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Sich präparieren statt nur orientieren

Gründer sollten sich vor der irreführenden Frage hüten, was denn mit ihnen als Markt-Einsteiger oder als Markt-Erweiterer geschehen wird. Wer dergleichen wissen will, sollte tatsächlich lieber auf seinen Haus-Astrologen setzen: Das weiß (außer Glaskugelbesitzern) nämlich niemand.

Weiterführender ist die Frage nach zukünftigen konkreten Handlungsoptionen: Was werde ich tun, wenn mein Konzept blitzschnell kopiert wird, wenn meine Umsatz-Kalkulation sich nach X Wochen nicht bestätigt, wenn meine potenziellen Kunden nicht wie erwartet reagieren, wenn Breitseiten von den etablierten Wettbewerbern kommen? Tja – was? Vorbereiten, durchspielen, aufschreiben, präsent machen! Gründer können sich in einem sicher sein: Irgendein Störfall ereignet sich garantiert. Gedankliche Vorbereitung auf Ereignisse dieser Art ist also beileibe keine graue Theorie, sondern einschlägiger Wettbewerbsvorteil.

Gründer brauchen, wenn sie am Markt bestehen wollen,
einen speziellen Werkzeugkasten für ihre Eingriffe,
eine Art chirurgisches Business-Besteck

Marktbeobachtung statt Trend-Watching

Marktbeobachtung? Ja! Klassisches Monitoring? Nein! Trends für Gründer stehen nicht „einfach so“ in der Zeitung. Und auf den kostenpflichtigen Gründer-Messen er-fährt man einiges über die neueste Buchhaltungssoftware aus der Cloud, IHK-Termine und News zu den Kürzungen der staatlichen Gründerhilfen – aber wirklich weiterhelfende Trends? Gründer können sich stattdessen folgende Fragen stellen (siehe die nebenstehenden „Fragen zum Markt“).

Es ist ratsam, sich zu ausführlichen Antworten auf jede einzelne Frage zu zwingen. Und Vorsicht vor scheinbar unfehlbaren Allerweltstipps! Es ist schon mancher Gründer mit seinem Pflegedienst verunglückt, weil er das Gerede vom bevorstehenden „demographischen Wandel“ konkret auf sich und seine Umgebung bezogen hat. Derlei – Globalisierung, Frauenförderung usw. – sind für Gründer keine Trends, sondern Infotainments: interessant, aber unspezifisch. Der Trick für Gründer und Kleinst-Unternehmer besteht darin, die eigenen Trends und Treiber zu identifizieren. Das geht! Allerdings nur durch präzises Beobachten der eigenen Umfelder. Und Selberdenken: Denn der Wandel von Umfeldern wird nur dadurch zu einzelnen Trends, dass man ihn konsequent durch die Brille des eigenen Unternehmens betrachtet. Keine Entwicklung ist „von sich aus“ ein Trend!

Zur Checkliste Fragen an den Markt

Marktverständnis statt Mainstream-BWL

Knapp daneben ist nämlich auch vorbei. Die Betriebswirtschaftslehre ist von Hause aus eine Profession, die Kennzahlen ermittelt und bewertet. Für Hochrechnungen in einem stetig gleichbleibenden Markt gut und sinnvoll – aber wo gibt es so etwas in der heutigen hoch-komplexen und ultra-beschleunigten Welt noch?
Und zudem: Hochzurechnen gibt’s für Gründer eh noch nichts. Extrapolationen beziehen sich nun mal auf die Vergangenheit; auf Geschäftsbilanzen, die bereits vorliegen und das Bisherige dokumentieren. Soviel zum Unsinns-Kern von Business-Plänen.

Echtes Marktverständnis und gründerisches Entwicklungspotenzial kann damit weder erfasst noch generiert werden. Wer über den Status quo hinaus will, sollte einen Hinweis aus Psychologie und Neurobiologie beachten: Dass nämlich unser Vorstellungsvermögen einer der wichtigsten Wahrnehmungsfilter und Selektionskanäle für Informationen darstellt. Beispiel: Nur wenn der Trendsport-Anbieter einmal spielerisch überhaupt die Möglichkeit erwogen hat, auch in den Vertrieb von Sportgeräten einzusteigen, wird ihm die Kurznachricht erst auffallen: Dass wenige Straßen entfernt eine Privat-Schule mit ambitioniertem Fitness-Accessoires-Angebot öffnet.

Soll heißen: „Man sieht, was man sieht!“ Das hört sich banal an. Aber: Nur das, was wir uns einmal ganz konkret vorgestellt haben, ist für das Gehirn als Information aus der Umwelt relevant und damit auch anschlussfähig. Der schwedische Neurobiologe David Ingvar nennt das „Erinnerungen aus der Zukunft“. Fazit: Wer gedanklich und konzeptionell nicht in seine (Unternehmer-)Zukunft investiert, kann sie auch nicht gestalten – weil er sie gar nicht erfassen kann.