Bereiche des Start-ups neu auszurichten und das Unternehmen zurück auf die Erfolgsspur zu lenken.

In der Start-up-Welt spricht man in so einer Situation von einem Pivot. Doch was genau versteckt sich hinter dem Begriff, wann und warum sollten Start-ups einen Pivot durchführen und wie verläuft ein solcher Prozess erfolgreich?

Daten und Feedback statt Annahmen und Vermutungen

Der Begriff “Pivot” stammt ursprünglich aus dem Buch “The Lean Startup” von Eric Ries. Das Konzept zielt darauf ab, Gründer*innen zu ermutigen, ihre Geschäftsstrategie zu ändern, wenn sie auf unvorhergesehene Veränderungen stoßen. Diese Richtungsänderung kann bedeuten, das Produkt zu ändern, neue Zielgruppen zu erschließen oder im radikalsten Fall sogar das komplette Geschäftsmodell zu überarbeiten.

Bevor Gründer*innen jedoch diesen Schritt wagen, sollten sie sicherstellen, dass ihre Entscheidung auf einem festen Fundament fußt. Nicht Annahmen und Vermutungen, sondern Daten und Feedback sollten die Maxime sein, die das Handeln bestimmen. Dabei sollte so wenig wie möglich dem Zufall überlassen werden, schließlich kann ein Pivot schnell den Unterschied zwischen Untergang und Überleben des Start-ups ausmachen.

Dafür braucht es fundierte Methoden statt gefühlter Wahrheiten: Der sogenannte Mom-Test geht beispielsweise davon aus, dass Menschen, wie die eigene Mutter, nicht immer die Wahrheit sagen würden, wenn sie nach einer Meinung zu einem Produkt oder Geschäftsmodell gebeten werden, ob aus Höflichkeit, sozialer Erwünschtheit oder aufgrund von anderen Emotionen, die einer rationalen Entscheidung entgegenstehen. Der Mom-Test enthält daher Methoden, um Interviews mit potenziellen Kunden objektiver und rationaler zu gestalten. Der Mom-Test kann so eine Hilfe für Gründer*innen darstellen, um einen besseren Product-Market-Fit zu erzielen. Die weniger wissenschaftliche Methode der Selbstreflektion wird Gründer*innen demgegenüber vermutlich weniger helfen, um ein objektives Bild vom Status quo zu erhalten.

Welche Gründe sprechen für einen Pivot?

Die Verkäufe stagnieren, Investitionen bleiben aus und es geht einfach nicht voran mit Geschäft? In solchen Fällen macht sich oft das Gefühl bei den Gründer*innen breit, dass sich etwas ändern muss. So kann beispielsweise eine Diskrepanz zwischen dem, was am Markt gut ankommt, und dem Produkt dazu führen, dass Start-ups einen Richtungswechsel vornehmen müssen.

Im Zentrum steht zumeist ein Mangel an (Umsatz-)Wachstum. Wenn trotz aller Bemühungen die Wachstumsziele nicht erreicht werden, kann es notwendig sein, etwas zu ändern. Möglicherweise ist es aber auch die Konkurrenz, die dem eigenen Start-up den Rang abgelaufen hat. In diesem Fall kann ein Pivot sinnvoll sein, um die eigene Marktposition zurückzugewinnen oder sich zu differenzieren. Auch interne Belange können der Grund für einen Pivot sein, wie etwa das Verschieben von Ressourcen oder eine Änderung innerhalb des Teams.

Erfolgreiche Pivots: Von Netflix bis Slack

Ein Pivot kann viele Gesichter haben. Es kann eine Veränderung des Produkts bedeuten, die Anpassung der Zielgruppe, einen Image-Wechsel der Marke oder der Fokus auf eine andere Branche. Eine Reihe der heute weltweit erfolgreichsten Unternehmen hatte einmal ein teils gänzlich anderes Produkt oder eine andere Unternehmensstrategie.

Eines der berühmtesten Beispiele, wie ein erfolgreicher Pivot aussehen kann, ist Netflix. Der Streaming-Gigant startete 1997 als Online-Videoverleih – im Laufe der Jahre sah die Geschäftsführung u.a. durch die fortschreitende Nutzung des Internets ein disruptives Potenzial für die Art, wie Filme und Serien konsumiert werden. Zehn Jahre nach der Gründung war es dann soweit und Netflix startete sein Streaming-Angebot.

Ein anderes Beispiel ist Slack: Der Instant-Messaging-Dienst hat seine Ursprünge in der Videospielindustrie. Bevor Slack Technologies zu dem Unternehmen wurde, das wir kennen, war es als Tiny Speck bekannt und entwickelte das Videospiel Glitch – bis Gründer Stewart Butterfield sich entschloss, einen neuen Weg einzuschlagen und voll auf das Thema Messaging zu setzen.

Von Metriken und Marktreaktionen

Um einen neuen Weg einschlagen zu können, ist es wichtig, als ersten Schritt die eigenen Metriken zu überprüfen: Wie steht es etwa um die Kosten bei der Kund*innenakquise? Wie sieht es aus mit dem Customer Lifetime Value und wie hoch ist die Konversionsrate? All diese Metriken abzuklopfen, hilft dabei, zu entscheiden, ob ein Pivot notwendig ist.

Eine entscheidende Kennzahl gerade in der Phase rund um eine Series A ist das Wachstum, es muss also ein Bedarf bei (potenziellen) Kund*innen spürbar sein, das angebotene das Produkt oder den Service nutzen zu wollen. Ist das nicht der Fall, ist das ein wichtiger Punkt, um über einen Pivot nachzudenken. Gleiches gilt für die Kostenstruktur: Sind die Grenzkosten, also die pro verkauftem Produkt oder Service auftretenden Kosten, zu hoch oder wachsen sogar mit steigender Stückzahl, ist das ein Zeichen für ein nicht skalierbares Produkt und ein Pivot eine Möglichkeit, um auf ein lohnenderes Geschäftsmodell umzusteigen.

Um sicher zu sein, dass es sich nicht nur um eine zwischenzeitliche Durststrecke handelt, sollten möglichst viele dieser relevanten Faktoren berücksichtigt werden. Eine der wichtigsten Variablen ist die Reaktion des Marktes. Besteht ein Bedarf bei den Zielgruppen? Sind die Kund*innen zufrieden mit dem Produkt? Verfügen die angestrebten Zielgruppen über die nötige Kaufkraft oder können weitere Zielgruppen erschlossen werden? Eingehende Kundenbefragungen, Tests zur Benutzererfahrung und Marktumfragen helfen, diese Informationen zu sammeln.

Der individuelle Weg zum Erfolg

Wie der Pivot am Ende aussieht, muss jedes Start-up für sich selbst entscheiden. Sei es nur die Änderung eines Produkts oder direkt die komplette Neuerfindung des Unternehmens. Wichtig ist am Ende, dass alle Faktoren berücksichtigt wurden und auch das Team geschlossen hinter der Entscheidung steht. Denn nur gemeinsam lassen sich neue Höhen erreichen.

Der Autor Florian Bogenschütz ist Managing Director von Wayra Deutschland, der Innovations- und Investmenteinheit der Telefónica. Wayra ist der größte konzerneigene Open Innovation Hub der Welt und deckt gemeinsam mit der Telefónica Seed- bis Growth-Investments in einem Umfang von bis zu 25 Mio. Euro pro Start-up ab.

Change: diese Phasen bestimmen den Wandel

Change: seit einigen Jahren ein Buzzword unter Unternehmensstrateg*innen. Der Begriff klingt so einfach, schließlich gehört Wandel zum Leben dazu, auch in Unternehmen. Gleichzeitig bedeutet ein gewollter Wandel ein konkretes Ziel für die Reise zu haben – einschließlich eines Plans, wie dieser Umbruch gelingen soll. Welche Schritte Wechselwillige in die Zukunft führen, liest du hier.

Unternehmen jeder Größe und Branche stehen vor multiplen Herausforderungen. Tempo, Flexibilität und Agilität entscheiden über Erfolg und Misserfolg. Um im internationalen Wettbewerb wieder vorne anzuknüpfen, setzen findige Leader auf Agilität, fernab von Command-and-Control-Prinzipien und festgefahrenen Strukturen. Einfach ohne Anleitung alle internen Gerüste aufzulösen und absolut frei zu agieren, führt jedoch kein Unternehmen ans Ziel. Natürlich passt ein starres Korsett nicht auf alle Unternehmen; One-size-fits-all ist genau das Gegenteil von Agilität. Bestimmte Schritte allerdings zählen für den Change in jeder Firma. Sie bieten eine gute Orientierung.

Die Phasen des Change

Veränderungsprojekte gleichen einer Matrix. Sie bestehen aus aufeinanderfolgenden Projektphasen wie Analyse, Konzept und Einführung. In diese Projektphasen schieben sich die einzelnen Veränderungsphasen. Das muss jedoch nicht immer gut ausgehen. Ein typischer Verlauf für einen gefährlichen Wandel:

  • Im ersten Teil erntet das Projekt viel Zuspruch und macht in den ersten sechs Monaten bis zur Konzeptfertigstellung große Fortschritte.
  • Darauf folgen im zweiten Part häufig längere Wartezeiten und Schleifen im Freigabeprozess, ausgelöst durch das aufkommende Bewusstsein des Managements für mögliche Konsequenzen und Fallstricke.
  • Im dritten Teil verleiht die erste Implementierung dem Projekt neuen Schwung, bis
  • im vierten Abschnitt nach etwa 14 bis 18 Monaten die Aufmerksamkeit schwindet. Das geschieht, wenn das Projekt die Interessensspanne des Managements überschreitet und dieses sich neuen Themen zuwendet. Nicht gelöste organisationale Hindernisse und damit ein Ausbleiben eines kompletten Erlebens der vollen Potenziale verstärken den Effekt. Mögliche Konsequenz: das Infragestellen des gesamten Change. Dies ist der wirklich kritische Punkt, den es zu überwinden gilt, um die Veränderung nachhaltig zu implementieren.

Damit Change nachhaltig in Firmen wachsen kann, achten Verantwortliche auf diese fünf Zustände:

Bewusstsein schaffen

Menschen verlassen ihre Komfortzone äußerst ungern. Veränderungen nehmen sie erst dann an, wenn keine Möglichkeit mehr für Gewohntes besteht. Diverse (Groß-)Unternehmen scheiterten an einem Wechselkurs aufgrund zu geringen Erkenntnisdrucks. Die Suche nach überzeugenden Gründen für einen Change steht deshalb vorne an: Warum muss eine Veränderung eintreten? Ist der Handlungsdruck groß genug? Transparenz und klare Kommunikation der Beweggründe gelten als wichtigste Voraussetzungen, um Awareness in der Organisation zu schaffen.

Motivation herausarbeiten

Change ist nicht nur aufwändig. Mit ihm sind Konsequenzen hinsichtlich Organisations- und Zusammenarbeitsstrukturen oder Verantwortlichkeiten verbunden. Diese Phase baut stark auf die Führungskräfte, Sponsoren und Stakeholder des Veränderungsprojekts. Haltungen à la „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ drohen jeden Veränderungswillen im Keim zu ersticken. Ist die Organisation, allen voran die Führungsebenen, bereit dazu? Maßnahmen wie Abstimmungen und Workshops sollen Ängste und Erwartungshaltungen klären, ein gemeinsames Ziel definieren und das Vorgehen festlegen. Die grundlegende Frage lautet: Welche Motivation heizt den Change an? Hier beginnt der Übergang zwischen dem Formulieren der Vision und dem Start des Agile Transition Teams.

Wissen ermitteln

Methodische Kompetenz benötigt ein Wandel genauso wie die Fähigkeit, das Zielbild zu entwerfen und bis ins Detail zu strukturieren. Fähigkeit zur strategischen Planung sowie die Befähigung zur operativen Umsetzung sind unabdingbar. Welcher Wissensaufbau muss in den Teams oder der Organisation erfolgen, um in den neuen Strukturen mit der neuen Arbeitsweise zu funktionieren? Welches Know-how braucht die Transformation? Wen brauchen wir an Board? Die Auserwählten gehören dann zum Transition Team: Idealerweise cross-funktional besetzt, treiben Mitarbeiter aus den zu transformierenden Abteilungen sowie den Schnittstellenabteilungen aus verschiedenen Hierarchiestufen als agiles Scrum Team die Veränderung von innen voran. Unterstützung erhalten sie durch mindestens zwei externe Berater und in der Regel einen Scrum Master.

Veränderungsmöglichkeiten ausloten

In dieser Phase stehen Überarbeitungen der Zusammenarbeits- und Kommunikationsstrukturen, aber auch der Führungsrolle beispielsweise durch anderes Planungsvorgehen und gewandeltes Reporting an. Welche Rahmenbedingungen gilt es zu beachten, die nicht verändert werden können? Welche Prozesse oder Strukturen müssen für einen nachhaltigen Wandel angepasst werden? Der Aufbau von Kompetenzen und neuen Rollen bestimmt diese Phase.

Vom Konzept über das Ausprobieren bis zur Gewohnheit

Zähne zusammenbeißen und durchziehen – Change ist ein nie vollends abgeschlossener Prozess. Selbst nach Projektabschluss der externen Unterstützer läuft der Wandel intern weiter. Denn neue Ausbaustufen und Themen, die zuvor nicht auf der priorisierten Agenda standen, drängen mit der Zeit in den Fokus. Die immer wieder zu stellende Frage lautet: Wie kommen die ersten Gehversuche im neuen Setup an? Wie lautet das Feedback? Um die vollzogenen Transformationen allen bewusst zu machen, lohnt das Messen der Erfolge, beispielsweise durch KPIs. Auch kleine Fortschritte und Teilerfolge sollten gefeiert werden und regelmäßigen Proof of Concept bieten.

Wichtig: Change gelingt durch eine beidseitige Umsetzung – top-down und bottom-up. Ohne Unterstützung und aktive Beteiligung der Führungsebenen stößt jede Veränderung an eine gläserne Decke. Potenziale werden nicht völlig gehoben und Teams frustriert, wenn sie nicht weiterkommen. Ohne Einbindung der Chefetagen wird die Veränderung nicht akzeptiert und mitgetragen. Widerstand und kritisches Feedback verstehen führende Personen als Gradmesser für den Nachbesserungsbedarf. Sachliche Gründe sollten Zuständige isolieren und diese klären. Dann beeinflussen hinter dem Widerstand liegende Ängste nicht den Wandel, der das Unternehmen zukunftssicher macht.

Die Autorin Dagmar Hebenstreit ist Co-Gründerin der Boutique-Beratung AGILEUS Consulting.

Nicht ohne Kosten: Die kostenlose Retoure

Gastkommentar: Artjom Bruch, CEO von Trusted Returns, beleuchtet die wahren Kosten der kostenlosen Retoure und erläuert, warum sich im Retourenmanagement wohl bald einiges ändern wird.

Die Wirtschaft schwächelt, Lieferketten sind instabil und neue Richtlinien wie das Recht auf Reparatur oder die EU-Öko-Designrichtlinie führen zu zusätzlichen Kosten, die Händler*innen einpreisen müssen. Viele sehen sich zusätzlich dazu gezwungen, stärker auf Profitabilität zu achten, was unweigerlich auch zu Kosteneinsparungen führen wird. Die Retoure als reiner Kostenpunkt bietet hier natürlich besonders großes Potenzial für Einsparungen und allein der Rückversand ist laut Daten des EHI für Onlinehändler*innen der zweitgrößte Kostentreiber bei Retouren. Wirklich kostenfrei ist eine kostenfreie Retoure daher nicht – weder für Käufer*innen noch für Händler*innen.

Die Kosten, die Seitens der Händler*innen durch Retouren ausgelöst werden, sind leicht nachzuvollziehen: Retournierte Ware muss transportiert, gelagert und geprüft werden. All diese Schritte lösen Kosten aus und binden Ressourcen – Mitarbeitendenzeit, Lagerplatz und mehr. Dadurch kann der Retourenprozess eines Produkts im Extremfall sogar zu einem Negativergebnis in der Gesamtbilanz führen. Und besonders ärgerlich: Wenn bei der Prüfung des retournierten Produkts im Lager festgestellt wird, dass es sich nicht zum Wiederverkauf eignet, muss es auch noch entsorgt werden – auch das ist wieder mit Kosten verbunden. Händler*innen antizipieren diese Kosten wiederum und reagieren dementsprechend. Zwar sind sich nicht viele Verbraucher*innen dessen bewusst, aber das Retourenrisiko samt Kosten wurde natürlich eingepreist.

Kostenfreier Rückversand ist kundenorientiert – ein Trugbild?

Das Risiko, dass der Versand eines Produkts möglicherweise nachgelagerte Kosten auslöst, wenn dieses zurückgeschickt wird, ist von dem/der Händler*in bei der Preisgestaltung in der Regel berücksichtigt worden. Dadurch tragen die Kund*innen als Kollektiv die versteckten Kosten der kostenlosen Retoure mit: Der Produktpreis ist für alle gleich, auch wenn nicht alle auf die Retoure zurückgreifen – von Kleidung, die in unterschiedlichen Größen bestellt wird, um nur die passende zu behalten, bis hin zu Produkten, die gekauft wurden, nur um die tatsächliche Kaufentscheidung beim Erhalt zu treffen. In diesem Modell werden jene Kund*innen belohnt, die Produkte häufig retournieren. Diejenigen, die sich jeden Kauf gut überlegen und bestellte Produkte nur bei einem wirklichen Problem zurückschicken, zahlen de facto drauf.

Dass dieses Retouren-Modell so großen Anklang fand, liegt größtenteils an einer Art Gruppenzwang: Unter den 100 größten Onlineshops in Deutschland bieten knapp 87 Prozent kostenlose Retouren an. In Zeiten der absoluten Kund*innenorientierung, wenn Kund*innenbindung und Neukund*innengewinn wichtiger ist als Effizienz und Wirtschaftlichkeit, ist dies auch völlig legitim. Da sich nun aber abzeichnet, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich verschlechtern und Profitabilität das Gebot der Stunde für Onlinehändler*innen ist, lohnt es sich, diese Strategie kritisch zu evaluieren. Denn bei Versandkosten zeichnet sich bereits ein starker Trend weg vom kostenlosen Versand ab: Nur noch 4 Prozent der Onlinehändler*innen im DACH-Raum bieten ihn aktuell an.

Versandkosten wurden schon jeher differenzierter betrachtet als Retourenkosten, jedoch kann es ratsam sein, auch diese Zweiteilung zu überdenken, wenn ohnehin ein strategischer Wechsel mit Fokus auf Profitabilität bevorsteht.

Eine Re-Positionierung der Retoure und ihres Stellenwerts könnte bei Kund*innen gut ankommen. Frei nach dem Motto „Was nichts kostet, ist nichts wert“ bietet sie heutzutage als Schnittstelle zum Kund*innen wenig Services an, während in der Vergangenheit lebenslange Garantien und ein erstklassiger Kund*innenservice USPs waren. Zwar ist eine Kehrtwende in dieser Größenordnung nicht zwingend der einzige Weg, aber eine selektive und gezielte Diversifizierung bei Retouren anhand von Unterschieden wie Retouren aus dem heimischen Markt oder dem Ausland, Retouren aus Kulanz im Kontrast zu rechtlichen Gründen wie Widerrufsretouren, oder auch eine Segmentierung nach Kund*innengruppen sind Möglichkeiten der Diversifizierung.

Sobald nicht jede Retoure kategorisch kostenlos für Verbraucher*innen ist, wird die Retourenquote fallen, und Onlinehändler*innen werden sich viele der nachgelagerten Kosten sparen. Ferner ist die Retoure auch nicht zwingend für jedes Problem, das ein(e) Käufer*in mit einem Produkt hat, die optimale Lösung. Und besonders wenn die EU-Ökodesign-Richtlinie die Vernichtung von Retouren in einigen Produktkategorien verbietet, könnten Händler*innen in eine Zwickmühle geraten, wenn sie bei einer hohen Retourenquote auf der zurückgeschickten Ware sitzenbleiben.

Diversifizierung der Retourenstrategie: Ein Schritt in Richtung Fairness und Effizienz

Die Änderungen in der Retourenstrategie von Online-Riesen wie Amazon im letzten Jahr können durchaus Testläufe gewesen sein und zusammen mit der Trendumkehr bei Versandkosten zumindest im DACH-Raum einen echten Paradigmenwechsel für den Onlinehandel signalisieren. Denn der Gruppenzwang wird allein durch Amazons Änderung gelockert.

Kund*innenorientierung muss neu gedacht werden. Eine Diversifizierung der Retouren-Möglichkeiten ergibt wirtschaftlich Sinn und erlaubt es Händler*innen, auch passgenauer auf Kund*innenbedürfnisse einzugehen. Den Rückversand als Schnittstelle zur Kundschaft zu verstehen und auch zu nutzen, könnte in der Zukunft einen echten Unterschied darin machen, wie ein(e) Kund*in eine(n) Händler*in wahrnimmt. Denn wenn die Retourenstrategie eine Auswahl an Möglichkeiten bietet, fühlt sich der Service individueller an und Probleme können mit mehr Präzision gelöst werden als es der heutige One-Size-Fits-All-Ansatz erlaubt. Auch Extremfälle wie die fehlende Schraube, die trotz allem dazu führt, dass das ganze Produkt zurückgeschickt werden muss, könnten der Vergangenheit angehören. Der simple Umstand, mehr als eine Möglichkeit der Retoure anzubieten, gibt Verbraucher*innen einen größeren Handlungsspielraum. Wenn sich dadurch sogar Kosten einsparen lassen, ist gut durchdachtes Retourenmanagement ein mächtiges Werkzeug für Profitabilität und Kund*innenzufriedenheit gleichzeitig.

Der Autor Gründer Artjom Bruch ist Gründer und Geschäftsführer von Trusted Returns, einer IT-Plattform für das Retourenmanagement.

Start-ups und Patente: Was du wissen solltest

Welche Maßnahmen Start-ups im Rahmen einer Schutzrechtsstrategie ergreifen sollten, erläutert Patentanwalt und Start-up-Kenner Florian Meyer.

Die Geschäftsidee ist innovativ, die Technologie einzigartig. Optimismus und Risikobereitschaft sind ungebrochen. Doch auch an den Schutz des geistigen Eigentums gedacht? Start-ups tun gut daran, ihre eigenen Ideen vor Plagiaten zu schützen – und gleichzeitig die Rechte anderer Unternehmen zu beachten. Denn Fehler können später richtig teuer werden. Patentanwält*innen helfen Gründer*innen dabei, sich im komplexen IP-Recht zurechtzufinden und eine eigene Patentschutzstrategie zu entwickeln.

In einer Studie aus dem Oktober 2023 haben das Europäische Patentamt (EPA) und das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) herausgefunden: Patent- und Markenrechte sind mitentscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Start-ups. So ist es für Start-ups, die in der Gründungs- und frühen Wachstumsphase über diese Rechte verfügen, durchschnittlich über zehn Mal wahrscheinlicher, sich eine Finanzierung zu sichern – vor allem in Hightech-Branchen mit hohem Kapitalbedarf. Investor*innen benötigen eine möglichst große Sicherheit, dass ihre Investitionen abgesichert sind. Außerdem steigern erworbene Schutzrechte die Bewertung des Unternehmens. Der Rat: Die frühzeitige Entwicklung einer Schutzrechtsstrategie sollte ein wichtiger Teil der unternehmerischen Planung sein. Das verhindert nicht nur, dass die eigenen Ideen kopiert werden, sondern stärkt auch die Position von Start-up-Gründer*innen in Verhandlungen mit Geldgeber*innen oder bei der Entwicklungsarbeit mit Industriepartner*innen.

Professionelle Begleitung durch die komplexe IP-Welt

Dabei ist Schutzrecht nicht gleich Schutzrecht. Mit Patenten oder Gebrauchsmustern können technische Innovationen geschützt werden, mit Designs die gestalterischen Aspekte. Durch Markenschutz können Start-ups ihre Marke langfristig am Markt absichern. Daneben gibt es weitere Spezialrechte, wie den Halbleiter- oder Sortenschutz. Start-ups stehen vor der Herausforderung, sich in der komplexen Welt des geistigen Eigentums zurechtzufinden. Umso wichtiger ist eine kompetente Beratung durch erfahrene Patentanwält*innen. Sie unterstützen das Start-up dabei, seine Innovationskraft optimal zu nutzen und zu schützen.

Eine Herausforderung für Start-ups ist, dass sie meist wenig Ressourcen haben. Viele von ihnen können sich daher einen weltweiten Schutz nicht leisten. Die gute Nachricht: Sie brauchen ihn oft auch gar nicht, zumindest nicht sofort. Zum Glück gibt es den sogenannten Patentzusammenarbeitsvertrag („Patent Cooperation Treaty”, PCT). Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Option auf eine Patentanmeldung in rund 150 Ländern. Die Kosten können Start-ups zeitlich nach hinten verlagern. Wenn die Innovation später ihre Erwartungen nicht erfüllt oder wenn sie nur in bestimmten Ländern vertrieben werden soll, können sie den Patentierungsprozess abbrechen oder anpassen, bevor die Kosten steigen.

Gewerblichen Rechtsschutz von Anfang an mitdenken und Innovationen schützen

Wann sollten sich Gründer*innen mit dem gewerblichen Rechtsschutz befassen? Klar ist: Spätestens, sobald Wissen das eigene Haus verlassen soll, etwa bei der Suche nach Geldgebern oder bei Kooperationen mit Partnern, müssen die Start-ups sicherstellen, dass die eigenen Ideen geschützt sind. Dazu ist nicht immer direkt eine Patentanmeldung erforderlich, womöglich genügt anfangs auch ein Geheimhaltungsvertrag. Gleichzeitig sollten die Gründer*innen die Schutz- und Nutzungsrechte, die ursprünglich bei Mitarbeitenden oder externen Entwickler*innen liegen, auf ihre Firma übertragen. Hierfür müssen sie rechtlich eindeutige Schutzrechtsübertragungsvereinbarungen abschließen.

Schutzrechte der Konkurrenz berücksichtigen

Neben dem Erwerb von Schutzrechten müssen Start-ups auch die Rechte anderer Marktteilnehmer*innen beachten. Sonst läuft das Start-up schlimmstenfalls Gefahr, vor Gericht zu landen. Einen ersten Anhaltspunkt bieten hier Patentrecherchen der Patentämter. Wer schließlich seine eigenen Innovationen anmeldet, verhindert, dass Konkurrent*innen Schutzrechte für dieselbe Innovationen erhalten. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für die Überwachung des Marktes. Klar ist aber auch: Eigene Schutzrechtanmeldungen ersetzen keineswegs die Analyse der bestehende Fremdschutzrechte. Gründer*innen sollten eine umfassende und systematische Prüfung immer dann vornehmen, wenn sie ein neues Produkt im Markt anbieten wollen.

In der Anfangseuphorie klingt der Schutz des geistigen Eigentums eher wie ein Stimmungskiller. Doch das Thema des gewerblichen Rechtsschutzes sollten Gründer*innen nicht auf die lange Bank schieben, damit ihr Unternehmen erfolgreich durchstarten kann.

Der Autor Florian Meyer kennt die Herausforderungen für Start-ups im Detail – aus dem Blickwinkel des Patentanwalts und als Entwickler in einem Robotik-Start-up. Bei der IP-Kanzlei Meissner Bolte begleitet er Start-ups aus unterschiedlichen Branchen und verschiedenen EU- Staaten.

Einfacher, schneller und billiger: Warum Deutsche angesichts der schwerfälligen Bürokratie ihre Start-ups in Estland gründen

Warum immer mehr Deutsche ihre Start-ups in Estland gründen. Ein Gastbeitrag von Katrin Vaga, Head of PR von e-Residency of Estonia.

Während Deutschland versucht, seine Start-up-Strategie umzusetzen, blicken viele deutsche Gründer bereits über die Landesgrenzen hinaus. Ein Land, das in Sachen Digitalisierung und Unternehmertum besonders auffällt, ist Estland mit seinem zu 100 Prozent digitalen Programm e-Residency. Unternehmer auf der ganzen Welt profitieren hierbei von den Maßnahmen einer Regierung, die Anreize für Wachstum und Innovation schafft und einen Pool von Investoren und Partnern erreicht, die ihnen bei der Skalierung helfen. Daher entscheiden sich immer mehr Deutsche dafür, eine e-Residency in Estland zu beantragen. Warum? Und was können wir daraus lernen?

Die aktuelle Situation für Existenzgründer in Deutschland

In Deutschland ist die Gründung eines Start-ups oft ein bürokratischer Marathon. Die Digitalisierung der Verwaltung hinkt hinterher, Gründer müssen sich durch einen wahren Dschungel von Formularen und Vorschriften kämpfen. Das führt oft zu Verzögerungen und erhöht die Hürden beim Zugang zu Risikokapital.

Die Situation hat sich im Zuge der Pandemie noch verschärft, da es auch die Politik angehenden Unternehmern nicht leicht macht, wenn es um die Gründung eines Unternehmens geht. Zudem sind viele Besuche bei Behörden nötig, was zeitaufwendig und teuer ist. Die Bearbeitung von Anträgen dauert oft Monate, während denen Jungunternehmer immer wieder aufgefordert werden, noch mehr Nachweise und Belege einzureichen. Geld verdienen sie in dieser Zeit mit ihrer Geschäftsidee nicht.

Vor einem Jahr hat die Bundesregierung eine neue Start-up-Strategie angekündigt. Doch hat sich dadurch die Situation bei den digitalen Dienstleistungen verbessert?

Die deutsche Start-up-Strategie im Überblick

Im September 2023 wurden die Fortschritte der Start-up-Strategie im Deutschen Bundestag vorgestellt. Offensichtlich ist: Es gibt noch viel zu tun, es geht nur langsam voran. So ist die Zahl der Gründungen deutscher Start-ups das dritte Halbjahr in Folge zurückgegangen.

Während Deutschland sich abmüht, ist das Geschäftsumfeld in Estland schon seit 20 Jahren voll digital.

So macht es Estland: e-Residency

Estland hat die Digitalisierung seiner Verwaltung schon vor Jahren abgeschlossen. Als erste Maßnahme führte das Land eine digitale ID-Karte ein - für seine eigenen Bürger. Mit diesem Ausweis können Esten ihre Steuern und alle anderen behördlichen Angelegenheiten digital erledigen, ohne Anträge ausfüllen oder ein Amt aufsuchen zu müssen. Das Gleiche gilt für alle staatlichen Dienstleistungen, die in Estland angeboten werden.

Im Dezember 2014 wurde dieses Konzept auch auf Nicht-Bürger Estlands übertragen. Jetzt bietet das Land mit seinem e-Residency-Programm eine digitale Identität für Unternehmer weltweit an. Jeder angehende Unternehmer kann damit also ein Unternehmen in der EU gründen - und zwar vollständig online und zu jeder Tageszeit. Die Vorteile liegen auf der Hand: Schnelligkeit, Effizienz und ein direkter Zugang zum EU-Markt.

Auch Unternehmer, die in EU-Ländern leben, profitieren von der e-Residency und den Vorteilen, die sie ihnen bietet. Derzeit gibt es über 108.000 sogenannte e-Residents. Mehr als 7000 von ihnen leben in Deutschland. Damit ist Deutschland das Land mit den meisten E-Residents der Welt.

Stimmen deutscher E-Residenten in Estland

Viele deutsche Gründer, die den Schritt nach Estland gewagt haben, berichten von erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen. "Die Einfachheit des estnischen Systems war für mich ein echter Gamechanger", sagt Sabrina Renz, die eine Beratungsfirma im Bereich Human Resources besitzt. "Als ich in Deutschland ein Unternehmen gründete, musste ich vier Monate lang warten, bis es offiziell registriert war und ich meine Dienstleistungen anbieten konnte. Mit e-Residency of Estonia war meine Firma innerhalb von zwei Wochen startklar."

Luke Seelenbinder, Inhaber eines IT-Beratungsunternehmens, das er als e-Resident in Estland gegründet hat, sagt, ihm gefalle vor allem der innovative Geist, den die estnische Regierung zeige, indem sie die Programme für Unternehmer aus aller Welt anbiete. Er ergänzt: "Es verschafft mir berufliche Freiheit, denn ich kann mein Unternehmen von jedem Ort der Welt aus leiten und vergrößern."

Eine Blaupause für Deutschland

Die estnische e-Residency bietet ein digitales Modell, von dem Deutschland einiges lernen kann, insbesondere wenn es darum geht, Dienstleistungen für Gründer effizient, kostengünstig und benutzerfreundlich anzubieten. Natürlich spielte die Größe Estlands eine wichtige Rolle, als das Land die ID-Card für alle Bürger einführte - Estland hat gerade mal rund 1,3 Millionen Einwohner. Aber jedes Konzept lässt sich skalieren. Die Frage ist also nicht, ob deutsche Gründer von der heimischen Bürokratie frustriert sind, sondern vielmehr, wie schnell Deutschland aufholen kann, um nicht den Anschluss zu verlieren und die eigene Start-up-Community weiter wachsen zu lassen.

Deutschland hat viel Potenzial

Die deutsche Start-up-Landschaft hat zwar viel Potenzial, aber bürokratische Hürden und der Mangel an digitalen Dienstleistungen bremsen ihre Entwicklung. Estlands Programm zeigt, wie es besser und effizienter für alle Beteiligten geht. Deutschland muss aus diesen Erfahrungen lernen und handeln, bevor noch mehr talentierte Gründer in andere Länder abwandern.

Die Zeit für Veränderungen ist jetzt. Estland hat bereits eine Blaupause dafür geschaffen. Es liegt an Deutschland, ob es diesem Beispiel folgen oder weiterhin im digitalen Schatten stehen will.

Die Autorin Katrin Vaga ist Head of PR von e-Residency of Estonia.