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Verhandeln in der Corona-Krise: Rettungsanker für Start-ups
Viele Start-ups kämpfen derzeit um ihre Existenz und müssen mit Strategie und professionellen Methoden verhandeln, um ihr Bestehen zu sichern.

Die Corona-Krise hat die meisten Unternehmen hart getroffen; viele straucheln und bangen um ihre Existenz. Gerade für Start-ups geht es in dieser Zeit ums Überleben, denn im Gegensatz zu fest etablierten, langjährig bestehenden Betrieben, fehlen ihnen sowohl die nötigen Rücklagen als auch das sichere Fundament, um nach dem Lockdown wieder auf die Füße zu kommen. Junge Unternehmen aus allen Branchen müssen nun neue Wege finden, ihr begonnenes Wachstum weiterzuführen und „den Großen“ ihrer jeweiligen Branche erfolgreich die Stirn zu bieten.
Hier gilt es, anstehende Verhandlungen mit Strategie und Geschick anzugehen und jede Marktchance zu nutzen. Gerade Start-ups bekommen in dieser schwierigen Zeit von allen Seiten „Gegenwind“ bekommen: Investoren halten ihr Kapital zurück, Kreditgeber agieren nur zögerlich, potenzielle Kunden verschieben größere Einkaufsvolumina – oder greifen auf altbekannte Geschäftspartner zurück, die weniger Risiko bedeuten.
Dies ist für die Start-ups in praktisch jeder Branche eine „harte Nuss“, denn für eine sichere Marktposition sind Geldgeber, Partner und Kunden gleichermaßen existenziell. Um langfristig vor allem die Einkäufer potenzieller Kundenunternehmen für sich zu gewinnen, sind geschickte und kreative Verhandlungen das A und O.
Start-ups müssen hier selbstbewusst sowie mit Plan, klaren Zielvorstellungen und Alternativen auftreten. Jede Verhandlung muss individuell vorbereitet, die jeweilige Ausgangssituation klar analysiert und das Vorgehen strukturiert geplant sein. Nur so haben Start-ups eine Chance, Verhandlungen in dieser unsicheren Situation für sich zu entscheiden.
Tipps und Tricks im Verhandlungsablauf
Wichtig für die Start-ups ist es beispielweise, bereits zu Beginn der Verhandlung die Konsequenzen zu kommunizieren und diese auch umzusetzen: Was passiert, wenn kein gemeinsames Ziel erreicht wird? Dann kann der Verhandlungspartner gegebenenfalls aus dem Vertriebsnetzwerk ausgeschlossen oder das Produkt über einen direkten Wettbewerber exklusiv vertrieben werden.
Start-ups müssen die Ziellücken der Einkäufer genau identifizieren und passgenaue Produkte anbieten: Wie sieht das jetzige Angebot des Händlers aus, was fehlt und könnte zugeliefert werden? Welche Trends bewegen den Endkunden heute und morgen? Auch ein Bündeln von Produktgruppen kann zum Erfolg führen, indem einerseits Produkte angeboten werden, die genau diese definierte Lücke abdecken, und andererseits neue Produkte ergänzt werden, die der Endkunde noch gar nicht braucht.
Indem Start-ups ein gutes Verhältnis zu den Einkäufern aufbauen, können sie auch die eigene Planung effektiver gestalten und genau das anbieten, was der Händler wirklich benötigt. Damit werden auch Über- und Unterproduktionen, die wichtige Ressourcen wie Material und Kapital binden, vermieden.
Gemeinsam neue Wege gehen
Gemeinsam statt gegeneinander müssen Wege gefunden werden, die sich nicht nur auf den Preis konzentrieren, sondern auch Marktfaktoren und „Nischen“ einbeziehen, die andere potenzielle Zulieferer nicht bedienen. Das gezielte Einsetzen von Taktiken und sogenannten „Behavioral Effects“ muss geplant, geübt und zielgerichtet erfolgen. So kann vor allem eine Kooperation mit den Einkäufern gewinnbringend sein, beispielsweise im Food-Sektor: Was brauchen große Discounter wie Aldi, Lild & Co.? Worauf konzentrieren sie sich? Wie gehen sie mit der Krise um und wie halten sie ihre Kunden? Wenn die Start-ups hier geschickt den jeweiligen Bedarf erkennen und dem Einkäufer präzise die Vorteile aufzeigen können, liegen sie im Wettbewerb eine Nasenlänge vorn.
Mitgestaltungsmöglichkeiten für den Händler, der Vorreiter bei neuen Produkten sein, Lieferengpässe durch gemeinsames Planen vermeiden und exklusive Verträge abschließen sind nur einige davon. Den Standpunkt des Einkäufers verstehen führt zu besseren Ergebnissen, da das schlussendliche Produkt gemeinsam erarbeitet wird.
Auch das gezielte „Schenken“ gehört zu diesen taktisch klugen Behavioral Effects: Beispielsweise kann eine kostenlose Lieferung dem Einkäufer als Pluspunkt erscheinen, auch wenn dadurch der Produktpreis ein wenig höher ausfällt. Außerdem kann in den Verhandlungen betont werden, dass nur noch wenige Produkte auf Lager sind oder dass gemeinsame Interessen – nämlich der zufriedene Endkunde – im Vordergrund stehen. Die jeweiligen Angebote sollten so unkompliziert wie möglich sein und sich auf einfach zu bewertende Attribute konzentrieren.
Neben dem Preis sollte immer auch über weitere Faktoren verhandelt werden: Zahlungskonditionen, Transportkosten, Kosten für Verpackungsmaterial, Vertragsfristen zur besseren Planung, etc. Denn auch wenn die Einkäufer zunächst „groß und mächtig“ erscheinen, geht es am Ende beiden Seiten darum, gemeinsame Lösungswege zu schaffen und für beide Seiten eine Win-win-Situation zu erreichen, die schlussendlich sowohl Lieferant als auch Händler und Endkunden zufriedenstellt. Und mit diesen Voraussetzungen stellt gut vorbereitetes und geschicktes Verhandeln für die Start-ups tatsächlich den größten Rettungsanker in der Coronakrise dar.
Der Autor René Schumann ist Gründer und Geschäftsführer von Kerkhoff Negotiations (KN). Das Düsseldorfer Unternehmen ist darauf spezialisiert, für seine Kunden schwierige Verhandlungssituationen mit bestmöglichem Ergebnis zu lösen, www.kerkhoff-negotiations.com
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