Alle wollen grenzenloses Remote-Arbeiten, außer die Regierungen der meisten Länder

Autor: Lydia Kothmeier
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Fernarbeit beweist, dass die Welt noch nicht global ist. Von überall aus zu arbeiten ist der einfache Teil; sich mit Arbeitsgenehmigungen, Versand-Fragen, Zahlungen, Steuern und Versicherungen in der ganzen Welt zu befassen, ist der schwierige Teil – und zwar sowohl auf Seite der Arbeitgebenden als auch der Arbeitnehmenden. Doch trotz der Probleme lohnt sich das Recruiting über die Grenzen hinaus. Aber: Überwiegen die Vorteile den Nachteilen? Und wie kann man den Herausforderungen der internationalen Gesetze effektiv begegnen?

Nicht zuletzt die Covid-19 Pandemie hat gezeigt, dass sich der Arbeitsmarkt verändert. Zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten wird mehr gefordert denn je – sei es von Arbeitnehmenden oder Arbeitgebenden. Die tatsächliche Umsetzung von Remote Work über Ländergrenzen hinweg ist jedoch auf dem Papier leichter als in der Arbeitswelt. Während Prozesse und Strukturen vergleichsweise unkompliziert angepasst werden können, stellen komplexe, rechtliche Anforderungen in den jeweiligen Ländern die größere Herausforderung dar. Konkret lohnt sich für Unternehmen daher zunächst die Frage: Welche Compliance Aspekte gibt es zu beachten?

Andere Länder, andere Sitten

Angefangen bei Arbeitserlaubnissen, müssen Unternehmen die rechtlichen Gegebenheiten individuell für jedes Land prüfen. Sobald die Arbeitsgenehmigung vorhanden ist, warten aber weitere Herausforderungen, die viel Bürokratie und wenig Gestaltungsfreiraum mitbringen. Steuervorgaben, Sozialversicherungen und Arbeitsschutzregelungen unterscheiden sich oft von Land zu Land, insbesondere außerhalb der EU. Bevor also ein Arbeitsverhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeitende aus dem Ausland eingegangen wird, müssen beide Parteien sich mit Fragen zu Probezeiten, verpflichtenden Sozialleistungen und Mindesturlaub auseinandersetzen oder – bestenfalls – bereits auseinandergesetzt haben.

Da die Anforderungen und Informationen zu internationalen Arbeitsbedingungen sehr vielfältig und komplex oder zum Teil auch schwer zugänglich sind, empfiehlt sich eine Employer of Record-Lösung. Diese ermöglicht Unternehmen, Mitarbeitende weltweit einzustellen, ohne dafür Niederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen und verantwortet zudem Personalprozesse. Ab einer gewissen Größe können EOR-Lösungen jedoch sehr kostspielig werden. Deshalb müssen Unternehmen abwägen, inwiefern sich der Einsatz der finanziellen Ressourcen für den grenzübergreifenden Zugang zu qualifizierten Mitarbeitenden lohnt. Und erst, wenn sichergestellt wurde, dass alle rechtlichen Bedingungen erfüllt werden können, folgt der nächste Punkt auf der Agenda: Mitarbeitende weltweit mit dem richtigen aber auch sicherem Equipment ausstatten.

Einheitliches Equipment überall – aber bitte nur mit sicheren Daten

Um ihrer Tätigkeit – zumindest technisch – überhaupt erst nachgehen zu können, benötigen Arbeitnehmende die nötige Ausstattung. Laptops, Smartphones und alle weiteren erforderlichen Endgeräte müssen dementsprechend an Orte auf der ganzen Welt verschickt werden. Als weniger problematisch erweisen sich dabei Lieferungen in die USA, EU oder UK. Der Versand in Drittstaaten hingegen ist aufgrund von hohen Zöllen und damit verbundenen Auflagen oft mit hohem logistischem Aufwand verbunden. Um Lieferungen auf globaler Ebene zu vereinfachen und zu automatisieren, bieten sich auf dem Markt verschiedene Software-Lösungen an.

Als weitere Herausforderung kommt die Sicherheit der Daten hinzu, mit denen Arbeitnehmende und Arbeitgebende von überall aus arbeiten. Anders als bei einem festen Bürostandort mit stationären Computern, lassen sich Daten in remote-first Unternehmen nur schwer überwachen. Um die Datensicherheit trotzdem zu gewährleisten, setzen an dieser Stelle Mobile-Device-Management-Systeme an. Damit werden Computerdaten unabhängig von Zeit und Ort sicher verwaltet – auch bei Offboarding-Prozessen. Sind die Mitarbeitenden erst einmal ausgestattet, die Daten gesichert und die Arbeit erledigt, stehen Gehaltszahlungen an.

Die nächste Herausforderung: Währungen weltweit

Sobald Arbeitnehmende von unterschiedlichen Ländern aus arbeiten, bedeutet das für Unternehmen häufig, die Gehälter in lokalen Währungen auszuzahlen. Damit sind gleichzeitig Wechselkursrisiken und hohe Spesen verbunden. Ein Lösungsansatz, um Spesen zu reduzieren, stellt die aktive Zusammenarbeit mit Banken dar. Insbesondere moderne Online-Banken wie Revolut, Wise, n24 bieten den zusätzlichen Vorteil, Überweisungen mit verringerten Wechselkursrisiken zu tätigen. Doch neben der rechtmäßigen Bezahlung von Gehältern sehen sich viele Unternehmen mit einer weiteren Schwierigkeit konfrontiert: Alle Mitarbeitenden gleich zu behandeln.

Gleichbehandlung vs. Gesetze

Arbeitskräfte in der ganzen Welt einzustellen, hat zur Folge, dass für diese unterschiedliche Gesetze gelten. Auch wenn Unternehmen den Anspruch haben, alle Mitarbeitenden gleich zu behandeln, stoßen sie spätestens bei dem Thema Urlaubs- und Feiertage an ihre Grenzen. Die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage ist in jedem Land individuell festgelegt. Auch die gesetzlichen Feiertage unterscheiden sich von Land zu Land. Hinzu kommen Ausnahmen, in denen Länder zu besonderem Anlass zusätzliche Feiertage vergeben, wie beispielsweise am Todestag von Queen Elizabeth in den UK. Außerdem werden Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, in manchen Ländern laut Gesetz mit einem Urlaubstag ausgeglichen oder sogenannte ‘Floating Holidays’ vergeben, an die sich gehalten werden muss. Und Zuschläge, zum Beispiel für Nacht- oder Wochenendarbeit, variieren ebenfalls. Da nicht alle Länder einheitliche Regelungen haben, sind Unternehmen also gezwungen, eine gerechte Lösung unter Einhaltung aller Gesetze zu finden. Ein Lösungsansatz hierfür sind beispielsweise individuelle Benefits für alle Mitarbeitende, damit ungleiche Gesetze kompensiert werden. Und obwohl eine Reihe von Schwierigkeiten auf remote-first Unternehmen zukommen, weist Fernarbeit trotzdem zentrale Vorteile auf.

Wo Herausforderungen liegen, warten auch Chancen

In Zeiten von Fachkräftemangel ermöglicht es Remote Work, qualifizierte Mitarbeitende auf der ganzen Welt zu finden. Die Suche nach Personal muss nicht mehr nur auf ein Land oder eine Stadt, in der Unternehmen sitzen, beschränkt werden, sondern kann international ausgedehnt werden. Auf der anderen Seite haben Arbeitnehmende, die aufgrund ihrer familiären Situation oder anderer Ursachen ortsgebunden sind, genauso die Möglichkeit, ein passendes Unternehmen zu finden.

Zudem wirkt sich ein internationales Team vor allem auf global agierende Unternehmen positiv aus. Multikulturelle Teams, die unterschiedliche Zeitzonen abdecken und verschiedene Sprachen sprechen, können wegen ihrer unterschiedlichen Hintergründe wertvollen Input liefern, da sie selbst unterschiedliche Zielgruppen darstellen – und davon profitieren Unternehmen auf wirtschaftlicher sowie Mitarbeitende auf persönlicher Ebene.

Da das Thema Work-Life-Balance innerhalb des aktuellen gesellschaftlichen Wandels immer mehr an Bedeutung gewinnt, schafft Fernarbeit einen weiteren Vorteil: Flexibles Arbeiten unabhängig von Zeit und Ort. Mitarbeitende sparen sich beispielsweise den Weg zur Arbeit und können sich Arbeitszeiten selbst einteilen. Und Unternehmen gewinnen an Attraktivität, während sie geeignetes Personal weltweit finden können.

Fazit: Nicht alles auf einmal und schon ist Remote Work möglich

Auch wenn internationale Länder und Gesetze viele Hürden für Remote-Arbeit darstellen, liegen darin große Chancen, mit denen sich Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Dabei können durchaus Kompromisse eingegangen werden, indem das Recruiting zunächst in spezifische Länder oder Ländergruppen, wie zum Beispiel innerhalb der EU, erweitert wird. Wichtig ist letzten Endes, eine Balance zwischen eingesetzten Ressourcen und daraus resultierenden Benefits zu finden – sodass letztendlich das “friendly” in remote-friendly in den Vordergrund rückt und das Unternehmen noch attraktiver macht.

Die Autorin Lydia Kothmeier ist VP of Operations bei Storyblok, Anbieter eines Headless Content Management System (Headless CMS). Mit Hintergrund- und Fachwissen aus M&A, Financial Planning & Analysis, People Management sowie Erfahrung als Business Consultant und als Prokuristin, kann Lydia heute umso mehr Kenntnisse in ihrer Tätigkeit anwenden.

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Der Beteiligungsvertrag

Recht für Gründer*innen: Wir zeigen die wesentlichen Themen und Standards eines Beteiligungsvertrags.

Soweit Investor*innen im Rahmen einer Finanzierungsrunde Eigenkapital zur Verfügung stellen, werden die Terms üblicherweise im Rahmen eines Beteiligungsvertrages vereinbart. Strukturell umfasst ein Beteiligungsvertrag eine Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung (Investment and Shareholders Agreement). Die Beteiligungsvereinbarung beinhaltet die Struktur und die Konditionen des Investments, wohingegen die Gesellschaftervereinbarung die gegenseitigen Rechte und Pflichten der künftigen Gesellschafter*innen sowie das Verhältnis zur Gesellschaft definiert.

Beteiligungsvereinbarung

Regelmäßig werden die durch die Investor*innen zu übernehmenden Geschäftsanteile im Rahmen einer Bar-Kapitalerhöhung neu ausgegeben. Die Beteiligungsvereinbarung beinhaltet die wesentlichen Konditionen der Beteiligung und der hierfür zu erbringenden Gegenleistung ausgehend von der (im Rahmen eines Cap Table) festgelegten Pre-Money-Bewertung.

Die Gegenleistung der Investor*innen besteht zunächst aus dem unmittelbar zu leistenden Nominalwert. Als weitere Leistungen werden Zuzahlungen in die Kapitalrücklage der Gesellschaft gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, die Einbringung von Darlehensforderungen (soweit Wandeldarlehen gewandelt werden sollen), Sachleistungen (häufig bei strategischen Investor*innen) oder sonstige Leistungen vereinbart. Die Leistungspflichten können hierbei von sog. Milestones abhängig sein, mithin von bestimmten durch das Start-up zu erreichenden Zielen. Zur Vermeidung von Konflikten sind eine klare Beschreibung der Ziele und ein Konfliktlösungsmechanismus sinnvoll. Aus Sicht der Gründenden, aber auch der weiteren Gesellschafter*innen, ist ferner ein Mechanismus wichtig für den Fall, dass ein Investor seine Leistungsverpflichtung nicht (vollständig) erfüllt. Eine solche Investor-Default-Klausel sieht regelmäßig die Rückübertragung der übernommenen Anteile durch den betroffenen Investor für den Fall seiner Nichtleistung vor.

Beteiligungsvereinbarungen enthalten zudem regelmäßig eine Verwässerungsschutzklausel. Diese räumt den Investor*innen das Recht ein, weitere neu auszugebende Geschäftsanteile zum Nominalwert zu übernehmen, falls in einer späteren Finanzierungsrunde Anteile an der Gesellschaft zu einem geringeren Anteilspreis als dem der gegenwärtigen Finanzierungsrunde ausgegeben werden (sog. Downround). Die Anzahl der zusätzlich auszugebenden Geschäftsanteile berechnet sich auf Grundlage der Ausgabepreise der betreffenden Finanzierungsrunden.

Häufig wird eine Weighted-­Average-Betrachtung vereinbart, bei der der gewichtete Durchschnittspreis aus dem Anteilspreis der Downround und der ursprünglichen Finanzierungsrunde gebildet wird. Die Investor*innen werden nachträglich so gestellt, als hätten sie zwar nicht zum

Anteilspreis der Downround gezeichnet (dies wäre ein recht investorenfreundlicher Full-Ratchet-Verwässerungsschutz), aber zu dem entsprechend definierten Durchschnittspreis.

Wichtig in der Beteiligungsvereinbarung sind ferner die dort beinhalteten Garantieregelungen und deren Rechtsfolgen. Hierbei zu unterscheiden sind sog. Title-Garantien, die insbesondere das Bestehen des gesellschaftsrechtlichen Status der Gesellschaft und der Geschäftsanteile betreffen, von den Business- und/oder Company-Garantien, die den (auch operativen) Status der Gesellschaft umfassen. Abhängig vom Zuschnitt des Geschäftsbetriebs und dem Sicherungsinteresse des/der Investor*in werden die operativen Themen häufig umfassend in einem Garantiekatalog abgebildet. Im Gegensatz zu Exit-Transaktionen sind Freistellungen für Themen aus einer Due Diligence grundsätzlich nicht gebräuchlich, hier können aber sog. Post-Closing-­Conditions verlangt sein, durch die den Gründenden Pflichten nach Signing auferlegt werden, um bestehende rechtliche Themen zu lösen.

Gebräuchlich sind Haftungs-Cap, etwa in Höhe des Gesamtinvestments des/der betreffenden Investor*in und/oder der betreffenden Finanzierungsrunde. Für die persönliche Haftung der Gründenden (soweit etwa bei einem Early-Stage-Investment vereinbart) wird häufig auf einen Cap in der Größenordnung eines Jahresgehalts der Gründenden zurückgegriffen. Die beste Absicherung der Gründenden ist jedoch eine gewissenhafte Offen­legung der Themen gegenüber dem/der Investor*in, da die Kenntnis der Investor*innen von einem Sachverhalt einen Garantieverstoß auf dieser Grundlage ausschließt. Im Sinne der Vermeidung von Konflikten empfiehlt es sich, die Art der Offenlegung in der Beteiligungsvereinbarung zu referenzieren, etwa unter Bezugnahme auf den dokumentierten Status eines Datenraums.

Gesellschaftervereinbarung

Die Gesellschaftervereinbarung regelt im Wesentlichen die Rechte und Pflichten der Gesellschafter*innen untereinander und gegenüber der Gesellschaft. Regelmäßig unterliegen die Geschäftsanteile bestimmten Verfügungsbeschränkungen, die festlegen, ob und in welchem Umfang diese übertragen und/oder belastet werden dürfen. Die Gründenden werden häufig für einen definierten Zeitraum generell daran gehindert sein, über ihre Anteile ohne Zustimmung der Investor*innen zu verfügen (sog. Lock Up). Üblich ist zudem die Vereinbarung eines Vorerwerbsrechtes (Right of First Refusal) und eines Mitverkaufsrechts (Tag-Along). Umgekehrt sind (Minderheits-)Gesellschafter*innen beim Vorliegen bestimmter weiterer Bedingungen auf Verlangen regelmäßig verpflichtet, ihre Beteiligung an einen Dritten mitzuver­äußern (Mitverkaufspflicht bzw. Drag-Along).

Mittels der sog. Liquidationspräferenz (Liquidation Preference) erhalten die Investor*innen im Rahmen eines Erlösereignisses, insbesondere eines Exits, vorrangig ihre Investitionssumme. Marktüblich ist hier derzeit ein Vorzug in Höhe des 1,0-Fachen des getätigten Investments. Verbleibende Erlöse werden anteilig auf alle Gesellschafter*innen verteilt, wobei sich die Investoren den Erlösvorzug anrechnen lassen müssen (Non-Participating-Liquida­tion-Preference).

Für Gründende wesentlich ist die Regelung zum Vesting. Diese legt fest, welche Konsequenzen das Ausscheiden eines Gründenden aus seiner Tätigkeit bei der Gesellschaft auf seine Beteiligung hat. Anknüpfend an ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis (i.d.R. Geschäftsführeranstellungsvertrag) werden bestimmte Ausscheidensszenarien in sogenannte Good-Leaver- und Bad-Leaver-Fälle aufgeteilt. Da das selbstverschuldete Ausscheiden eines Gründenden sanktioniert werden soll, muss dieser in Bad-Leaver-Fällen (i.d.R. Kündigung durch die Gesellschaft aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB; Straftaten gegenüber der Gesellschaft) sämtliche Anteile zum Nominalwert abgeben. In Good-Leaver-­Fällen wird er, abhängig von der Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft, einen Teil seiner Anteile behalten dürften (die „gevesteten“ Anteile). Mitunter sind diese treuhänderisch auf einen anderen Gesellschafter zu übertragen.

Ferner werden in der Gesellschaftervereinbarung Regelungen zur Corporate Governance und zum Wettbewerbsverbot enthalten sein. Mitsprache- und Informa­tionsrechte stellen ­sicher, dass die Investor*innen bzw. die Investor*innenmehrheit bei bestimmten Grundsatzentscheidungen, ein Mitspracherecht erhält. Üblich sind Zustimmungsvorbehalte, im Einzelfall die Einrichtung eines Beirats und regelmäßig die Verabschiedung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung.

Fazit

Ein Beteiligungsvertrag beinhaltet überwiegend Standard­regelungen, wobei sich im Detail gründer*innen-/oder investor*innenfreundliche Ausgestaltungen zeigen. Bei den Verhandlungen über die Ausgestaltung dieser Regelungen ist im Einzelfall ein Ausgleich zu finden zwischen dem (Sicherungs-)Interesse der Investor*innen und den Interessen der Gründenden.

Die Autoren:
Alexander Weber, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in München.
Roman Ettl-Steger, LL.M. (King’s College London) ist Senior Associate im Bereich Venture Capital am Münchner Standort derselben Kanzlei, www.heuking.de

Wie wehre ich mich gegen Diskriminierung?

Diskriminierung hat viele Gesichter – der Zeitgeist ist für Betroffene günstig, um sich zu wehren. Welche Rechte haben Betroffene und was können sie tun?

Die Zeiten sind vorbei, in denen Diskriminierung am Arbeitsplatz achselzuckend hingenommen wurde. Mit dem 2006 in Kraft getretenem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches das vorherige Beschäftigtenschutzgesetz ablöste, hat der Gesetzgeber Fakten geschaffen und eine Rechtsgrundlage hergestellt, auf deren Basis sich Betroffene gegen Diskriminierung wehren können.

Wie wird Diskriminierung definiert?

Eine Diskriminierung ist eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale. Das AGG, das auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt ist, erhebt den Anspruch, dass niemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechtes, Alters, seiner sexuellen Identität, Behinderung, Weltanschauung und Religion benachteiligt werden darf.

Die Chancen- und Entfaltungsfreiheit im Berufsleben gilt damit uneingeschränkt.

Eine Erweiterung des AGG wurde Anfang 2019 verabschiedet. Stellenanzeigen müssen jetzt so gestaltet sein, dass sie sich in ihrer Ansprache gleichermaßen an männliche, weibliche und diverse Personen (m/w/d) richten.

Anwälte helfen

Betroffene von Diskriminierung am Arbeitsplatz profitieren von einer erleichterten Beweisführung, die es ihnen ermöglicht, sich gegen Ungleichbehandlung zu wehren. So können schon Indizien wie die Einladung einer einzigen Frau in der zweiten Bewerbungsrunde, die Ablehnung eines Vorstellungsgesprächs bei einer Behinderung oder ein deutlich geringeres Gehalt für eine Frau gegenüber einem Mann in derselben Position dazu führen, dass man Recht erhält.

Hinzu kommt, dass Kanzleien wie rightmart längst für das Thema sensibilisiert sind und ihre Expertise als Rechtsbeistand gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz erheblich erweitern konnten. Betroffene sollten sich nicht scheuen, sich professionelle Unterstützung zu holen, wenn sich das Problem sonst nicht lösen lässt.

Ansprüche von Betroffenen

Durch das AGG sind Arbeitgeber in der Pflicht, jegliche Diskriminierung im Betrieb sofort zu unterbinden und bei Kenntnisnahme gegen diese vorzugehen. Betroffene können erwirken, dass Diskriminierung, zu der im Betriebsalltag ebenso Mobbing gehört, sofort aufgehoben wird.

Ferner haben sie in begründeten Fällen Anspruch auf Schadensersatz und Abfindungen, zum Beispiel, wenn sie aufgrund einer Diskriminierung die gewünschte Stelle nicht erhalten haben oder wenn Personen mit Migrationshintergrund das Nachsehen haben, weil nur Muttersprachler erwünscht sind. Eine solche Einschränkung ist nach dem AGG in der Stellenausschreibung inzwischen verboten.

Der Gender Gap bleibt Realität

Dass Frauen und Männer im Arbeitsleben gleichgestellt sind, ist heute selbstverständlich. Nicht selbstverständlich sind hingegen die Auswirkungen tradierter Vorurteile, denn noch immer liegt der Gender Pay Gap in Deutschland bei 18 %, wenngleich sich die Schere von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiter schließt.

Oft sind sich Arbeitgeber einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung gar nicht bewusst, was sich mit Erkenntnissen moderner Hirnforschung deckt, nach denen 90 % aller menschlichen Entscheidungen auf unbewussten Faktoren basieren.

Welche Rechte haben Frauen?

Frauen, die gegenüber ihren männlichen Kollegen deutlich weniger verdienen, obwohl sie dieselbe Position bekleiden, haben laut dem Experten-Team der Kanzlei rightmart gute Aussicht auf Erfolg. So gab das Bundesarbeitsgesetz der Klage einer Betroffenen statt und entschied, dass sich nach $ 22 AGG die gleiche Qualifikation und dasselbe Aufgabenfeld in der Bezahlung widerspiegeln müssen.

Schwangere Frauen dürfen des Weiteren nicht aufgrund ihrer Schwangerschaft benachteiligt werden. Eine entsprechende Frage im Vorstellungsgespräch ist unzulässig und bei einer Schwangerschaft genießen Beschäftigte einen erweiterten Kündigungsschutz sowie einen Schutz vor Einkommensminderung.

Eine Einstellung nach Geschlecht ist ferner nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig, wenn „das Geschlecht aufgrund der Art der Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung” darstellt ($ 8 AGG). Typische Beispiele sind Erzieherinnen im Mädchenpensionat und die Anstellung als Frauenärztin in einer Praxis für Frauen.

Gescheitert war ein Mädchen nach einer von ihrer Mutter unterstützten Anzeige mit ihrem Gesuch, in einem Knabenchor Aufnahme zu finden.

Der Zeitgeist ist günstig für Diskriminierungsopfer

Das AGG ist mit Blick auf den Rechtsschutz bei Diskriminierung sehr weitgehend und auch äußerst fortschrittlich, wenn man sich die dem Menschen innewohnende Neigung zur Homogenität und Konformität vergegenwärtigt. Diese Tendenz weist zugleich auf das Problem eines starken Beharrungsvermögens von patriarchalischen und anderen atavistischen Strukturen hin, zumal eine reaktionäre Gegenbewegung viele Fortschritte wieder zunichtemachen könnte.

Überwunden werden können unterdrückerische Strukturen nur, wenn sich Betroffene bei solchen Konflikten konsequent wehren, um eine Kultur zu schaffen, in der die Gleichberechtigung für alle uneingeschränkte Realität ist.

Datenschutz ab der 1. Start-up-Stunde

Wie lästig anmutender Datenschutz zum echten Wettbewerbsvorteil wird.

Die meisten Gründer*innen denken bei Datenschutz erstmal an Cookie-Banner und Einwilligungen zur Datenerhebung. Dabei steckt viel mehr dahinter. So richtig erfolgreich werden Datenschutzpraktiken erst, wenn jedes Teammitglied auch an die Bedeutsamkeit und Notwendigkeit einer datenschutzfreundlichen Organisation glaubt. Gerade beim Aufbau eines neuen Unternehmens ist es deshalb wichtig, dass das Managementteam eine Vorbildfunktion einnimmt, wenn es um den Datenschutz geht. So wird auch für die Mitarbeitenden deutlich, wie überzeugt die Führungsriege von der Bedeutung des Datenschutzes ist. Im besten Fall zieht dann das ganze Team bei diesem komplexen Thema mit. Und das bringt eine Menge Vorteile mit sich:

  • Konform mit allen Regulierungen: Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist seit einigen Jahren offiziell das gesetzliche Schutzschild der Privatsphäre europäischer Nutzer*innen. Auch in den USA gilt inzwischen der California Consumer Privacy Act (CCPA), der Datenschutzrechte und den Verbraucher*innenschutz in Kalifornien verbessert. Inzwischen gibt es Absprachen, die Bürger*innen aus Europa und den USA gleichermaßen schützen sollen. Es ist also eine rationale und rechtssichere Entscheidung, mit den wachsenden und sich ändernden Datenschutzbestimmungen Schritt zu halten.
  • Niemand traut einem Datendealer: Datenkraken werden meist nur deshalb genutzt, weil ihre Verwendung so weitverbreitet ist. Man denke an die großen Messenger oder sozialen Netzwerke. Da sticht der Netzwerkeffekt die Datenschutzbedenken aus. Ansonsten gilt aber: Je weniger Daten ein Unternehmen von den Nutzer*innen sammelt, desto weniger Daten können missbraucht werden. Gerade bei Start-ups können ein Leak und der damit verbundene Reputationsverlust das Unternehmen massiv schädigen. Kommuniziert das gesamte Team jedoch das Bewusstsein für den Datenschutz klar und deutlich, gewinnt das Unternehmen eine der wichtigsten Währungen beim Markenaufbau: Vertrauen.
  • Datenschutz als soziale Verantwortung: Der Schutz der Privatsphäre ist ein Gesellschaftsthema: Die vielen Skandale von den Snowden-Leaks bis hin zu Cambridge Analy­tica haben gezeigt, wie Daten wirklich missbraucht werden. Sich von solchen Praktiken abzugrenzen, zeugt von einem klaren moralischen Kompass und ist zugleich ein valides Arbeitgeber*innenargument am umkämpften Arbeitsmarkt.

Datenschutz zum Führungsthema machen

Datenschutz hat somit zahlreiche Qualitäten, die Gründer*innen in Betracht ziehen sollten. Nachfolgend ein paar Tipps und Denkanstöße, wie man dem Thema im Unternehmen Priorität einräumen kann.

Authentizität

Gründer*innen können ein datenschutzbewusstes Team nur dann fördern, wenn sie selbst Einsatz zeigen. Kommunizieren Gründer*innen an ihre Teams, dass sie sich persönlich für den Datenschutz einsetzen, fördert das die interne Akzeptanz. Gab es vielleicht einen Aha-Moment, den Gründer*innen im Team-Meeting teilen könnten? Wie stehen die Gründer*innen beispielsweise zu Tracking und Anzeigen, die sie über mehrere Websites hinweg verfolgen? Nutzen sie selbst Browser-­Add-ons mit „Do-not-Track“-Funktion oder Cookie-Blocker? Solche persönlichen Erfahrungen und Einstellung bewegen andere oft dazu, sich bewusster mit dem Thema Datenschutz auseinanderzusetzen. Auch informelle Formate wie ein gemeinsamer Filmabend mit dem Team können Diskussion entfachen – z.B. mit dem Dokumentarfilm „Das Dilemma mit den sozialen Medien“.

Transparenz

Es ist wichtig, das ganze Team auf der Reise zu mehr Datenschutz mitzunehmen und transparent alle Bemühungen, Erfolge und Herausforderungen zu teilen. Wenn es beispielsweise zu einem Datenschutzverstoß kommt, sollte dies das Führungsteam intern rechtzeitig kommunizieren. Aber auch in der Kommunikation nach außen ist Transparenz gefragt: So sollten etwa Datenpannen offen an Benutzer*innen und Partner*innen kommuniziert werden; am besten, bevor etwas schiefgegangen ist.

Generell ist es wichtig, offen und ehrlich in Bezug auf alle erhobenen Daten zu sein, die vorübergehend verwendet, gespeichert oder an andere weitergeben werden. Es stärkt das Vertrauen, wenn Firmen offen erklären, warum welche Daten erhoben und zu welchem Zeitpunkt diese wieder gelöscht werden. Gleichzeitig ist das auch für die Mitarbeitenden eine gute, verbindliche Richtlinie

Verantwortungsvolle Technologien unterstützen

Start-ups haben im Gründungsprozess noch die Wahl, welche Kommunikations-, Zahlungs- und Abwicklungsplattformen und andere Technologien sie für den Einsatz im Unternehmen verwenden. Daher ist die Wahl der Technologieanbieter mit Sorgfalt zu treffen. Meist sind europäische Unternehmen gegenüber US-amerikanischen im Vorteil, da sie der DSGVO unterliegen und näher an den Marktanforderungen sind.

Wandel im Team

Im Tagesgeschäft sind es die Mitarbeiter*innen, die Datenschutzmaßnahmen umsetzen. So fördern etwa interne Datenschutzbeauftragte das Bewusstsein innerhalb eines Unternehmens, sind Expert*innen und Anlaufstelle für ihre Teammitglieder und entwickeln mit der Zeit ein gestärktes Verantwortungsgefühl für das Thema. Um Datenschutz in der Unternehmenskultur zu verankern, können Unternehmen Best Practices für das Tagesgeschäft etablieren. Alltägliche Praktiken wie Zoom-Anrufe sind ein guter Ansatzpunkt: Es ist eine einfache Geste, den Mitarbeiter*innen die Wahl zu lassen, ob sie mit oder ohne Kamera an Meetings teilnehmen. Auch können Gründer*innen auf datensichere Suchmaschinenalternativen hinweisen, Browsererweiterungen empfehlen oder Richtlinien im Umgang mit sozialen Medien anstoßen.

Denkanstöße für alle Unternehmensbereiche

Start-ups und kleinere Unternehmen haben häufig keinen Chief Information Security Officer (CISO), also eine Person, die für die gesamte IT-Sicherheit im Unternehmen verantwortlich ist. Für Start-ups empfiehlt es sich für den Anfang, folgende drei Abteilungen unter die Lupe zu nehmen:

  • Marketing: Marketingexpert*innen setzen oft auf verhaltensorientiertes Targeting. Für sie sind alle Daten, die potenzielle Kund*innen im Internet preisgeben, ein Datenschatz, um gezielt Werbung auszuspielen. Dabei gibt es durchaus erprobte Alternativen. Das Marketingteam kann viele enger mit dem Feedback echter Kund*innen arbeiten und so auf deren direkte Wünsche eingehen – statt abstrakte Daten zu analysieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Umstellung von verhaltensbasiertem auf kontextbasiertes Marketing. Eine weltweite Umfrage zeigt: 69 Prozent der Verbraucher*innen sind eher bereit, sich auf Werbung einzulassen, die auf dem Kontext des besuchten Seiteninhalts beruht.
  • Produktentwicklung: Produktentwickler*innen und -verantwortliche sind normalerweise darauf trainiert, so viele Daten wie möglich über das Nutzer*innenverhalten zu sammeln. Ein Denkansatz für sie ist, zu hinterfragen, ob es nicht einen diskreten, datenschutzbewussten Weg gibt, um an der Produktoptimierung zu arbeiten. Eine Möglichkeit sind häufigere Iterationszyklen und Besprechungen im Team sowie mit potenziellen Kund*innen. Eigentlich eine wichtige Grundlage im Design-Thinking-Ansatz. Ein positiver Nebeneffekt: Die vielen Feedbackschleifen führen zu unkonventionellen Lösungen, geben jedem Teammitglied mehr Raum, kreativ zu werden und sich einzubringen – und stärken so das Teamgefüge.
  • Kundensupport: Dieses Team verfügt über viele Informationen, um einen personalisierten Service zu bieten. Aber auch dieses Team sollte sorgfältig abwägen, welche persönlichen Informationen gesammelt werden sollten. Getreu dem Motto: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Fazit

Es zeigt sich: Datenschutz spielt nicht nur in Sachen Rechtssicherheit eine entscheidende Rolle. Der Umgang mit Daten ist eine Frage der Unternehmenskultur, der viele Vorteile mit sich bringen kann. Dabei müssen besonders die Gründer*innen ihr Engagement bei dem Thema vorleben. Denn Datenschutz ist oft nicht die einfachste Lösung, aber eine langfristige Verpflichtung, die auf lange Sicht Früchte trägt. Ein vorbildlicher Umgang mit Daten schafft Vertrauen, zeigt einen stabilen Wertekompass und schützt vor Strafen und Reputationsverlust. So entwickelt sich Datenschutz, sofern alle Teams an Bord sind, von einem bürokratischen Aufwand zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

Der Autor Robert E.G. Beens ist Mitgründer und CEO der datensicheren Suchmaschine Startpage sowie Experte und Verfechter des Datenschutzes.

Neues Urteil: Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland Pflicht

Arbeitgebende sind ab sofort dazu verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit registriert werden kann. Was bedeutet das für Vertrauensarbeitszeit, Überstunden und die Art und Weise der Zeiterfassung? Hier gibt’s die Antworten.

Egal ob online, per Excel-Liste oder auf einem Blatt Papier: Um die geleistete Arbeitszeit von Mitarbeitenden zu erfassen, sind alle erwähnten Szenarien möglich. Doch zumindest in Deutschland gab es rechtlich bisher noch keine klare Regelung zur Zeiterfassung in den Betrieben, geschweige denn eine Pflicht, diese überhaupt zu dokumentieren. So haben Beschäftigte hierzulande sogar im Pandemie-Jahr 2020 fast 1,7 Milliarden Überstunden angehäuft, wovon insgesamt nur drei Prozent ausbezahlt wurden.

Eine systematische Zeiterfassung kann dabei helfen, dieses Problem langfristig zu lösen. Denn: Als Arbeitgeber*in ist man generell dazu verpflichtet, die Überstunden seiner Fachkräfte auszugleichen. Das kann entweder in Form von Gehalt oder als Freizeitausgleich abgehandelt werden.

Mit dem Grundsatzurteil 1 ABR 22/21 vom BAG (Bundesarbeitsgericht) vom 13. September 2022 soll sowohl für Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende Klarheit in die Erfassung gebracht werden. Denn Arbeitgebende sind nun dazu verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit registriert werden kann. Dabei müssen nicht nur die Arbeitszeiten, die über 8 Stunden pro Arbeitstag hinausgehen, sowie die gesamte Sonn- und Feiertagsarbeit erfasst werden, wie es nach dem bisherigen geschriebenen Recht der Fall war. Arbeitgeber*innen müssen nun generell Beginn und Ende sowie die Gesamtdauer der täglichen Arbeitszeit und der Arbeitspausen aller Arbeitnehmer*innen aufzeichnen. Dies gilt unabhängig davon, ob jemand im Büro, in der Fabrikhalle, von zu Hause oder remote arbeitet.

Begründet wird diese Pflicht mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019. Nach dem deutschen Arbeitsrecht mussten bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht jedoch die gesamte Arbeitszeit. Florian Berr, Vice President DACH der Personalplanungssoftware Planday, erklärt, worauf Unternehmen nun achten müssen.

Das ändert sich ab sofort

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ließ ganze Branchen schon vor drei Jahren in den EU-Mitgliedsstaaten aufhorchen. Denn laut Urteil müssen Mitgliedstaaten die Arbeitgeber ihres Landes „verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmenden (Anm. d. Red.) geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“. Doch setzte der EuGH den Mitgliedstaaten bisher keine Frist. Der Bundesgerichtshof macht nun Nägel mit Köpfen. Nun ist klar, dass hierzulande ab sofort eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Die Entscheidung betrifft Arbeitgebende daher deutschlandweit, in allen Betrieben und gilt für alle Beschäftigten. Die Arbeitszeiterfassung wird dabei insbesondere auch als ein Element zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten gesehen. Wie die praktische Umsetzung des Urteils erfolgt, ist momentan noch ungewiss. Denn Vorgaben dazu, wie die Zeiterfassung erfolgen muss, hat weder der EuGH noch das BAG gemacht. Hier gibt es also bisher Gestaltungsspielraum. Nichtsdestotrotz gilt nach der Rechtsprechung nun offiziell die Pflicht dazu.

Vertrauensarbeitszeiten vor dem Aus? Nein, aber:

Auch Arbeitgeber*innen, die bisher auf Vertrauensarbeitszeiten setzten, sind ab sofort dazu verpflichtet, ein solches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Vertrauensarbeitszeit ist dann nur so zu verstehen, dass die Zeiterfassung nicht zum Zwecke der Kontrolle, ob jemand "genug" gearbeitet hat, sondern nur zur Kontrolle der Einhaltung der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) erfolgt. Es wird also auch weiterhin darauf vertraut, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit selbst gestalten dürfen und man nicht kontrolliert, ob diese angemessen ist oder die vereinbarten Stunden gearbeitet werden.

Was heißt das nun für Unternehmen?

Die Arbeitszeiterfassung ist jedoch nicht erst seit Verkündung dieses Grundsatzurteils oder aber des EuGH-Urteils ein eigentlich notwendiger Bestandteil insbesondere der Branchen, in der Mitarbeiter*innen häufig nach Stunden bezahlt werden, wie in der Gastronomie oder Hotellerie. Ein wichtiger Punkt in der Gesetzesänderung dreht sich nun jedoch um das Tracken der erbrachten Stunden zur leichteren Nachvollziehbarkeit. Hierbei soll es zuständigen Behörden eben beispielsweise durch den Einsatz digitaler Tools ermöglicht werden, die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte besser zu schützen. Denn generell haben Arbeitnehmer*innen schon jetzt das Recht, die geleisteten Stunden auch selbst zu erfassen und die entsprechende Vergütung dafür einzufordern. Digitale Tools schaffen hierbei Transparenz für alle Beteiligten und verhindern, dass eine der beiden Parteien bei den Stundennachweisen in Erklärungsnot gerät. Eine Zeiterfassungspflicht kann also für viele Branchen bedeuten, dass weniger Konfliktpotenzial besteht und Mitarbeitende durch ihre Selbstkontrolle motivierter und selbstbestimmter werden. Denn wenn sowohl Überstunden als auch Fehlzeiten oder Pausen nachvollziehbarer sind, kann mit noch mehr Fairness und auf Augenhöhe kommuniziert werden.

Das neue Arbeitszeiterfassungssystem kann dabei sowohl ein elektronisches Erfassungssystem (z.B. Personalverwaltungssoftware) als auch eine Selbstaufzeichnung durch die Arbeitnehmer*innen (z.B. in einer Excel-Tabelle) sein. Zudem kann die Verpflichtung zur Zeiterfassung an die Mitarbeitenden delegiert werden. Wichtig jedoch: Arbeitgeber*innen müssen sich die Aufzeichnungen beispielsweise am Ende jeder Arbeitswoche aushändigen lassen und diese zumindest regelmäßig stichprobenartig im Hinblick auf Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) überprüfen.

Ab wann droht ein Bußgeld?

Ein Verstoß gegen diese Zeiterfassungspflicht kann nur dann mit einem Bußgeld geahndet werden, wenn Arbeitgeber*innen nicht mindestens alle Arbeitsstunden, die über 8 Stunden pro Arbeitstag hinausgehen, sowie eben alle Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen aufzeichnen. Nur eine solche Verpflichtung sowie die Sonderregelungen für beispielsweise geringfügig Beschäftigte sind in einem schriftlichen Gesetz verankert und werden mit einer spezifischen Sanktion in Form eines Bußgeldes geahndet (Grundregel: 1.600 Euro pro Fall und Arbeitnehmer*in, höhere Bußgelder bei Verstößen gegen die Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte). Die "neue", noch weitergehende Aufzeichnungspflicht für alle Arbeitnehmer*innen gilt nun, kann aber derzeit nicht sanktioniert werden. Ob die Kontrolldichte der Behörden zunehmen wird, lässt sich zudem nicht mit Sicherheit sagen. Unternehmen tun jedoch aufgrund der aktuell großen Aufmerksamkeit gut daran, sich mit dem Thema aktiv zu beschäftigen.

Wichtig auch: Bisher ist nur die Pressemitteilung zu der Entscheidung veröffentlicht worden, so dass möglicherweise eine Neubewertung erforderlich sein wird, sobald die vollständige Begründung der Entscheidung vorliegt.

Zeit und Geld sparen: Mediation für Start-ups

Für junge Unternehmen kann ein Rechtsstreit schnell zur Belastung werden. Denn eine rechtliche Auseinandersetzung bedeutet oft hohe Kosten und einen großen Zeitaufwand. Statt dem Ausbau des Unternehmens stehen dann häufig monate- oder gar jahrelange Prozesse im Fokus. Doch so weit muss es nicht kommen: Eine gewerbliche Rechtsschutzversicherung, wie sie etwa die Württembergische Versicherung anbietet, hilft lange vor dem Gerichtsgang mit Serviceleistungen wie zum Beispiel einer Mediation. Damit lassen sich viele Streitigkeiten in wenigen Tagen klären.

Folgendes Beispiel verdeutlicht, wie zeit- und kostenintensiv ein Rechtsstreit sein kann: Bei einem Unfall mit einem Firmenwagen geht es um einen Streitwert von insgesamt 40.000 Euro. Schon für die erste Instanz liegen die Kosten bei rund 12.500 Euro. Geht die Auseinandersetzung in die zweite Instanz kommen etwa weitere 9.000 Euro hinzu. Verfahrensdauern von mehreren Jahren sind keine Seltenheit.

Setzen Unternehmen dagegen frühzeitig auf eine Mediation, kommt es häufig schon nach zwei bis drei Tagen zu einer einvernehmlichen Lösung. Die Mediation gehört zu den außergerichtlichen Formen der Konfliktbeilegung. Durch vermittelnde Gespräche, begleitet von unabhängigen Mediatorinnen und Mediatoren, können sich die streitenden Parteien möglichst stressfrei aussprechen und einigen. Die Württembergische Versicherung unterstützt die Konfliktlösung durch Mediation mit bis zu 3.000 Euro je Versicherungsfall.

Frühzeitig Rat einholen

Geschäftliche Konflikte können schneller als gedacht entstehen. Ein Start-up, das gerade noch in der Entstehungsphase ist, kann zum Beispiel Probleme mit einer unvollständigen Firmenwebsite bekommen. Rechtliche Lücken im Impressum oder bei der Datenschutzerklärung sind ein häufiger Ausgangspunkt für Streitigkeiten. Ein anderes Szenario: Die Vermieterin oder der Vermieter der Büroflächen erhöht schon nach kurzer Zeit die Miete, obwohl die nächste Mieterhöhung erst zu einem späteren Zeitpunkt vertraglich vereinbart war.

In solchen Fällen gilt: Rechtzeitig die eigene Rechtschutzversicherung informieren und handeln, bevor die Situation eskaliert. Das Angebot der Württembergischen umfasst zum Beispiel eine telefonische Rechtsberatung. Hier können sich Gründerinnen und Gründer Rat von einem erfahrenen Anwaltsteam einholen und früh die richtigen Schritte einleiten.

Im Premium Schutz haben Start-ups darüber hinaus auch Anspruch auf juristischen Rat in Form von Vertragsprüfungen – zum Beispiel rund um Arbeitsverträge. Eine Anwältin oder ein Anwalt checkt vorab die Verträge und gibt Tipps.

Corona-Pandemie verstärkt Bedarf an Arbeits-Rechtsschutz

Die Auswirkungen der Pandemie haben in vielen Unternehmen Streitigkeiten rund um das Arbeitsrecht verschärft – etwa in den Bereichen Kurzarbeit oder Homeoffice. Gerade für junge Unternehmen ist es hier hilfreich, sich auf rechtlichen Rat durch Fachanwältinnen und Fachanwälte verlassen zu können.

Wenn außergerichtliche Einigungen scheitern, hilft manchmal nur der Gang vor Gericht. Eine Rechtsschutzversicherung steht Gründerinnen und Gründern auch hier zu Seite. Übernommen werden unter anderem die Vergütung von Anwältinnen und Anwälten, Gerichtskosten, Kosten der Verwaltungsbehörde sowie für Sachverständige oder Zeuginnen und Zeugen.

Erfahren Sie mehr zur gewerblichen Rechtsschutzversicherung der Württembergischen.

Neues Recht für digitale Produkte

Das neue digitale Vertragsrecht steht kurz vor dem „go“: Das sind die zu erwartenden Konsequenzen für Unternehmen.

Unternehmen müssen ihre digitalen Produkte bis zum Jahresende an das neue digitale Vertragsrecht anpassen. Sie müssen Verträge umgestalten, neue Hinweise verfassen und platzieren. Die Weiterverarbeitung von Daten ist an den neuen Vorgaben auszurichten. Unternehmerischer Erfolg kann so nachhaltig gesichert werden.

Für wen gilt das neue digitale Vertragsrecht?

Das neue digitale Vertragsrecht gilt für alle digitalen Produkte, die ein Unternehmen anbietet. Unternehmen müssen das neue Recht für ihre Produkte bis zum Jahresende umsetzen.

Erfasst von den neuen Vorgaben sind alle Produkte, die einen digitalen Bezug aufweisen. Das können digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen sein. Es reicht also bereits aus, wenn Inhalte in digitaler Form bereitgestellt werden. Das Recht gilt auch, wenn angebotene Dienstleistungen mit der digitalen Bereitstellung von Daten zusammenhängen, so wie beispielsweise Apps, Cloud-Speicher, Streaming-Angebote, E-Books u.v.m.

Voraussetzung ist außerdem, dass die digitalen Produkte (auch) Verbrauchern angeboten werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine App für jeden zum Download im AppStore bereitsteht. Es ist aber auch der Fall, wenn Unternehmen eigene Beziehungen zu ihren Endkunden aufbauen, auch wenn sie sonst im B2B-Bereich aktiv waren. Unternehmen machen das vermehrt, um etwa die Produktbindung zu verbessern.

Bezahlen mit Daten

Damit das neue Recht anwendbar ist, müssen Verbraucher für die digitale Leistung eine Gegenleistung erbringen. Hier ist Vorsicht geboten: Eine „Gegenleistung“ kann eine Geldzahlung sein, muss es aber nicht. Ganz neu wird ein „Bezahlen mit Daten“ im Gesetz geregelt.

Konkret heißt das: die neuen Vorgaben sind auch dann anwendbar, wenn der Verbraucher Daten von sich preisgibt, die für Werbemaßnahmen oder Anderes genutzt werden können. Beispiele könnten sein:

  • Gratis-Nutzung gegen Newsletter-Einwilligung
  • Bonuspunkte für Informationen über das Einkaufsverhalten
  • Extra-Minuten auf dem Online-Portal für eine Übertragung der Standortdaten
  • Angaben zu Alter und Interessen für passende Werbeanzeigen bei Gratis-Nutzung

Das reicht künftig aus. Die Nutzer „bezahlen“ in allen Fällen mit ihren Daten. Nur ehrlich „kostenlose“ Angebote, in denen der Anbieter vom nutzenden Kunden keinerlei Mehrwert generiert, fallen also nicht unter das neue Recht.

Ausnahmen

Ausgenommen sind Produkte, die schon heute einer strikten Regulierung unterworfen sind. Darunter fallen zum Beispiel:

  • Verträge über elektronische Kommunikationsdienste,
  • Behandlungsverträge zwischen Arzt und Patient oder
  • Verträge über Finanzdienstleistungen.

In der Praxis relevant sind außerdem die Ausnahme von Verträgen über Open-Source-Software. Das gilt nur, wenn sie tatsächlich ohne Bezahlung und ohne alternative Verarbeitung personenbezogener Daten bereitgestellt wird.

Was müssen Unternehmen jetzt tun?

1. Hinweis auf Produkteigenschaften

Schon heute enthält der Bestellprozess für digitale Produkte etliche Hinweise: Die Nutzungsbedingungen gelten. Das Widerrufsrecht ist mir bekannt. Die Datenschutzhinweise habe ich gesehen.

Und jetzt kommt ein wichtiger neuer Hinweis dazu: Besondere Eigenschaften des Produkts sind zu benennen. Und vom Verbraucher zu bestätigen. Wenn das nicht umgesetzt wird, gilt ein „objektiver Mängelbegriff“ und das Risiko ist hoch, dass Verbraucher Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz und weitere Rechte geltend machen können. Damit ist immer dann zu rechnen, wenn das Produkt nicht den „berechtigten“ Erwartungen des Verbrauchers entspricht.

2. Einwilligungen einholen

Wenn der Verbraucher kein Geld bezahlt, sondern Daten bereitstellt, muss eine wirksame Einwilligung eingeholt werden. Auch hier muss im Prozess ein eigener Klick mit eigenem Hinweistext eingebaut werden. Das muss ordnungsgemäß erfolgen, denn Fehler an dieser Stelle führen dazu, dass die Daten nicht verwendet werden dürfen. Zudem können Bußgelder und Schadensersatzansprüche entstehen.

3. Änderungsrechte vorsehen

Digitale Produkte entwickeln sich.  Oft werden erste Beta-Versionen zum Test auf dem Markt bereitgestellt. Neue Produktversionen können ohne Zustimmung jedes einzelnen Nutzers künftig nur noch unter engen Voraussetzungen als Ersatz für die alte Version aktualisiert werden.

Das führt regelmäßig zu einer „Änderung“ der Leistung, auch wenn es letztlich eine Verbesserung ist. Dies geht aber ohne aufwändiges Einholen neuer Zustimmungen aller Bestandskunden nur, wenn schon im Vertrag Änderungsrechte nach neuem Rechts enthalten sind. Wird dies versäumt, müssen unter Umständen etliche Versionen im Markt parallel bereitgestellt werden.

4. Kündigungsrechte einbauen

Weitere Anpassung: Das Unternehmen muss sich Kündigungsrechte vorbehalten, für neue Fallgruppen. Dies betrifft zum einen die Fälle, in denen Änderungen ohne Zustimmung nicht möglich sind. Dann sollte zumindest die Möglichkeit einer zeitnahen Kündigung bestehen, um nicht zwangsweise etliche Versionen aktiv bereitzustellen. Außerdem sollten Kündigungsrechte für den Fall eingebaut werden, in dem der Verbraucher die Einwilligung widerruft und so die Weiterverarbeitung von als Bezahlung bereitgestellten Daten unterbindet. Das Gesetz erlaubt, wenn es sonst „unzumutbar“ wird, zu kündigen. Das muss aber im Vertrag eingebaut werden.

5. Updates bereitstellen

Weitreichende Auswirkungen in der Praxis werden die neuen „Updatepflichten“ haben. Aktualisierungen müssen während der gesamten Vertragslaufzeit und darüber hinaus solange erfolgen, wie der Verbraucher „aufgrund der Art und des Zwecks“ der digitalen Produkte „unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags“ dies „vernünftigerweise“ erwarten kann. Das heißt ganz einfach: So lange der Verbraucher die Anwendung braucht und nutzt, muss es Updates geben. Eine Einstellung der Updates für Windows 7 wären danach vermutlich heute nicht mehr zulässig. Zu viele Nutzer hatten eigentlich „erwartet“, dass es weiter Updates geben wird. Unternehmen müssen das bedenken und kalkulieren. Sinn macht es, die „Erwartungshaltung“ durch gute Kommunikation und Vertragsgestaltung zu steuern.

6. Daten weiterverwenden?

Endet ein Vertrag, müssen dem Kunden seine Daten zur Verfügung gestellt werden. Diese Funktion muss das digitale Angebot enthalten.

Daten ohne Personenbezug dürfen vom Unternehmen nach Vertragsende nicht beliebig weiterverwendet werden. Das ist ein Hindernis für die Produktverbesserung oder Entwicklung neuer Produkte. Hier muss geprüft werden, welche Weiterverwendung kommerziell wichtig ist. Eventuell greift eine Ausnahme im neuen Recht. Aggregierte Daten, beispielsweise, dürfen weiterverwendet werden. Auch das muss geprüft werden.

Angebote für Unternehmen

Unmittelbar gelten die Neuregelungen für Verbraucherverträge. Für Verträge zwischen Unternehmen gelten sie grundsätzlich nicht. Aber: Wenn die Produkte im Dual Use sowohl Verbrauchern als auch Unternehmen angeboten werden, sollten regelmäßig auch die Unternehmer-Verträge angepasst werden. Neuregelungen haben auch Auswirkungen auf die Auslegung von Verträgen zwischen zwei Unternehmen haben. Das gilt besonders für Themen wie Mängel und Updatepflichten. Wer sicher unterwegs sein will, der orientiert sich an den Neuregelungen für Verbraucherverträge.

Die Zukunft digitaler Produkte

Das neue Digitale Vertragsrecht kommt. Der Gesetzgeber wird es am 24. Juni auf den Weg bringen. Anbieter von digitalen Produkten müssen sich mit der Umsetzung der neuen Vorschriften auseinandersetzen. Das Angebot muss angepasst werden, wenn der Produkterfolg nicht gefährdet werden soll. Spätestens zum 1. Januar 2022 müssen alle digitalen Produkten den neuen Anforderungen genügen.

Bei Verstößen drohen nicht nur Schadensersatzansprüche der eigenen Nutzer. Auch Wettbewerber und Verbraucherschutzverbände können gegen Verstöße vorgehen. Das wird dann teuer und unter Umständen führt es zu Vertriebsverboten, bis die Verstöße beseitigt sind.

Die Autorin Dr. Kristina Schreiber berät zu allen Rechtsfragen rund um digitale Produkte von der Gestaltung über den Vertrieb bis zur Klärung von Streitfragen; Sie ist Partnerin bei Loschelder Rechtsanwälte

Privatvermögen schützen

Was bedeutet Inhaber-Haftung, und in welchem Ausmaß kommt sie in der Praxis zum Tragen? Und wie können Sie Ihr Privatvermögen als Unternehmer trotz gesetzlicher Haftung bestmöglich schützen? Hier finden Sie die Antworten.

Persönliche Haftung bedeutet, dass der Unternehmer mit seinem gesamten Privatvermögen für alle seine geschäftlichen Entscheidungen haftet. Zum Privatvermögen gehören nicht nur angespartes Geld, Autos, Wertpapiere, private wie geschäftliche Ausstattung und sonstige bewegliche Gegenstände, sondern auch Immobilien, die auf seinen Namen im Grundbuch eingetragen sind, ebenso wie Forderungen gegen Dritte, Anwartschaften und sonstige geldwerte Rechtspositionen. In alle diese Vermögenswerte dürfen Gläubiger vollstrecken, wenn sie einen rechtskräftigen Titel, also im Regelfall ein rechtskräftiges Urteil gegen den Unternehmer vor Gericht erstritten haben. Die persönliche Haftung bedeutet daher eine erhebliche Bedrohung für den Unternehmer und seine Angehörigen.

Wer haftet, wer nicht?

Die Haftung mit dem Privatvermögen trifft kraft Gesetzes jede Privatperson und jeden Geschäftsmann, wenn derjenige nicht durch gesetzliche Bestimmungen im Rahmen einer Gesellschaft geschützt ist, eine eintrittspflichtige Versicherung abgeschlossen hat oder im Einzelfall mit seinen Kunden oder Gläubigern eine wirksame Regelung zur Haftungsbeschränkung oder zum Haftungsausschluss getroffen hat. Gesellschaftsrechtsformen, die das Privatvermögen der Inhaber explizit schützen, sind die GmbH, die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) sowie die Aktiengesellschaft (AG).

Wird keine dieser Gesellschaftsrechtsformen gegründet, tritt der Unternehmer als Einzelunternehmer oder Einzelanbieter am Markt auf. Haben sich mindestens zwei Personen zusammengeschlossen, die ihre Waren oder Dienstleistungen gemeinsam anbieten, liegt eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) in Sinne der §§ 705 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor.
Typische Gesellschaften des bürgerlichen Rechts sind Zusammenschlüsse von Freiberuflern wie Ärzten, Anwälten, Übersetzern, aber auch Beratern aller Art oder von sonstigen Anbietern. Ist Zweck der Gesellschaft der Betrieb eines Handelsgewerbes unter einer gemeinsamen Firma, so liegt eine offene Handelsgesellschaft (oHG) in Sinne der §§ 105 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) vor, die im Handelsregister einzutragen ist. Auf die oHG findet, soweit im Handelsgesetzbuch keine Spezialregelungen enthalten sind, ersatzweise das Recht der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Anwendung.

Klug verhandelt ist die halbe Miete

Was ist bei der Anmietung von Räumen für das eigene Unternehmen zu beachten? Was sollte im Mietvertrag auf jeden Fall geregelt sein? Was muss man akzeptieren?

Geschäftsraummiete, Wohnraummiete und Pacht

Geschäftsraummiete liegt immer dann vor, wenn Räume nach dem vertraglichen Zweck zur gewerblichen oder freiberuflichen Nutzung angemietet werden. Bei Mischmietverhältnissen mit Wohn- und Gewerberaum gilt das Geschäftsraummietrecht, wenn mehr als die Hälfte der Gesamtfläche der Räume gewerblich genutzt wird. Die Rechtsvorschriften zur Pacht gelten, wenn ein komplett betriebsbereites Objekt, wie z.B. eine Gaststätte, zur Verfügung gestellt wird.

Mündlich oder schriftlich?

Um einen wirksamen Mietvertrag abzuschließen, müssen sich die Vertragsparteien über die „Gebrauchsüberlassung einer Mietsache gegen Entgelt für eine bestimmte Mietdauer“ verständigen. Ein Mietvertrag über Geschäftsräume kann auch mündlich geschlossen werden. Allerdings bedürfen Mietverträge, die für einen längeren Zeitraum als ein Jahr abgeschlossen werden, der Schriftform. Es empfiehlt sich aus Beweisgründen auf jeden Fall der Abschluss eines schriftlichen Mietvertrags. 

Der inhaltlichen Gestaltung des Geschäftsraummietvertrags kommt besondere Bedeutung zu, denn der gesetzliche Schutz des Geschäftsraummieters ist nicht vergleichbar mit den gesetzlichen Schutzbestimmungen des Wohnraummieters. So gelten insbesondere weder Kündigungs- und Bestandsschutz noch die Sozialklausel noch die Vorschriften zur Regelung der Miethöhe und zum Räumungsschutz. Um sicher zu gehen, dass man als gewerblicher Mieter seine Rechtsposition sinnvoll absichert, empfiehlt es sich, anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen und den Geschäftraummietvertrag sorgfältig zu verhandeln.

Mietgegenstand und Nutzungsbestimmung

Das Gewerberaummietobjekt muss nach Anschrift, Lage und Umfang genau im Vertrag beschrieben sein. Ein Gewerberaummietvertrag enthält häufig auch eine Nutzungsbestimmung, die man aus Mietersicht möglichst weit formulieren sollte, z.B. "zur gewerblichen Nutzung".

Mietzins, Nebenkosten und Kaution

Die Miethöhe kann bei Vertragsabschluss zwischen den Vertragsparteien frei vereinbart werden, wobei ortsübliche Vergleichsmieten ein Maßstab für den geforderten Mietzins sein sollten. Mietwucher ist verboten. Gezahlt wird der Mietzins in monatlichen Beträgen, jeweils zu Beginn eines Monats im Voraus. Grundsätzlich sind nach dem Gesetz mit dem Mietzins alle Nebenkosten (also die Betriebskosten) abgegolten. In der Praxis der Geschäftsraummietverträge werden die Betriebskosten allerdings meist unter Bezugnahme auf die Betriebskosten-Verordnung ganz oder teilweise auf den Mieter umgelegt. Es ist ratsam, die Nebenkostenbestimmungen im Vertrag sehr sorgfältig zu verhandeln.

Mietzeit – am besten mit Verlängerungsoption

Die Laufzeit des Vertrags kann frei vereinbart werden. Es empfiehlt sich, im Fall eines befristeten Mietverhältnisses, eine Verlängerungsklausel vorzusehen, wonach sich das Mietverhältnis über die feste Vertragsdauer hinaus automatisch um eine bestimmte Zeitspanne verlängert, wenn es nicht zum Ablauf der Mietzeit von einer der Vertragsparteien gekündigt wird. Aus wichtigem Grund ist das Mietvertragsverhältnis für beide Parteien jederzeit kündbar.

Die Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit oder wirtschaftliche Schwierigkeiten stellen jedoch grundsätzlich keinen wichtigen Grund dar, um das Mietverhältnis zu kündigen, es sei denn, im Vertrag ist ein Sonderkündigungsrecht für den Mieter vorgesehen für den Fall des Nichterreichens konkret genannter Mindestumsatzerwartungen über einen bestimmten Zeitraum. Insgesamt empfiehlt sich ein sehr gut verhandelter individueller Mietvertrag, um das eigene Unternehmen am gewählten Standort viele Jahrzehnte erfolgreich mit überschaubaren Mietkosten etablieren zu können.

Auswirkungen auf den Unternehmensalltag

Auswirkungen auf den Unternehmensalltag

Auch nachdem das Unternehmen neue Mitarbeiter eingestellt hat, muss das AGG beachtet werden. Der Unternehmer muss reagieren, wenn er von Diskriminierung erfährt. Hilfreich ist daher Prävention in Form einer Schulung aller Beschäftigten über die Unzulässigkeit von Benachteiligungen. Weiterhin müssen die Arbeitsbedingungen oder der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen fair geregelt sein. Zwar gibt es keine gesetzliche Vorschrift, die „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ fordert, die Vergütung darf aber nicht wegen eines der im Gesetz genannten Merkmale geringer bemessen werden.

Benachteiligung kann auch von Kunden und Geschäftspartnern ausgehen. Lehnt etwa ein Kunde den Kontakt zu einem homosexuellen Mitarbeiter ab und schikaniert diesen, so ist der Unternehmer verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen. Notfalls muss dem diskriminierten Mitarbeiter der Kontakt zu den betreffenden Kunden oder Geschäftspartnern erspart werden. Häufig helfen jedoch freundliche und offene Worte, um die Wogen zu glätten und die Situation für alle wieder positiv zu gestalten. Auch das kann passieren: Wer etwa als Restaurantbetreiber einzelne Gäste abweist, braucht gute Sachargumente, damit ihm dies nicht als Diskriminierung ausgelegt werden kann. Gelingt es Kunden, im Streitfall Indizien für eine Benachteiligung vorzulegen, so liegt die Beweislast beim Unternehmer.

Erfolgreich Ansprüche Dritter abzuwehren erfordert nicht nur diskriminierungsfreie Entscheidungen, sondern auch eine umfassende Dokumentation. Denn wer – auf das Beispiel des Gastronomen bezogen – nachweisen kann, dass zum Zeitpunkt der abgelehnten Reservierung kein Tisch mehr frei war und erst später andere Reservierungen gecancelt wurden, hat gute Chancen, ohne Kosten und Imageverlust aus dem Streit hervorzugehen.

Fazit

Die hier geschilderten Fälle müssen nicht zwingend zu Gerichtsverfahren führen, können aber schneller als gedacht für unnötigen Ärger und Belastungen sorgen. Denn gesunder Menschenverstand reicht hier allein nicht aus. Daher lohnt die Lektüre des Gesetzestextes, um sensibler für die darin festgelegten Bestimmungen zu werden. Das AGG können Sie kostenlos im Internet downloaden unter www.gesetze-im-internet.de.

Schutz von Marken

Der Schutz von Marken

Die Marke ist mit Abstand das am meisten verbreitete gewerbliche Schutzrecht. Von ihrer Grundidee her ist die Marke der Name eines Produktes. Sie ist jedoch wesentlich vielfältiger. Eine Marke kann Logos, Firmennamen, Slogans, Farben und Töne absichern. Dabei schützt sie davor, dass identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen unter einer identischen oder ähnlichen Bezeichnung angeboten werden. Schutzvoraussetzung für die Eintragung ist, dass die Marke in der Lage ist, die unter ihr geschützten Produkte von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden und dass sie für diese Produkte nicht beschreibend ist.

Diese Voraussetzungen prüft das DPMA von Amts wegen im Eintragungsverfahren. Nicht geprüft wird hingegen, ob bereits ältere identische oder ähnliche Marken eingetragen sind. Diese Überprüfung muss der Anmelder vielmehr selbst durchführen. Ist die Marke einmal eingetragen, kann sie theoretisch für unbegrenzte Zeit bestehen. Es müssen lediglich alle zehn Jahre die Verlängerungsgebühren beim DPMA eingezahlt werden.

Schutz per "signo"

Mit dem Programm "Schutz von Ideen für die gewerbliche Nutzung" (Signo) unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Hochschulen, Unternehmen und freie Erfinder bei der rechtlichen Sicherung und wirtschaftlichen Verwertung ihrer Ideen. Ausführliche Informationen und die Angebote rund um das staatliche Förderprogramm "Signo" finden Sie im Internet unter www.signo-deutschland.de

Ungelöst: Ideen- und Konzeptschutz

Häufig möchten Existenzgründer auch eine besondere Idee oder gleich ein ganzes Geschäftskonzept schützen lassen. Hier gilt jedoch der Grundsatz, dass weder Ideen noch Konzepte schutzfähig sind. Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass es zu Monopolisierungen von Ideen kommt. Dies hat Konsequenzen für denjenigen, der ein innovatives Geschäftskonzept entwickelt hat. Da er für die Idee oder das Konzept kein Schutzrecht erlangen kann, muss er sich auf andere Weise vor dem Kopieren durch Dritte schützen. Das Zauberwort lautet hier "Geheimhaltung".

Alles, was sich geheim halten lässt, sollte auch vertraulich behandelt werden. Sofern es unumgänglich ist, die Idee mit einem Dritten zu besprechen, muss im Vorfeld eine Geheimhaltungsvereinbarung getroffen werden. Hierbei ist es wichtig, den Inhalt des offenbarten Wissens möglichst exakt zu beschreiben. Nur so kann später bestimmt werden, ob der Dritte das offenbarte Know-how verwendet hat. Außerdem genügt es nicht, den Dritten zur Geheimhaltung zu verpflichten. Gleichzeitig muss geregelt werden, welche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Vereinbarung drohen.

Hier bietet sich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe an, die für jeden Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht die Zahlung eines pauschalen Geldbetrags statuiert. Unterbleibt eine solche Vertragsstrafe-Regelung, muss der Unternehmer in einem späteren Prozess seinen Schaden konkret darlegen und beweisen. Das ist meist nicht möglich.

Werbung im Internet und Vertragsabschluss

Viele halten das Internet für einen rechtsfreien Raum. Dieser Irrtum kann teuer werden. Hier erfahren Sie, was Sie beachten sollten, wenn Sie eine Internet-Präsenz aufbauen und betreiben wollen.

Betreiber geschäftlicher Internetpräsenzen werden immer wieder zu Adressaten kostspieliger Abmahnungen und einstweiliger Verfügungen, veranlasst durch Konkurrenten und Dritte. Denn viele Anbieter von Homepages und Webshops sind aufgrund der vergleichbar jungen Materie „Internetrecht“ verunsichert, wenn es um die rechtliche Bewertung ihres eigenen Handelns im Netz geht. Hier bringen wir Licht ins Dunkel.

Werbung im Internet

Wer zu geschäftlichen Zwecken eine Homepage oder einen Webshop betreibt, möchte auch durch Werbung im Internet auf seine Angebote aufmerksam machen. Vorsicht ist hier geboten, da ansonsten rechtliche Konsequenzen drohen können. Weit verbreitet ist etwa das Versenden von Werbemails. Diese Form der Werbung erscheint besonders vorteilhaft, da E-Mails sich für die massenhafte Versendung von Werbebotschaften gut eignen. E-Mail-Werbung ist kostengünstiger, arbeitssparender, schneller und gezielter einsetzbar als andere Werbemittel.

Bereits im Jahr 2004 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Zulässigkeit unverlangter E-Mail-Werbung auseinandergesetzt und entschieden, dass die Zusendung solcher E-Mails grundsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt und nur ausnahmsweise zulässig ist. Und zwar dann, wenn der Empfänger ausdrücklich oder konkludent (d.h. ohne ausdrückliche Willenserklärung, aber dennoch rechtlich relevant) sein Einverständnis erklärt hat bzw. wenn bei Gewerbetreibenden ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann.

Unverlangte E-Mail-Werbung ist gerichtlich verfolgbar und kann für den Versender teuer werden. Verschärft wurde dieser Umstand auch durch eine Änderung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das in § 7 Abs. 2 Nr. 3 dieses Verbot jetzt ausdrücklich regelt und gleichzeitig die Rechtsprechung des BGH insofern verschärft, als eine vorherige ausdrückliche Einwilligung (nicht mehr nur die sog. konkludente Einwilligung) des Adressaten vorliegen muss.

Für eine Handvoll Euro

Wenn Streitigkeiten mit Geschäftspartnern oder Kunden drohen, bietet die Mediation eine sinnvolle und günstige Alternative zum teuren Rechtsstreit.

Wenn man Gründer fragt, worauf sie besonders stolz sind, dann sprechen sie vielleicht über den ersten großen Auftrag, über die reibungslose Finanzierung durch die Bank oder sie erzählen von der super Stimmung im Gründer-Team. A. Meier und H. Habermehl (Namen von der Redaktion geändert), seit Juli 2010 Inhaber einer eigenen Firma, verweisen hingegen auf einen Passus in ihrem Gesellschaftervertrag. Auf diesen Passus sind sie stolz, denn er beugt vor, falls die beiden Geschäftsführer und Gesellschafter sich einmal nicht mehr so gut verstehen.

Wenn sie sich einmal nicht einigen können oder gar Streit entsteht. Dann, so steht in dem Papier, werde man keinesfalls direkt vor den Kadi ziehen, sondern erst einmal einen unparteiischen Dritten, einen sogenannten Mediator, zu Rate ziehen.„Wir halten beide 50 Prozent der Gesellschafteranteile, da kann es nun einmal zu Patt-Situationen kommen“, erklärt Meier. Und weil solche Situationen der Firma bzw. der Unternehmung nicht schaden sollen, musste das Gründerduo eine Lösung finden – die Mediation.

Killerfaktor Dauerstreit

Bei der Mediation handelt es sich um ein alternatives Konfliktlösungsverfahren, das auf vermittelnden Gesprächen basiert. So soll etwa der Gang vor den Kadi und die damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen abgewendet werden. Zumal Rechtsstreitigkeiten in der Regel lange, oft zu lange dauern. Denn während die Streithähne ihre Energie vor Gericht verpulvern, kocht das Unternehmen auf Sparflamme, wichtige Entscheidungen unterbleiben. Außerdem zerrt ein Prozess derart an den Nerven der Beteiligten, dass das angeknackste Verhältnis zwischen den Streithähnen am Ende meist ganz zerrüttet ist. Auch das zieht negative Konsequenzen für die  Firma nach sich, etwa wenn sich ein einst funktionierendes Geschäftsführerduo trennt oder ein wichtiger Geschäftspartner ab­springt. Zu dem wirtschaftlichen Schaden kommt hinzu, dass der Ruf ruiniert wird. Am Ende wenden sich Kunden und Mitarbeiter ab. Wenn es richtig schlecht läuft, kann die Firma nach dem Prozess einpacken.

Dieses Risiko können Unternehmen mit Hilfe der Mediation vermeiden. Schließlich geht es hierbei – anders als beim Gerichtsverfahren – nicht darum, um jeden Preis Recht zu bekommen, sondern ganz im Gegenteil darum, zu kooperieren. „Es ist wie mit den Kindern und der Orange“, erklärt Volker Schlehe, Leiter des IHK-MediationsZentrums München die Arbeitsweise: Wenn sich zwei Kinder um eine Orange streiten, würde ein Richter jedem Kind die Hälfte der Frucht zuteilen. Der Mediator aber fragt, was die Kinder mit der Orange machen wollen. „Und dann kommt vielleicht heraus, dass ein Kind den Saft will und das andere die Schale.“

Risiko: Die Rechte Dritter

Risiko: Die Rechte Dritter

Das größte Risiko einer Markenanmeldung ist Folgendes: „Das Amt prüft nur formelle Aspekte, aber nicht, ob die Rechte Dritter verletzt werden“, weiß Thomas Meinke, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Meinke, Dabringhaus und Partner, Dortmund. Deshalb sei es notwendig, selbst zu recherchieren, welche Rechte verletzt werden könnten, sagt Anwalt Meinke. Das gelte nicht nur für ältere, bereits eingetragene Marken. „Ein Firmenname oder Logo kann auch gegen Urheber-, Persönlichkeits- oder Namensrechte verstoßen“, erklärt der Rechtsexperte Meinke.

Zum Beispiel gegen Paragraf 37 des Handelsgesetzbuches. Nach dieser Vorschrift muss sich jede neue Firma an einem Ort von allen anderen dort ansässigen deutlich unterscheiden. Das gilt sowohl für den Firmennamen als auch für Geschäftsbezeichnungen. Wer zum Beispiel einen „Getränkehandel Müller“ in seiner Heimatstadt aufmachen und mit dem Produkt „Müllers Brause“ an den Start gehen will, muss prüfen, ob ein solches Geschäft mit gleichen oder ähnlichen Namen und Produkten vor Ort bereits vorhanden ist.

Auch ist zu beachten, dass ein Unternehmen Markenschutz erhalten kann, ohne offiziell eine Marke beim Patent- und Markenamt anzumelden. Wie das? Wenn ein Zeichen im Geschäftsverkehr genutzt wird und von mindestens 25 Prozent des Umfeldes gekannt wird, gilt es auch ohne Registereintrag als Marke. „Bei neu gegründeten Unternehmen ist dies sehr selten der Fall“, räumt Rechtsanwalt Thomas Meinke ein. Aber: Als kleines Unternehmen könne man solche Nutzungsmarken größerer Unternehmen verletzen, so Meinke. Aufpassen müssen Gründer auch bei Anmeldung einer Internetadresse. Der Wortlaut einer Domain kann gegen Marken- und Namensrechte Dritter verstoßen.

Recherchen helfen

Der Markenexperte Meinke empfiehlt deshalb umfangreiche Recherchen vor einer Anmeldung. Neben Anwälten bieten das Patent- und Markenamt (DPMA), Analysebüros, Agenturen, Industrie- und Handelskammern oder Patentinformationszentren Recherche-Dienste an. Das Pateninformationszentrum der Kasseler Hochschulen (PIZ) bietet eine Marken-, Domain- und Handelsregisterrecherche an. Es kann auch selbst recherchiert werden. Der private Anbieter Infobroker.de bietet deutschlandweite Firmenrecherchen. Das DPMA bietet eine kostenfreie Suche nach Stichwörtern an, allerdings nur bezogen auf die eigene Datenbank. Dort finden sich Marken, die bereits im Register des Markenamtes eingetragen sind oder die nach einer Anmeldung im Markenblatt veröffentlicht wurden.

Bereits angemeldete Zeichen, deren Veröffentlichung aber noch aussteht, werden freilich nicht angezeigt. „Deshalb sollte eine Recherche nach einigen Wochen wiederholt werden“, sagt Rechtsanwalt Thomas Meinke. Er empfiehlt, neben einer Suche nach identischen Begriffen „unbedingt eine komplette Kollisionsrecherche durchzuführen“. Diese würde auch eine Suche nach möglicherweise verwechselbaren, ähnlichen Zeichen umfassen. „Ein Irrtum kann teuer werden“, sagt Anwalt Meinke.

Schadenersatz droht

Das weiß Sonja Rendez aus eigener Erfahrung. Die eingetragene Marke eines Schuhproduzenten wurde ihr zum Verhängnis – obwohl sie im Vorfeld recherchierte. Sie gründete „Anna und Paul – handgemachte Lauflernschuhe“. Zum Sortiment gehört auch das Modell „Blümchen“ mit rosa oder beigefarbenen Blumen, „Katze“ mit einer Motivstickerei in den Farben Pink und Marine oder „Cinderella“ - ein Taufschuh in Weiß oder Beige. Die Vorzüge der Schuhe aus Naturleder beschreibt die Kölnerin wie folgt: „Die Schuhe sitzen gut, passen sich flexibel an und rutschen nicht“. Genau diese Eigenschaften hätte sie vermisst, als sie für ihre eigenen Kinder – Anna und Paul – Schuhe gesucht hätte. Also produzierte Sie kurzerhand selber welche.

Um sich vor Nachahmern zu schützen, hat sie das Firmenlogo, ein „Anna und Paul“-Schriftzug mit den Umrissen eines Kinderschuhs, als Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen. Auch für das Design der Schuhe hat die gelernte Modemacherin erfolgreich Schutzrechte beantragt. Bis auf ein Modell, das sie im Jahr 2003 entwarf. Ein Schuh-Hersteller klagte dagegen, da er seine Marke verletzt sah. Der Hersteller bekam Recht. Das Gericht sah eine zu große Verwechslungsgefahr zwischen den Schuhverzierungen des Anna-und-Paul-Modells und der Marke des klagenden Schuhproduzenten. Sonja Rendez musste das Paar, das gerade sehr erfolgreich angelaufen war, aus dem Sortiment nehmen und schloss einen Vergleich mit dem Hersteller. Überlebt hat sie trotzdem. Oder gerade deswegen. Der Laden läuft. „Solche Rückschläge machen einen härter und zäher“, sagt die Jungunternehmerin. Aus ihrer Erfahrung empfiehlt sie: „Wenn Gründer sich nicht sicher sind, ob sie eine Marke verletzen, sollten sie im Zweifel auch aktuelle Gerichtsurteile lesen, bevor sie ein Produkt auf den Markt bringen.“

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