Anbieter-Check: Kundensupport-Tools

Autor: Rosalia Pavlakoudis
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Die Auswahl an Kundensupport-Software ist groß. Wir stellen fünf Tools vor, mit denen Support-Teams ihre Arbeit effizient planen, durchführen und optimieren können.

Der Kundensupport gehört zu den wichtigsten Bereichen eines Unternehmens: Ohne einen reibungslos funktionierenden Kundensupport wird es schwierig, ein gutes Kundenerlebnis zu schaffen, und im Zweifelsfall springen Interessent*innen bereits vor dem Kauf ab, wenn sie keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. Damit das nicht passiert, setzen viele Unternehmen auf Kundensupport-­Software: Sie ermöglicht es ihnen, mit Kund*innen über verschiedene Kommunikationskanäle wie Live-Chat, E-Mail, Support-Tickets, Social-Media-Integrationen und mehr in Kontakt zu treten und sie bei Problemen und Fragen zu unterstützen.

Im Folgenden stellen wir eine Auswahl an Softwaretools vor, mit denen Unternehmen ihren Kundensupport durchführen und verbessern können (mehr zu den Auswahlkriterien am Ende dieses Beitrags). Die Tools sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.

Chaport

Der erste Ort, an dem Kund*innen nach Hilfe und Informationen zu einem Produkt suchen, ist meist die Website des/der Anbieter*in. Daher lohnt es sich für Unternehmen, über ein Chatfenster auf der eigenen Website den direkten Kontakt zum Support-Team zu ermöglichen. Ein Anbieter für solche Livechat-Funktionen ist Chaport: Support-Teams können auf ihrer Website den Chat-Button von Chaport einbinden, damit die Websitebesucher*innen mit einem Klick ein Messenger-­Fenster öffnen und das Team kontaktieren können. Kund*innen können auch dann über den Chat Nachrichten senden, wenn gerade alle Mitglieder des Kundensupport-Teams offline sind: Die Nachrichten werden dann zusammen mit der E-Mail-Adresse der Kund*innen an das Team weitergeleitet, um später per E-Mail beantwortet zu werden. So ist auch außerhalb der Geschäftszeiten eine Kontaktaufnahme möglich.

Um die Websitebesucher*innen auf die Möglichkeit des Chats aufmerksam zu machen, kann ihnen per Pop-up eine Einladung zum Chat angezeigt werden. Auch automatisierte Chatbots sind verfügbar, die besonders nützlich sind, wenn das Team gerade offline ist oder ein hohes Anfragevolumen zu bearbeiten hat: Sie beantworten häufig gestellte Fragen automatisch, sammeln Feedback und qualifizieren Leads durch Einstiegsfragen. Das Support-Team kann eine Wissensdatenbank erstellen, die der Bot anschließend nutzen kann, um relevante Artikel im Chat vorzuschlagen. Neben den Chats über das Chatfenster können auch Unterhaltungen aus anderen Kanälen in Chaport eingebunden werden, etwa aus Facebook, Telegram oder Viber. Teams können Chats gemeinsam bearbeiten, sich Gruppenchats anschließen, Chats an andere Teammitglieder übergeben oder Chats anderer Teammitglieder einsehen.

Chaport ist als Webversion sowie als App für iOS, Android, Windows und MacOS verfügbar und wird zwischen allen Versionen in Echtzeit synchronisiert. Neben den nativen Integrationen z.B. für Facebook, Telegram, WordPress, Joomla! und Google Analytics sind über 4000 Integrationen über Zapier möglich und es gibt eine REST- und JavaScript-API.

Das Tool kann von bis zu zwei Teammitgliedern kostenlos für unbegrenzt viele Chats und Websites genutzt werden. Dabei wird der Chatverlauf 60 Tage lang gespeichert. Die Pro-Version für bis zu vier Teammitglieder speichert den Chatverlauf unbegrenzt und bietet unter anderem erweiterte Möglichkeiten zur Widget-Personalisierung, die Integrationen für Facebook, Telegram usw., gespeicherte Antworten und Autoresponder. In der Unlimited-Version für beliebig viele Teammitglieder stehen unter anderem Chatbots, die Wissensdatenbank, Chat-Bewertungen und benutzerdefinierte Felder zur Verfügung.

5 Hauptfunktionen von Chaport

  • Chatfenster für Websites mit Einladungs-Pop-up.
  • Chatbot für Autoantworten und Lead-Qualifizierung.
  • Self-Service-Wissensdatenbank für Kund*innen.
  • Berichte und Funktionen für die Zusammenarbeit im Team.
  • Integration anderer Chatkanäle und API.

Gladly

Gladly ist eine Plattform, die den persönlichen und individuellen Kundenservice in den Mittelpunkt stellt. Kundenservice-­Telefonate können direkt in Gladly erledigt werden und Kund*innen auf Wunsch flexibel zu anderen Kanälen wie SMS oder E-Mail wechseln. Während des Anrufs werden über das Sprachdialogsystem gewonnene Kontextinformationen zu den Kund*innen angezeigt, ebenso wie deren Status und aktueller Customer Lifetime Value sowie weitere Informationen wie anstehende Reservierungen oder Notizen zur Person. So kann das Support-Team Anrufenden von Anfang an das Gefühl geben, wertgeschätzt und persönlich gekannt zu werden.

Informationen und Ankündigungen – etwa zum Lieferstatus oder zu Terminvereinbarungen – können per automatisierter Sprachnachricht an viele Kund*innen gleichzeitig gesendet werden, einschließlich der Option, sich mit einem menschlichen Teammitglied verbinden zu lassen. Dazu kommen zahlreiche Funktionen zur Anrufverwaltung, etwa zum Weiterleiten, Stummschalten, Halten und Pausieren von Anrufen sowie Anrufaufzeichnung und Notizen.

Über ein programmierbares, cloudbasiertes Sprachdialog­system mit Spracherkennung können Kund*innen rund um die Uhr Informationen abrufen und sich an das Team weiterleiten lassen. Auch über ein Hilfecenter und ein Chat-Widget können Teams Self-Service-Funktionen bereitstellen. Ähnlich wie bei Chaport beantwortet ein Chatbot häufig gestellte Fragen automatisch. Die Antworten können genau wie das Self-Service-Hilfecenter in mehreren Sprachen erstellt und den Kund*innen je nach Standort und Spracheinstellungen lokalisiert angezeigt werden.

Teams können Kundeninformationen und Daten zu vergangenen Käufen und Interaktionen in der Gladly-Plattform zen­tral speichern und über native Integrationen sowie APIs aus anderen Systemen abrufen. Konversationen aus verschiedenen Kanälen werden in Gladly zusammengeführt. Über die People-Match-Funktion können Kund*innen auf Basis verschiedener Faktoren wie ihrer Vorgeschichte, ihrem Anliegen oder ihrem Customer Lifetime Value automatisch an das passendste Teammitglied weitergeleitet werden.

Die Preise von Gladly sind einfach gestaltet: Es gibt keine unterschiedlichen Versionen, sondern der Preis wird nach Anzahl der Teammitglieder berechnet. Die Höhe des Preises unterscheidet sich danach, ob es sich um Support-Mitarbeitende handelt, die direkt mit Kund*innen kommunizieren („Support Heros“), oder um Teammitglieder, die zugewiesene Aufgaben ausführen („Task User“). Teammitglieder, die Teams und den Betrieb verwalten, sind kostenlos. Die drei Arten von Teammitgliedern haben Zugriff auf unterschiedliche Funktionen und es gibt ein Minimum von zehn Support Heros.

5 Hauptfunktionen von Gladly

  • Kundenservice-Plattform für den personalisierten Kundensupport.
  • Anruf- und Sprachdialogsystem mit Automatisierungsfunktionen.
  • Chat-Widget und Chatbot.
  • Self-Service-Hilfecenter und Wissensdatenbank.
  • People-Match-Funktion zur automatischen Verbindung mit geeigneten Support-Teammitgliedern.

Textline

Webbasierte Live-Chats sind eine gern genutzte Option für den Kundenkontakt, doch es gibt viele Kund*innen, die den Kontakt per SMS bevorzugen. Textline ist eine Plattform für den SMS-basierten Kundensupport, sodass alle Kund*innen das Support-Team jederzeit per SMS kontaktieren können. Die Lösung kann mit einer bestehenden oder von Textline bereitgestellten Telefonnummer oder auch mehreren Nummern für verschiedene Abteilungen eingerichtet werden. Teams können sich über die Whispers-Funktion intern unterhalten und Unterhaltungen mit Kund*innen an bestimmte Teammitglieder zuweisen. Dashboards und Tags helfen, Unterhaltungen nach Typ zu kategorisieren und mit verschiedenen Metriken den Erfolg des Kundenservice-Teams zu analysieren, etwa für die durchschnittliche Wartezeit oder den Anteil der gelösten und nicht gelösten Anliegen. Textline bietet zudem Automatisierungsfunktionen, etwa für die Zuweisung von Unterhaltungen an bestimmte Teammitglieder oder für den automatisierten SMS-Versand auf Basis von auslösenden Ereignissen oder Bedingungen. So können Teams beispielsweise bestimmte Antworten senden lassen, wenn eine SMS zu einer bestimmten Tageszeit eingeht oder bestimmte Begriffe enthält, oder drei Tage nach Abschluss eines Gesprächs automatisch einen Link zu einer Feedback-Umfrage verschicken. Auch Ankündigungen an eine große Anzahl an Kund*innen können zeitlich geplant und automatisch versendet werden. Tag-Funktionen erleichtern dabei die Segmentierung der Kund*innen. Außerdem gibt es Shortcuts und Befehle, die die Navigation im Dash­board beschleunigen und mit denen vorgefertigte Vorlagen eingefügt werden können.

Das Dashboard von Textline ist direkt per Browser nutzbar. Das Tool bietet zahlreiche Integrationen für CRM-, Helpdesk-, Support-, Automatisierungs- und E-Commerce-Tools wie Zendesk, Salesforce, Freshdesk und Instagram Business sowie Integrationen per Zapier. Die Limited-Basisversion bietet Grundfunktionen für drei Teammitglieder und eine Abteilung sowie einen Gesprächsverlauf von 90 Tagen. In der Standard-­Version für bis zu zehn Teammitglieder und mehrere Abteilungen wird der Gesprächsverlauf drei Jahre gespeichert und es kommen Funktionen wie NPS- und Kundenzufriedenheitsumfragen, Integrationen, API und Webhooks sowie Nutzer­*­innenrollen hinzu. Die Pro-Version für bis zu 50 Abteilungen bietet einen unbegrenzten Gesprächsverlauf und weitere Funktionen wie benutzerdefinierte Umfragen, zeitbasierte Automatisierungen und erweiterte Sicherheitsfunktionen.

5 Hauptfunktionen von Textline

  • SMS-Kommunikation mit Kund*innen.
  • Triggerbasierte Automatisierungen und Massenversand.
  • Erstellung von Umfragen zur Kundenzufriedenheit.
  • Funktionen zur internen Kommunikation im Support-Team.
  • Speicherung von Nachrichtenvorlagen, die per Shortcut nutzbar sind.

Tidio

Tidio ist ein auf Live-Chats konzentriertes Kundenservice-­Tool mit Chatbot-Funktionen. Es kann das Service-­Team direkt benachrichtigen, wenn ein(e) neue(r) Kund*in die Website aufruft, und abhängig von Kundenaktionen über das Chat-­Widget automatische Nachrichten versenden: Der Chatbot kann Kund*innen ein Angebot für einen Rabatt senden, wenn sie im Begriff sind, den Warenkorb zu verlassen, sie mit personalisierten Angeboten auf der Website begrüßen, ihnen beim Verlassen der Seite eine persönliche Nachricht mit Bitte um Feedback senden oder wiederkehrenden Besuchern zur Begrüßung einen Aktionscode schicken.

Möglich sind auch Chatnachrichten auf Grundlage der Zeit, die eine Person auf einer bestimmten Website verbracht hat, etwa um ihr beliebte Produkte aus einer Kategorie eines Onlineshops vorzuschlagen, die sie lange angesehen hat. Eine Live-Besucherliste zeigt, welche Personen gerade welche Bereiche einer Website besuchen, ob sie neue oder wiederkehrende Besucher*innen sind und was sie aktuell im Warenkorb haben. In einem Dashboard können Teams ihren Umsatz überblicken und sehen, wie sich die Interaktion mit Tidio sich auf den Umsatz ausgewirkt hat. Platzierung und Farbe des Chat-Widgets sind anpassbar. Tidio bietet Vorlagen für Chatbots und die Option, in einem Drag-and-Drop-Editor eigene Chatbot-Flows zu erstellen. Auch andere Kanäle wie E-Mail und Instagram können mit Tidio verbunden werden. Nachrichten können an verschiedene Teammitglieder zugewiesen und mit Schnellantwortvorlagen umgehend beantwortet werden.

Die Website von Tidio ist auf Deutsch verfügbar. Es gibt eine Gratisversion für Live-Chats mit bis zu 50 Nutzer*innen und Chatbot-Unterhaltungen mit bis zu 100 Nutzer*innen. In den kostenpflichtigen Versionen Communicator, Chatbots und Tidio+ sind unbegrenzt viele Unterhaltungen möglich. Die Communicator-Version ermöglicht das Erstellen von Abteilungen innerhalb von Teams, das Einrichten von Zugangsbeschränkungen und bietet Analysen, eine native Shopify-Integration sowie die Möglichkeit, die von Besucher*innen angesehenen Seiten, die Live-Besucherliste und Live-Eingaben vor dem Absenden zu sehen. In der Chatbots-Version kommen mehr als 35 Chatbot-Vorlagen, ein visueller Chatbot-Editor und eine Zapier-Integration hinzu. Die Tidio+-Version bietet zudem AI-Response-Bots, die Unterhaltungen per künstlicher Intelligenz analysieren, benutzerdefinierte Integrationen und Funktionen für das E-Mail-Marketing.

5 Hauptfunktionen von Tidio

  • Chat-Widget für Live-Chats und Chats per Chatbot.
  • Live-Besucherliste mit aktuellen Websitebesucher*innen.
  • Chatbot-Editor und KI-gestützte Bots.
  • Multi-Channel-Optionen und Antwortvorlagen.
  • Auf Onlineshops zugeschnittene Funktionen.

Yonyx

Yonyx hilft Support- und Kundenservice-Teams, deren Prozesse zu verbessern und Vorlagen für Abläufe zu erstellen, etwa mit interaktiven Leitfäden für die Fehlerbehebung oder in CRM-Systeme integrierten Anrufskripts für das Callcenter. Eine zentrale Funktion sind interaktive Entscheidungsbäume, mit denen interaktive Abläufe für Interaktionen mit den Kund*innen erstellt und visualisiert werden können. Auf diese Weise können Kundensupport-Teams dafür sorgen, dass Gespräche nach einem einheitlichen Muster erfolgen und erfolgreicher sind. Sie können Anrufskripts erstellen, sodass beispielsweise die anderen Teammitglieder sehen können, wie die erfolgreichsten Kundenservice-Mitarbeitenden ihre Anrufe führen. Außerdem können Self-Service-Inhalte für Kund*innen erstellt werden, z.B. interaktive Anleitungen. Dazu steht ein HTML-Editor mit Funktionen zum Einbetten von Bildern, Videos und mehr zur Verfügung. Auch hier sind Entscheidungsbäume entscheidend: Die Hilfesuchenden können im Self-Service-Hilfecenter eine Reihe von Fragen zu ihrem Problem durchlaufen, um die zugrunde liegende Ursache zu finden.

Das Tool ist als Professional-, Executive- und Enterprise-­Version verfügbar. Der Preis wird für die interne Nutzung (in Callcentern) nach Anzahl der Teammitglieder und für die externe Nutzung (Self-Service für Kund*innen) nach Anzahl der Vorfälle berechnet. Die Funktionen der Professional-Version sind in allen Plänen verfügbar, etwa CRM-Integrationen, eine unbegrenzte Anzahl an Leitfäden, die Map View zum Zeichnen von Entscheidungsnetzwerken und der HTML-Editor. Die Execu­tive-Version bietet zusätzlich Single Sign-On, Tag-Funktionen für eine leichtere Suche und Zugriff auf die REST- und JavaScript-APIs. In der Enterprise-Version kommen eine Enter­prise-Datenintegrationsarchitektur zum Erstellen von in andere Anwendungen integrierte Abläufe sowie die Möglichkeit hinzu, mehrsprachige Anleitungen zu erstellen.

5 Hauptfunktionen von Yonyx

  • Erstellen von Entscheidungsbäumen für Kundensupport und Callcenter.
  • Bereitstellen von Self-Service-Funktionen mit Entscheidungsbäumen.
  • Leitfäden für die Fehlerbehebung und Anrufskripts.
  • Visualisierung von Abläufen.

Integration in CRM-Systeme.

Methodik

Für diese Liste haben wir zunächst Tools ausgewählt, die innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens 20 Nutzer*innenbewertungen auf Get App erhalten haben (Stand vom 2.10. 2022). Anschließend wurden diese Tools nach der Reihenfolge ihrer Gesamtbewertung (von der höchsten bis zur niedrigsten) sortiert, wobei wir eine Mindestbewertung von 4,5 von 5 Sternen zugrunde gelegt haben. Außerdem mussten die Produkte unserer Definition von Kundensupport-Software entsprechen: Kundensupport-Software ermöglicht es Unternehmen, mit Kund*innen über verschiedene Kommunikationskanäle wie Live-Chat, E-Mail, Ticketing, Social-Media-Integrationen und mehr in Kontakt zu treten, um deren Wünsche zu erfüllen. Die Softwareprogramme mussten ebenfalls die Hauptfunktion der Kategorie Low-Code-Software bieten: Sie ermöglichen die Kommunikation mit Kund*innen, das Management von Wissensdatenbanken und die Verwaltung von Support-­Tickets. Die finale Auswahl setzt sich aus den ersten fünf Tools zusammen, die alle oben stehenden Kriterien erfüllten.

Die Autorin Rosalia Pavlakoudis ist Content Analyst für GetApp und Software Advice, zwei unabhängigen Software-Vergleichsplattformen für Business-Software-Käufer*innen. Beide Netzwerke bieten verifizierte Nutzerbewertungen und unabhängige Testberichte in Hunderten von Softwarekate­gorien, www.getapp.de, www.softwareadvice.de

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe unseres Printmagazins: Mehr dazu liest du in der StartingUp - Heft 04/22 - ab dem 1. Dezember im Handel – jederzeit vorab online bestellbar - auch als ePaper erhältlich - über unseren Bestellservice

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Marketingfallen und Auswege

Warum Marketing strategisch allzu oft ins Leere läuft und mit welchen konkreten Maßnahmen es besser funktioniert.

In vielen Start-ups gilt Marketing noch immer als verlängerte Werkbank des Vertriebs. Sichtbarkeit, Leads und Umsatz sollen schnell messbar sein. Doch was kurzfristig effizient wirkt, führt langfristig in die Sackgasse. Wer Marketing auf Performance reduziert, verzichtet auf das, was Wachstum überhaupt erst ermöglicht: eine klare strategische Marktorientierung.

Strukturelle Fehlstellungen: Wenn Marketing keine Bühne bekommt

Viele Gründer*innen denken Marketing operativ. Als Werkzeug, um ein bestehendes Produkt in den Markt zu drücken. Diese Sichtweise ignoriert, dass Marketing in der Frühphase entscheidend für die Definition von Markt, Zielgruppe und Nutzenversprechen ist.

Die Folge: Es fehlt ein strategischer Unterbau. Start-ups starten mit aggressiver Kommunikation, bevor klar ist, was sie eigentlich differenziert. Markenarchitektur, Positionierung und Kommunikationsleitlinien entstehen oft erst dann, wenn das Wachstum bereits stagniert.

47 Prozent der befragten Marketingentscheider*innen nennen laut der CMO-Studie 2025 von Evergreen Media Projektüberlastung, Ressourcenmangel und hohen Wachstumsdruck als größte Herausforderungen – noch vor fehlender Umsetzungskompetenz. Diese Engpässe sind direkte Symptome fehlender strategischer Planung und Priorisierung.

Organisatorisches Defizit: Keine Stimme auf Managementebene

Ein weiterer Grund für das Leerlaufen des Marketings liegt in der Organisation selbst. In vielen Start-ups fehlt eine CMO-­Rolle oder vergleichbare strategische Instanz. Entscheidungen über Marktauftritt, Budget oder Prioritäten werden ad hoc oder rein zahlengetrieben getroffen – meist ohne Kontext.

Marketing wird so zum operativen Dienstleister, nicht zum strategischen Partner. Das rächt sich spätestens, wenn Wachstum professionalisiert werden soll. Ohne klare Führung entsteht ein Flickenteppich aus Agenturleistungen, Kanälen und Kampagnen, aber kein konsistentes Narrativ.

Kulturelle Ursache: Die Produktzentrierung

Die DNA vieler Start-ups ist technologisch geprägt. Der Stolz auf das Produkt überlagert die Marktlogik. Doch in gesättigten Märkten reicht das bessere Produkt nicht aus. Entscheidend ist, wer als relevante(r) Akteur*in wahrgenommen wird.

Betrachten Gründer*innen Marketing als notwendiges Übel, statt als zentrale Wachstumsfunktion, bleibt das Potenzial ungenutzt. Kurzfristige Kampagnen liefern Zahlen, aber keine Markenbindung. Wachstum bleibt volatil.

Die Folgen: Wachstum ohne Fundament

Operativ stark, strategisch schwach – das ist das Muster vieler Start-ups, die nach der ersten Wachstumsphase stagnieren. Ohne klare Positionierung wird jedes Marketing zur Symptombehandlung: Man optimiert an Creatives, Budgets und Kanälen, statt an der Markendrehung. Das Ergebnis:

  • steigende Customer Acquisition Costs (CAC),
  • sinkende Conversion Rates trotz mehr Output,
  • keine Markenloyalität oder Wiedererkennung sowie
  • fehlendes Alignment zwischen Marketing, Produkt und Finance.

Learning: Wer die Marke nicht führt, verliert sie an den Wettbewerb.

Strategische Neuausrichtung: Wie Marketing wieder Wirkung entfaltet

1. Rolle neu definieren

Marketing ist keine Kampagne, sondern eine Steuerungsfunk­tion. Es bündelt Marktverständnis, Markenführung und Wachs­tumsstrategie und sollte frühzeitig als Business-Funktion mit direkter Anbindung an die Geschäftsführung etabliert werden.

2. Führungsverantwortung schaffen

Eine CMO- oder Head-of-Marketing-Rolle ist keine Luxus­position, sondern Voraussetzung für Steuerung. Ohne klare Verantwortung bleibt Strategie ein Nebenprodukt.

3. Grundlagenarbeit leisten

Positionierung ist kein Branding-Thema, sondern Geschäftsstrategie. Wer das „Warum“ seines Unternehmens klar definieren kann, führt konsistenter. Markenplattformen, Zielgruppenpriorisierung und differenzierende Kernbotschaften sind die Basis für jedes weitere Wachstum.

4. Umsetzung professionalisieren

Strategie ohne Exekution ist wertlos. Deshalb gilt: Thought Leadership statt reaktives Content-Marketing, Vertrauen statt Klickjagd. In der Praxis fließt der größte Teil von Marketingbudgets in Online-Kanäle (27 Prozent) und Performance-orientierte Maßnahmen. Für Markenstrategie und Branding werden im Schnitt nur 12 Prozent der Mittel eingesetzt. Wer Wachstum nachhaltig sichern will, muss diese Verhältnisse neu austarieren – zugunsten langfristiger Markenführung und differenzierender Kommunikation.

Handlungsempfehlungen für 2026

  • Strategische Reviews: Marketingstrategie mindestens einmal jährlich auf Geschäftsziele prüfen.
  • Governance-Struktur: Klare Verantwortlichkeiten und Prozesse zur Markenführung schaffen.
  • Langfristige Assets priorisieren: Owned Media und SEO als zentrale Sichtbarkeitsbasis aufbauen.
  • KPIs neu denken: Neben Leads auch Markenwahrnehmung, Trust und Retention messen.
  • Alignment schaffen: Marketing, Finance und Produkt in einem strategischen Steuerkreis verbinden.
  • Es gilt: Wer Marketing nur als Vertrieb versteht, arbeitet gegen sein eigenes Wachstum.

Fazit

Strategisches Marketing ist kein Nice-to-have, sondern der entscheidende Hebel, um Skalierung stabil zu machen. Start-ups, die früh auf Markenführung, Positionierung und Marktorientierung setzen, wachsen nachhaltiger, weil sie wissen, wofür sie investieren.

Der Autor Alexander Rus ist Gründer und CEO von Evergreen Media, einem Beratungsunternehmen für digitales Wachstum.

Investor ready?

Die sechs größten Stolperfallen bei der Investor*innensuche und wie du sie bestmöglich vermeiden kannst.

Die Suche nach Kapital gehört zu den größten Herausforderungen auf dem Weg zum unternehme­rischen Erfolg. Investor*innen suchen nicht nur nach innovativen Ideen, sondern vor allem nach überzeugenden Geschäftsmodellen, die eine klare Strategie, eine starke Vision und realistische Finanzprognosen bieten. Doch in der Praxis kommen immer wieder ähnliche Fehler vor, die den Kapitalbeschaffungsprozess gefährden.

1. Unklare Kommunikation von Strategie und Wachstumspotenzial

Viele Gründer*innen haben Schwierigkeiten, ihre Vision und das Wachstumspotenzial ihres Unternehmens überzeugend oder klar genug zu vermitteln. Eine zu vage oder austauschbare Vision lässt Investor*innen zweifeln, ob das Unternehmen tatsächlich einen nachhaltigen Mehrwert schafft. Ebenso fehlt oft eine nachvollziehbare Wachstumslogik, die erklärt, warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt für das Investment ist. Das Marktpotenzial wird häufig nur geschätzt und nicht mit handfesten Daten und Fakten untermauert. Auch eine klare Abgrenzung vom Wettbewerb bleibt aus, und viele Gründer*innen vergessen, ihre Ziele messbar zu machen, was die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt.

Ausweg: Um Investor*innen zu überzeugen, musst du deine Vision konkretisieren: Wo steht dein Unternehmen in drei bis fünf Jahren? Was sind die langfristigen Ziele und wie willst du diese erreichen? Entwickle eine klare Wachstumsstory. Belege das Marktpotenzial mit konkreten Zahlen, Trends und Wettbewerbsvorteilen. Die Abgrenzung zum Wettbewerb sollte klar und nachvollziehbar sein. Zudem sollten alle Ziele realistisch und messbar formuliert werden, damit Investor*innen den Fortschritt deines Unternehmens verfolgen können. Schaffe eine emotionale Erzählung, die das „Why now?“ überzeugend beantwortet.

2. Unrealistische Aufbereitung von Businessplan und Finanzkennzahlen

Ein häufiger Fehler ist es, den Businessplan und die Finanzprognosen zu optimistisch oder unrealistisch zu gestalten. Gründer*innen stellen oft Zahlen vor, die nicht auf klaren Annahmen basieren. Es fehlen transparente Erläuterungen zu den geplanten Umsätzen und Ergebnissen. Auch die Wachstumsraten sind in vielen Fällen zu hoch angesetzt. Ein weiteres Problem ist das Fehlen von verschiedenen Szenarien, die den finanziellen Verlauf unter Berücksichtigung von Unsicherheiten und Risiken abbilden. Die Cashflow-Planung wird häufig vernachlässigt und der Kapitalbedarf nicht nachvollziehbar begründet. Gründer*innen neigen zudem dazu, die Kosten zu niedrig anzusetzen und die Finanzierungsmöglichkeiten zu überschätzen.

Ausweg: Ein gut strukturierter Businessplan sollte eine detaillierte Umsatz- und Ergebnisplanung für mindestens drei Jahre beinhalten, die realistisch und nachvollziehbar ist. Denke in Szenarien: Erstelle nicht nur eine Best-Case-Planung, sondern auch konservative und realistische Szenarien. Achte besonders auf die Cashflow-Planung und leite den Kapitalbedarf klar und nachvollziehbar ab. Gib an, wie viel Geld wann und wofür benötigt wird. Alle Annahmen müssen transparent und plausibel erklärt werden. Vermeide es, unrealistische Wachstumsraten zu präsentieren, und stelle sicher, dass deine Planung mit der Strategie deines Unternehmens übereinstimmt. Zahlen sind nicht nur dazu da, Vertrauen zu gewinnen, sondern auch, um Klarheit über die finanzielle Stabilität zu schaffen.

3. Vernachlässigung der rechtlichen und organisatorischen Strukturen

Ein großes Hindernis auf dem Weg zur Kapitalbeschaffung sind unklare oder veraltete Gesellschafterverhältnisse. Ein unorganisierter oder unvollständiger Datenraum ist ebenfalls ein häufiges Problem. Gründer*innen vernachlässigen oft die ordnungsgemäße Dokumentation von Verträgen oder IP-Rechten. Dies führt nicht nur zu potenziellen rechtlichen Problemen, sondern auch zu einem Vertrauensverlust bei den Investor*innen. Zudem ist es häufig der Fall, dass keine klare Trennung zwischen Gründer*in und Unternehmen existiert, was für Investor*innen ein Risikofaktor sein kann.

Ausweg: Überprüfe regelmäßig die Gesellschafterverhältnisse und stelle sicher, dass alle Anteile klar dokumentiert und aktuell sind. Alle relevanten Verträge – etwa Arbeitsverträge, Partnerschaftsvereinbarungen oder Lizenzverträge – sollten ordentlich und rechtssicher dokumentiert sein. Achte darauf, dass deine IP-Rechte und Marken rechtlich abgesichert sind und du über die notwendigen Lizenzen verfügst, um dein Geschäftsmodell erfolgreich zu betreiben. Stelle sicher, dass der Datenraum für die Due Diligence geordnet, vollständig und digital verfügbar ist. Wenn möglich, sollten alle relevanten Informationen über die Struktur des Unternehmens, Rechte und Pflichten der Gesellschafter*innen sowie der aktuelle Status von IP und Marken schnell und unkompliziert zugänglich sein.

4. Unprofessionelle Gestaltung von Pitch Deck und Unterlagen

Ein häufiges Problem bei der Erstellung von Pitch Decks ist die Überladung mit zu vielen Folien und zu viel Text. Gründer*innen tendieren oft dazu, das gesamte Produkt oder die technische Komplexität detailliert darzustellen, was das Pitch Deck unnötig aufbläht. Eine klare Storyline fehlt häufig, und es wird keine überzeugende Erzählung aufgebaut, die das Interesse der Investor*innen weckt. Zudem fehlt oftmals ein klares „Investment-Narrativ“, das die Investor*innen dazu motiviert, in das Unternehmen zu investieren. Zahlen werden entweder nicht integriert oder sind unrealistisch, und das „Why now“ bleibt ohne Antwort.

Ausweg: Gestalte dein Pitch Deck mit maximal 15 Folien und konzentriere dich auf die wesentlichen Punkte: Problem – Lösung – Markt – Geschäftsmodell – Team – Zahlen – Investment. Deine Präsentation sollte eine klare Storyline und einen roten Faden aufweisen. Vermeide zu viele technische Details und konzentriere dich darauf, was dein Unternehmen einzigartig macht. Visualisiere deine Konzepte und Daten, um die Präsentation ansprechend und verständlich zu gestalten. Baue ein klares und überzeugendes „Why now?“ ein, das den Investor*innen zeigt, warum sie jetzt investieren sollten. Am Ende sollte ein klarer Call to Action stehen.

5. Identifizierung der falschen Investor*innen

Ein häufiger Fehler ist, dass Gründer*innen keine klare Vorstellung davon haben, welche Investor*innen zu ihrem Unternehmen passen. Statt gezielt zu suchen, wird nur nach „dem großen Namen“ Ausschau gehalten. In vielen Fällen passen die Phase oder die Ticketgröße der Investor*innen nicht zu den Bedürfnissen des Unternehmens. Auch Branchenunabhängigkeit oder fehlende Vorbereitung auf die Ansprache führen zu einer ineffizienten Suche. Gründer*innen suchen zu wenig strategisch und nutzen ihre Netzwerke nicht, um potenzielle Investor*innen zu finden.

Ausweg: Definiere gezielt, welche Art von Investor*in für dein Unternehmen am besten geeignet ist. Überlege, ob du strategische Investor*innen, Family Offices oder Beteiligungsgesellschaften ansprechen möchtest, und achte darauf, dass diese zu deiner Unternehmensphase und Branche passen. Nutze Netzwerke wie M&A-Berater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen oder Industrieverbände, um potenzielle Investor*innen zu finden. Mach dir klar, dass nicht nur das Geld, sondern auch die Werte und Erwartungen der Investor*innen entscheidend sind. Die Chemie zwischen dir und dem/der Investor*in sollte stimmen.

6. Vernachlässigung der Kommunikation und Einbüßen von Vertrauen

Viele Gründer*innen kommunizieren zu wenig oder nur dann mit Investor*innen, wenn alles gut läuft. Dies kann dazu führen, dass sich Investor*innen im Unklaren über die tatsächliche Entwicklung des Unternehmens fühlen. Zu viel Marketing und zu wenig Realität schaffen Misstrauen, eine unstrukturierte oder unregelmäßige Kommunikation erschwert den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung. Auch eine abwehrende Haltung bei Kritik oder ein Mangel an emotionaler Intelligenz kann die Kommunikation belasten.

Ausweg: Baue eine offene und regelmäßige Kommunikation auf. Halte deine Investor*innen auch bei Rückschlägen auf dem Laufenden und sei transparent in deinen Updates. Zeige dich ehrlich, strukturiert und verbindlich. Achte darauf, dass deine Kommunikation nicht nur positiv, sondern auch realistisch und authentisch ist. Der Aufbau einer persönlichen Beziehung zu Investor*innen ist ebenso wichtig wie die sachliche Kommunikation. Zeige Verständnis und nimm kons­truktive Kritik an.

Die Autorinnen:

Martina Lackner ist Psychologin und Inhaberin der PR-Agentur cross M., https://crossm.de

Nela Novakovic ist Specialist in Business Strategy, Investor Pitching & Capital Acquisition, www.eyodwa.com

KI-Modelle erfolgreich im Unternehmen einführen

Worauf es bei der Implementierung von KI wirklich ankommt.

Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Sie kann Prozesse beschleunigen, große Datenmengen sinnvoll nutzbar machen und Entscheidungen unterstützen. Doch in der Praxis zeigt sich: Moderne Technologie allein führt noch nicht zum Erfolg. Entscheidend ist ein strukturiertes Vorgehen, bei dem Ziele klar definiert, Daten sorgfältig vorbereitet und organisatorische Rahmenbedingungen von Beginn an berücksichtigt werden. „Viele KI-Initiativen scheitern daran, dass am Anfang die Orientierung fehlt“, sagt Benedikt Weber, Geschäftsführer der applord GmbH. „Struktur schafft Entscheidungsfähigkeit – noch bevor über konkrete KI-Modelle gesprochen wird.“

Organisatorischer Wandel und Einbindung der Mitarbeitenden

Der Einsatz von KI verändert Arbeitsabläufe, Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege. Mitarbeitende arbeiten verstärkt mit automatisierten Systemen zusammen, Aufgaben verschieben sich, Rollen entwickeln sich weiter. Wird dieser Wandel nicht aktiv begleitet, entstehen Unsicherheiten oder Ablehnung gegenüber neuen Technologien. Erfolgreiche Unternehmen setzen deshalb auf transparente Kommunikation und frühzeitige Einbindung der Mitarbeitenden. Sie erklären, warum KI eingesetzt wird, welche Aufgaben sie übernimmt und wo menschliche Expertise weiterhin unverzichtbar bleibt. Fehlt dieses gemeinsame Verständnis, werden neue Systeme häufig nur eingeschränkt genutzt. „KI-Projekte scheitern selten an der Technologie“, betont Weber. „Viel häufiger fehlt ein klares Bild davon, welchen konkreten Nutzen KI für Mitarbeitende und Organisation wirklich bringt.“

Auswahl der passenden KI-Lösung

Das Angebot an KI-Lösungen wächst rasant. Für Unternehmen besteht die Herausforderung darin, nicht der technischen Vielfalt zu folgen, sondern eine Lösung zu wählen, die zum eigenen Geschäftsprozess passt. Der Ausgangspunkt sollte immer ein klar definierter Anwendungsfall sein: Welche Aufgabe soll KI konkret unterstützen oder verbessern? Neben den Funktionen spielen auch Fragen der Nachvollziehbarkeit, Integration in bestehende Systeme und regulatorische Anforderungen eine Rolle. Werden diese Aspekte zu spät berücksichtigt, entstehen Lösungen, die technisch leistungsfähig sind, im Alltag aber keinen Mehrwert liefern. „Viele Unternehmen wählen KI nach dem Funktionsumfang aus und stellen später fest, dass sie nicht zum eigenen Prozess passt“, erklärt Weber. „Erfolgreich ist KI dann, wenn sie Abläufe sinnvoll ergänzt und verständliche Ergebnisse liefert.“

Datenqualität als Grundlage für verlässliche Ergebnisse

KI-Modelle sind vollständig von der Qualität ihrer Daten abhängig. In vielen Unternehmen existieren relevante Informationen zwar, sie sind jedoch über verschiedene Systeme verteilt, unterschiedlich gepflegt oder historisch gewachsen. Diese Ausgangslage erschwert nicht nur den Einsatz von KI, sondern kann zu fehlerhaften oder schwer nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Datenmanagement ist daher keine einmalige Vorarbeit, sondern eine kontinuierliche Aufgabe. Dazu gehören klare Zuständigkeiten, regelmäßige Prüfungen und eine strukturierte Aufbereitung der Daten. „Der Aufwand für Datenqualität wird häufig unterschätzt“, sagt Weber. „Ohne geprüfte und konsistente Daten lassen sich keine stabilen und verlässlichen KI-Ergebnisse erzielen – unabhängig davon, wie gut das Modell ist.“

Schrittweise Einführung statt großer Umbruch

Statt KI sofort unternehmensweit einzusetzen, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Unternehmen können so mit klar abgegrenzten Anwendungsfällen beginnen, Lösungen im Alltag testen und die Ergebnisse anhand messbarer Kriterien, wie Benutzerfreundlichkeit oder verständlicher Anleitungen, bewerten. So lassen sich Risiken reduzieren und Erkenntnisse gezielt nutzen. Pilotprojekte liefern nicht nur technische Erkenntnisse, sondern zeigen auch, wie gut KI im Arbeitsalltag akzeptiert wird. Auf dieser Basis lässt sich entscheiden, welche Lösungen ausgebaut werden sollten. „Unternehmen, die mit überschaubaren Anwendungsfällen starten, treffen langfristig fundiertere Entscheidungen“, so Weber. „Praxiserfahrungen sind dabei deutlich wertvoller als theoretische Annahmen.“

Kein CEO mehr, und nun?

Sie haben ihre Start-ups nach Jahren intensiver Aufbauarbeit verlassen, sind als CEO aus der ersten Reihe getreten, um Platz für Neues zu machen: Vier Gründer*innen berichten, was das mit ihnen gemacht hat und wie sie damit umgegangen sind.

Als Start-up-Gründer*in wird es früher oder später passieren: Nachdem man jahrelang ein Unternehmen aufgebaut hat, wird der Zeitpunkt kommen, an dem man loslassen und Platz für Neues schaffen muss. So erging es auch den beiden Gründerinnen Mahdis Gharaei und Tanja Sternbauer von the female factor. „Als wir gegründet haben, haben wir eigentlich schon besprochen, wie lange wir das operativ machen wollen und wann wir in die strategische Richtung gehen“, erzählt Gharaei.

Über fünf Jahre widmeten sie sich mit ihrer Female-Leadership-Plattform der Mission, die weltweite Community von weiblichen Führungskräften zu stärken. „Wir haben uns am Anfang drei Jahre gegeben. Life happens: Pandemie, Krieg – es kamen immer wieder Dinge, wo wir gesagt haben, es braucht uns noch“, erinnert sich die ehemalige CEO. Doch 2023 kam schließlich der Moment, in dem es beiden klar war: „Wir saßen zusammen und wussten irgendwie: Es wird Zeit“, so Sternbauer weiter.

Auch beim Kinderfahrrad-Scale-up woom war von Anfang an abgesprochen, dass sich die Gründer früher oder später aus dem operativen Geschäft zurückziehen. „Es war uns beiden immer klar, dass wir das nicht für immer und ewig machen können“, sagt Co-Founder Christian Bezdeka. „Wir sind nur für eine gewisse Phase des Unternehmens gut, weil wir ganz klar die Start-up-Typen sind.“ Nach fast neun Jahren über­gaben sie das Unternehmen 2022 an einen neuen CEO. „Diese Entscheidung passiert nicht über Nacht. Es ist so ein Gefühl, das man hat“, schildert Co-Founder Marcus Ihlenfeld.

Emotionen und Leere

„Emotional“: So beschreibt Gharaei das Gefühl, als the female factor öffentlich machte, dass sie und Sternbauer ihre Rolle als CEO abgeben. „Ich kann mich an den Moment erinnern, als wir die Pressemitteilung ausgeschickt haben. Ich war gerade auf Bali, weil ich mir eine Auszeit gönnen wollte. Ich saß in diesem Moment in einem Taxi und habe einfach angefangen zu weinen. Ich wusste, dass es passiert, und es war dennoch emotional. Ich dachte: Wer bin ich jetzt und was mache ich jetzt?“, erinnert sie sich. Diese Leere können auch die woom-Gründer gut nachvollziehen: „Wir haben es keine Sekunde bereut, den Schritt gemacht zu haben. Trotzdem ging es uns nicht gut. Das hatte damit zu tun, dass dann eine große Leere gekommen ist“, erzählt Bezdeka.

Nachfolge intern oder extern?

Emotional kann man sich auf den Moment, in dem man sein eigenes Unternehmen in andere Hände legt, kaum vorbereiten. Umso wichtiger war es den the-female-factor-Gründerinnen, das Unternehmen strukturiert auf diesen Übergang vorzubereiten. „Wir haben das über ein Jahr lang geplant. In diesem Jahr haben wir nach und nach immer mehr Aufgaben abgegeben“, so Sternbauer. Schon früh zeichnete sich ab, dass zwei interne Mitarbeiterinnen die Nachfolge antreten würden. „Sie sind bei uns von intern zu VP zu C-Level aufgestiegen. Sie sind die komplette Career Journey mit the female factor gegangen“, sagt die Co-Founderin. Weil Lisa Ambros und Olena Kondratenko zuvor noch keine Führungsrolle übernommen hatten, war es den Gründerinnen besonders wichtig, sie gemeinsam mit einer Leadership-Coachin auf ihre neue Verantwortung vorzubereiten.

Eine externe Lösung stand dabei nie ernsthaft zur Debatte. „Für mich wäre es schwierig gewesen, einer externen Person zu 1000 Prozent zu vertrauen. Lisa und Olena kennen wir schon seit fünf Jahren und wissen, wie sie in gewissen Situationen reagieren. Wir kennen ihr Wertesystem, und für mich ist ein hundertprozentiges Vertrauen da“, erklärt Gharae. „Die zwei sind perfekt für die Aufgabe. Die machen es in vielen Bereichen noch viel besser als wir.“

Auch bei woom fiel die Wahl zunächst auf eine interne Nachfolge: Paul Fattinger, bereits zwei Jahre im Unternehmen, übernahm im Oktober 2022 die CEO-Rolle und übergab sie zwei Jahre später an eine externe Führungskraft, den heutigen CEO Bernd Hake. Fattinger habe woom „nach vier intensiven Jahren im besten gegenseitigen Einvernehmen verlassen“, erklären die Gründer. „Unter seiner Führung hat sich woom vom Start-up zum Scale-up entwickelt und entscheidende Meilensteine erreicht. Paul hat woom durch eine herausfordernde Phase geführt und ein starkes Fundament gelegt, auf das Bernd nun aufbauen kann.“

Mit dem Wechsel wollten die Gründer neue Impulse setzen und gezielt Führungserfahrung für die nächste Phase der globalen Skalierung ins Unternehmen holen. Ganz nach ihrem Motto: „Jeder CEO zu seiner Zeit.“ „Unser Ziel war es immer, uns mit Menschen zu umgeben, von denen wir lernen können – auch wenn das bedeutet, nicht der Klügste im Raum zu sein“, sagt Bezdeka. „Wir können sehr gut mit Chaos, aber diese Strukturen dann auszubauen ist dann nicht mehr so spannend für uns.“ Das Gründerduo suchte gezielt nach einem CEO, der nicht nur führt, sondern langfristig Strukturen schafft. „Für uns war es wichtig, jemanden an Bord zu holen, der Dinge bis zum Schluss durchdenkt. Wir sind eher die, die mal schnell eine Entscheidung treffen“, so Ihlenfeld. „Die passende Nachfolge zu finden war kein geradliniger Weg – es gab einige Lernschritte auf dem Weg dorthin.“

Neue Chancen

Warum also geht man diesen Schritt als Gründer*in und lässt das eigene Unternehmen, in das man jahrelang Zeit, Kraft und Leidenschaft gesteckt hat, weiterziehen? „Wir haben gemerkt, dass es nicht mehr unsere Berufung und unser Traum war. Es hat uns echt sehr viel Energie gekostet“, erklärt Bezdeka. „Der logische Schluss ist, zu gehen. Dann kommen andere, die genau für diese Unternehmensphase geeignet sind – und viel besser sind als man selbst.“

Dass es oft genau dieser Schritt ist, der einem Unternehmen neue Chancen eröffnet, bestätigt auch Nikolaus Franke. „Ein Start-up ist grundsätzlich etwas extrem Dynamisches. Im Prozess ändern sich die Herausforderungen: In der frühen Phase lebt ein Start-up oft von der Vision, Energie und Risikobereitschaft der Gründer*innen; doch wenn das Unternehmen wächst, braucht es klare Strukturen, Prozesse und den klaren Willen zur Skalierung“, so der Gründer und Direktor des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Manchmal wachsen die Fähigkeiten des Gründers mit, manchmal passen sie nicht mehr. Dann ist ein gut geplanter Wechsel sinnvoll“, erklärt Franke.

Bei the female factor war – ähnlich wie bei woom – irgendwann einfach die Luft raus. Es war Zeit, Platz zu machen für frischen Wind. „Wir beide sind eher Builder als System-Maintainer“, so Gharaei. Nach intensiven Aufbaujahren fehlte den Gründerinnen die Energie, das Unternehmen weiterhin mit der gewohnten Kraft voranzutreiben. „Das Problem in einem Start-up-Umfeld ist, dass es nie genug ist“, sagt Sternbauer. „Du gibst immer dein Bestes – und trotzdem waren wir nie an dem Punkt, wo wir dachten, wir könnten mal chillen.“ Der Rückzug aus der Führungsrolle bedeutete deshalb auch ein Gefühl von Erleichterung.

BMWE vereinfacht die exist Gründungsförderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat die exist Förderung für Gründungen aus der Wissenschaft deutlich vereinfacht, um den Prozess effizienter, weniger bürokratisch und transparenter zu gestalten.

Das exist Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie fördert wissensbasierte Existenzgründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Ziel ist es, den Transfer von Forschungsergebnissen in Deutschland zu stärken und die Verwertung von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu fördern und Wissenschaftler für die Karriereoption Unternehmer zu qualifizieren.

Die wesentlichen Änderungen umfassen die vollständige Digitalisierung der Anträge, die Reduzierung der benötigten Unterlagen, die Einführung von Pauschalen bei Sachmitteln und die Vereinfachung der Projektregularien. Zudem gibt es eine neue, benutzer*innenfreundliche Website und eine IP-Dealdatenbank, die den Zugang zu Patenten und anderem geistigem Eigentum erleichtert.

Die konkreten Verbesserungen im Überblick

  • Digitalisierung: Die Antragstellung und Bescheiderteilung erfolgen nun vollständig digital, was das Schriftformerfordernis abschafft.
  • Weniger Bürokratie: Die Anzahl der Antragsformulare für das exist Gründungsstipendium wurde halbiert und der Umfang des Ideenpapiers reduziert.
  • Pauschalen: Sachmittel können im exist Gründungsstipendium und bei exist Women pauschal beantragt und abgerechnet werden, wodurch Einzelbelege nicht mehr eingereicht werden müssen.
  • Vereinfachte Projektdurchführung: Die Auflagen und Meilensteine während der Projektlaufzeit wurden in den Förderlinien exist Gründungsstipendium und exist Forschungstransfer reduziert.
  • Erhöhte Transparenz: Eine neue, nutzer*innenfreundlichere Website und eine klare Kommunikation der Anforderungen sollen den Prozess für Gründer*innen vereinfachen und beschleunigen.
  • IP-Dealdatenbank: Eine neue Datenbank erleichtert den Zugang zu geistigem Eigentum wie Patenten, die für wissenschaftsbasierte Gründungen oft essenziell sind.

Mehr Infos zur exist Gründungsförderung gibt’s hier

Wachstumsfalle Teamkultur

Was passiert, wenn niemand im Team mehr sagt, was er/sie wirklich denkt, und warum viele Start-ups nicht an Konflikten, sondern am Schweigen scheitern.

Es ist Montagvormittag. Der Meetingraum ist voller Kolleg*innen. Es wird auf Schreibblöcken gekritzelt und aus dem Fenster geschaut. „Findet ihr die Idee gut?“, fragt die Leitung in die Runde. Die Blicke der Teammitglieder wandern auf den Boden, niemand sagt etwas. Absolute Stille im Raum. Wieder die Leitung: „Super, dann werte ich das als Ja!“ Das Meeting wird beendet, die Mitarbeitenden verlassen mit leeren Gesichtern den Raum. Zweifel am neuen Konzept werden in Einzelgesprächen im Flurfunk besprochen.

Was kostet dieses Schweigen? Produktivität? Innovation? Talentbindung?

Denn was wir hier beobachten, ist keine Zustimmung, sondern ein klares Signal, dass etwas getan werden muss. Bleierne Stille und die Abwesenheit offen ausgetragener Konflikte sind deutliche Zeichen von Resignation und nicht einer vermeintlich harmonischen Teamkultur. Stille im Team und Resignation beginnen als schleichender Prozess. Am Anfang der Unternehmensgründung herrscht Euphorie. Jede Idee klingt nach Aufbruch und jedes Meeting nach Zukunft. Doch irgendwann wird das Schweigen laut. Fragen werden nicht mehr offen gestellt und Kritik bleibt häufig unausgesprochen, Slack-Threads enden mit Emojis statt Worten. Gründer*innen wundern sich über plötzliche Kündigungen und merken zu spät: Die Kultur, die sie für harmonisch hielten, ist längst verstummt.

Wenn Selbstschutz und Zurückhaltung wichtiger werden als die Wahrheit

In vielen Start-ups dominieren Geschwindigkeit, Innovation und der permanente Druck, schnell gute Ergebnisse zu liefern. Gefühlt bleibt keine Zeit, die eigenen Zweifel zu erklären und Ideen infrage zu stellen. In einer „Hustle-Culture“ liegt der Fokus auf sofortiger Umsetzung. Werden Rückfragen in Meetings persönlich genommen und Ideen öffentlich bewertet, entsteht etwas, was Kommunikationspsycholog*innen „Schutzschweigen“ nennen. Man hält sich zurück, um andere nicht zu überfordern und ignoriert dabei die eigene Wahrnehmung, sich selbst und andere betreffend. Langsam und schleichend entsteht eine neue kommunikative Grundtendenz im Team: Niemand will mehr kritisch sein. Also schweigen alle aus Rücksicht, Bequemlichkeit oder Angst, das fragile Miteinander zu stören. Was also kurzfristig stabilisierend erscheint, kann langfristig jede Lernbewegung und jede offene, ehrliche Teamkultur unterdrücken.

Schweigen ist keine Leere, sondern ein stiller Störfaktor

Wir alle wissen, Konflikte verschwinden nicht, sie verändern nur ihre Form. In der Stille wachsen unausgesprochene Kränkungen, Missverständnisse und Rückzugsstrategien. Was bleibt, ist eine Atmosphäre aus vorsichtiger Höflichkeit, persönlicher Verletztheit, innerer Kündigung, Abgrenzung und Selbstschutz. Ein toxischer Cocktail, der nicht nur einem Start-up die Existenzgrundlage raubt. Denn nicht Streit zerstört Teams, sondern fehlende Reibung und die damit verbundene Klärung. In einer stillen und zurückhaltenden Atmosphäre kann Selbstzensur zur Tagesordnung werden, kreative Ansätze werden im Keim erstickt.

Die sieben Red Flags einer stillen Teamkultur

Eine belastete Unternehmenskultur ist an folgenden Signalen erkennbar:

  • In Meetings sprechen immer dieselben; meist eine bis drei Personen.
  • Auf Feedback und Verbesserungsvorschläge wird grundsätzlich verzichtet.
  • Die freiwillige Beteiligung an optionalen Aufgaben sinkt rapide.
  • Informationen werden bewusst zurückgehalten.
  • Kreativitäts- und Innovationsverluste werden sichtbar.
  • Unsicherheit und Erschöpfung der Mitarbeitenden werden deutlich spürbar.
  • Die Körpersprache der Mitarbeitenden spricht Bände (verschränkte Arme, starre Körperhaltung, abschweifende Blicke). „Passt schon“- oder auch „Mir egal“-Reaktionen ersetzen offene Diskussionen.

Die Rückkehr zu Klarheit und Transparenz ohne Angst vor Konflikten

Das Gefühl von Sicherheit im Unternehmen entsteht nicht durch Wertetafeln an der Wand. Es ist die Form der Führung, die Unsicherheiten wahrnimmt, aushält und entscheidend trägt.

Wenn Gründer*innen sagen „Ich nehme Stille wahr. Ist das Zustimmung, Nachdenklichkeit, Ablehnung oder Unsicherheit? Wer empfindet das auch?“ entsteht Raum für das, was Deeskalation ausmacht: Verbindung statt Bewertung.

In solch einem betrieblichen Umfeld lernen Teammitglieder: Hier darf man ehrlich sein, ohne verurteilt zu werden. Doch wie gelingt das? Es kann helfen, regelmäßig Räume zu schaffen, in denen Fehler analysiert werden. Dabei liegt der Fokus nicht auf Schuldfragen, sondern auf dem riesigen Wachstumspotenzial, das mit Fehlern einhergeht. Denn neben individuellen Faktoren, sind Fehler häufig Indikatoren für Verbesserungsbedarf in strukturellen Abläufen des Unternehmens.

Fragen wie „Was können wir als Team daraus lernen?“ und „Welche Struktur braucht Veränderung, um ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden?“ können eine Teamkultur bewusst fördern, in der konstruktiv mit Kritik gearbeitet wird, zum Beispiel mit „Lesson-learned“-Slack-Threads statt persönlichen Schuldzuweisungen.

Eine etwas anonymere und niederschwellige Methode kann der „Markt der Konfliktlösung“ sein. Dazu schreibt jedes Teammitglied die Ursache aktueller Spannungen oder Unsicherheiten anonym auf eine Karte. Die Karten werden in der Mitte des Raumes verteilt und die Teammitglieder haben im Anschluss die Aufgabe, sich eine Karte auszusuchen und Lösungen für das Problem vorzuschlagen. Auf diese Weise kommen Konflikte buchstäblich zeitnah auf den Tisch und können kollektiv gelöst werden.

Drei Mikro-Übungen gegen das Schweigen

Diese drei Interventionen verhindern, dass Teams in kritische Dynamiken rutschen:

Die „Zweifelrunde“: Bei der Vorstellung neuer Konzepte kann es helfen, bewusst die möglichen Probleme einer Idee anzusehen und damit die kollektive Problemlösungskompetenz der Mitarbeitenden zu fördern. Dazu wird mit „Blitzlicht-Methode“ erfragt: Was spricht dagegen? Zweifel werden aktiv erfragt und die Teammitglieder haben gemeinsam die Möglichkeit, sich kreativ einzubringen und nach Lösungen und Alternativen zu suchen. So können Prozesse optimiert werden, bevor Probleme entstehen. Vielleicht wird gealbert und gelacht, vielleicht gestritten, aber in jedem Fall werden eine offene Meinungskultur im Team und die Verbindung untereinander gefördert.

Das „Freiraum-Meeting“: Wöchentlich 20 Minuten, keine Agenda, keine Entscheidungen. Nur drei Fragen: Was lief diese Woche emotional gut? Wo habe ich etwas heruntergeschluckt, das mich noch beschäftigt? (3-Tage-Regel: Wenn ich dann immer noch dran denke, ist es klärenswert). Was will ich ansprechen, ohne dass es persönliche Konsequenzen hat? Das ist Deeskalation in Reinform, präventiv statt reaktiv.

Vielschichtige Rollen trennen, bevor sie kollidieren: „Ich spreche jetzt als Entwicklerin, nicht als Freundin.“ Indem wir diese Rollen klar trennen, stellen wir sicher, dass persön­liches Feedback nicht durch Beziehungsnähe blockiert wird.

Strukturen schaffen, die Sicherheit und Wachstum fördern

Der häufigste Grund für Unzufriedenheit am Arbeitsplatz ist die fehlende Wertschätzung im Team. Statt unter neidischen Blicken der Belegschaft den/die „Mitarbeiter*in des Monats“ zu küren und damit den Konkurrenzdruck zu erhöhen, könnte man auch wöchentlich eine moderierte „10-Minuten-Danke-­Runde“ einführen.

Sie würde die Teamleistung in den Fokus stellen und beispielsweise verdeutlichen, dass Einzelne nur deshalb Höchstleistungen vollbringen können, weil andere sie unterstützen. Das schafft psychologische Sicherheit, die gerade in Start-ups entscheidend ist, deren Erfolg von Experimentierfreude und schneller Umsetzung abhängt.

Die Autorin Josefine Wilberg ist Deeskalationstrainerin, Dozentin und psychologische Ersthelferin, www.mindandmoments.com

Ghosting im Vertrieb

Was tun, wenn Engagement und Herzblut plötzlich in Funkstille enden? Tipps und To-Dos.

Jede(r) Verkäufer*in kennt das: Erst läuft alles vielversprechend. Der/die Kund*in zeigt Interesse, das Gespräch war angenehm, das Angebot ist raus – und dann passiert nichts mehr. Keine Antwort, kein Nein, kein Feedback. Nur Stille. Schnell entsteht das Gefühl, gegen eine Wand zu reden.

Ghosting ist im Vertrieb längst Alltag. Und es trifft viele hart, weil sie die Funkstille als persönliche Zurückweisung empfinden. Dabei steckt selten böswillige Ablehnung gegenüber dem/der Anbieter*in dahinter. Viel häufiger ist es Überforderung, Prioritätenverschiebung oder schlicht Entscheidungsvermeidung. Was also tun, wenn der/die Kund*in abtaucht – oder besser noch: Wie lässt sich verhindern, dass es überhaupt so weit kommt?

Früh Verbindlichkeit schaffen

Ghosting beginnt meist dort, wo es keine klaren Vereinbarungen gibt. Viele Verkäufer*innen verlassen ein Gespräch mit einem Satz wie: „Ich schicke Ihnen das Angebot, dann hören wir voneinander.“ Klingt höflich, aber ist das Einfallstor für Funkstille. Besser ist es, Verbindlichkeit anzustreben. Beispielsweise mit „Ich sende Ihnen das Angebot bis Dienstag. Wollen wir Mittwoch kurz telefonieren, um Ihre Eindrücke zu besprechen?“ Das schafft Verbindlichkeit – auf beiden Seiten. Der/die Verkäufer*in bleibt in Führung, ohne zu drängen. Und sollte der/die Interessent*in an einem solchen Gespräch nicht interessiert sein, scheint diese(r) Vorbehalte zu haben, die es am besten noch vor der aufwendigen Erstellung eines Angebots zu thematisieren gilt.

Mehr als eine Kontaktperson

Oft liegt Ghosting gar nicht am Kund*innenunternehmen, sondern an einer einzelnen Person. Vielleicht darf sie nicht entscheiden, vielleicht ist sie überfordert oder intern blockiert. Wer nur mit einem/einer Ansprechpartner*in redet, macht sich nun mal schnell abhängig. Fragen Sie deshalb möglichst früh: „Wer sollte bei der Entscheidung noch involviert sein?“ oder „Mit wem sollte ich das Thema ebenfalls besprechen, damit es intern rundläuft?“ Zwei, drei Kontakte im Unternehmen sichern die Beziehung ab – auch wenn einer plötzlich „verschwindet“. Darüber hinaus kann es wertvoll sein, nicht nur die E-Mail-Adressen der Ansprechpartner*innen zu haben, sondern beispielsweise deren direkte Telefonnummern.

Frühwarnsignale ernst nehmen

Ghosting kündigt sich fast immer an: längere Antwortzeiten, vage Aussagen, kurze Mails, fehlende Energie im Gespräch. Viele Verkäufer reagieren mit noch mehr Höflichkeit oder Ungeduld bzw. Druck. Beides hilft in der Regel nicht weiter! Besser ist es, das Thema direkt anzusprechen: „Ich habe den Eindruck, die Angelegenheit hat im Moment weniger Priorität. Liege ich da richtig?“ Das klingt ehrlich und professionell. Und es bringt Klarheit – oft sogar Respekt.

Unsicherheiten offen ansprechen

Ein häufiger Grund für Funkstille: Der/die Kund*in traut sich nicht, seine/ihre Bedenken zu äußern – sei es wegen Preis, Risiko oder interner Diskussionen. Anbietenden sollten diese Unsicherheiten selbst aufgreifen. Vielleicht mit „Viele Kund*innen fragen sich an diesem Punkt, ob sich die Investition wirklich lohnt. Wie sehen Sie das?“ Wer solche Fragen stellt, bekommt Einblick in die echte Denkwelt des/der Anderen. Und wer weiß, woran es hängt, kann Lösungen anbieten, statt zu hoffen.

Kleine Zusagen statt großer Hoffnungen

Kleine Vereinbarungen halten den Kontakt am Leben. Ein Feedback zum Konzept, ein Termin zur Demo, ein internes „Go“ für den Testlauf – all das verhindert Funkstille. Wichtig ist, Interessent*innen und Kund*innen aus der Konsument*innenhaltung zu bringen: Wenn nur der/die Anbieter*in arbeitet und der/die Anfragende „nur“ empfängt, identifiziert sich diese(r) oft nicht vollumfänglich mit der Lösung. Warum auch, schließlich hat er/sie sich ja selbst gar nicht wirklich eingebracht. Darum kann es nicht schaden, dem Gegenüber hin und wieder kleine Aufgaben zu geben. Beispielsweise soll diese(r) etwas ausmessen, fotografieren oder Ähnliches. So wird die Zusammenarbeit mehr zu einer „gemeinsamen Sache“ – und der Kontakt läuft insgesamt auf einer ganz anderen Ebene ab.

Kommunikation mit Nutzen – nicht mit Nachdruck

Wer immer nur dann Kontakt zu dem/der Kund*in sucht, wenn er/sie etwas verkaufen will, fängt schnell an zu langweilen. Wer dagegen in jedem Gespräch und jeder Nachricht echten Mehrwert liefert, bleibt interessant. Ghosting entsteht oft, weil Verkäufer*innen belanglos, ermüdend oder austauschbar kommunizieren. Ein nützlicher Gedanke, eine Marktinformation, eine Erfahrung – das reicht oft schon, um wieder ins Gespräch zu kommen.

Wenn Funkstille droht: Haltung zeigen

Manchmal hilft ein ehrlicher Satz mehr als die zehnte Erinnerungsmail: „Ich merke, dass wir keinen Kontakt mehr haben. Wollen wir das Thema vorerst ruhen lassen?“

Das wirkt ruhig, respektvoll und souverän. Und es zeigt, dass hier jemand ist, der sein Geschäft ernst nimmt, aber nicht abhängig ist. Viele Kund*innen reagieren genau auf diese Haltung mit einer (langersehnten) Antwort, weil sie spüren, dass sie mit einem Profi sprechen.

Abschließen – aber mit Würde

Wenn sich wirklich nichts mehr bewegt, ist ein klarer Abschluss besser als wochenlanges Schweigen. Vielleicht eine E-Mail mit der Botschaft: „Ich nehme an, das Projekt ist aktuell nicht mehr für Sie relevant. Geben Sie mir bitte ein Signal, sobald sich dies bei Ihnen ändert.“ Das ist kein Aufgeben. Es ist ein sauberes Beenden – mit Option auf Neubeginn. Und erstaunlich oft kommt der Kunde zurück, weil er merkt: Diese(r) Verkäufer*in bleibt ruhig und zuverlässig und ist nicht beleidigt.

Charakter zeigen

In einer Welt voller digitaler Nachrichten fällt Persönlichkeit auf. Ein kurzer Videogruß, eine handschriftliche Karte, ein humorvoller Reminder. Das sind alles Gesten, die zeigen, dass sich da wirklich jemand kümmert. Wer mag, kann auch mal etwas Verrücktes machen. Ein(e) Verkäufer*in könnte beispielsweise eine Postkarte mit der Botschaft „Ich wollte mich nur vergewissern, dass Sie nicht von meinem Angebot erschlagen wurden“ senden. Vielleicht findet der/die Kund*in das ja originell und meldet sich (eher) von sich aus wieder zurück. Letztlich geht es darum, am besten von Anfang an Momente zu schaffen, die menschliche Verbindung bewirken. Denn wenn man miteinander reden mag bzw. kann, dann kommt man auch schneller im Dialog zu einem klaren Ja oder Nein.

Ghosting als Lernchance nutzen

Ghosting ist kein Angriff, sondern ein Signal. Es zeigt, dass irgendwo im Prozess etwas gefehlt hat. Vielleicht Timing, eventuell Relevanz oder Klarheit. Es gilt, aus Ghosting zu lernen:

  • Wann ist die Funkstille entstanden?
  • Hätte ich früher Klarheit schaffen können?
  • Was hat dem/der Kund*in vielleicht gefehlt?

Ghosting ist die moderne Form von „Wir melden uns (nie) wieder“. Doch Verkäufer*innen, die früh Verbindlichkeit schaffen, echte Gespräche führen und mit Haltung reagieren, erleben deutlich weniger Funkstille. Denn am Ende entscheidet im Vertrieb nicht der perfekte Pitch, sondern die Art, wie man mit Menschen umgeht. Insbesondere dann, wenn sie still werden.

Der Autor und Verkaufstrainer Oliver Schumacher setzt unter dem Motto „Ehrlichkeit verkauft“ auf sympathische und fundierte Art neue Akzente in der Verkäufer*innenausbildung.

Gründer*in der Woche: Ghazaleh Madani – Seid geduldig, aber beharrlich!

Im Interview: Wie Ghazaleh Madani, Mitgründerin und CEO des BioTech-Start-ups CanChip, personalisierte Krebstherapien mithilfe ihrer Tumor-on-Chips Wirklichkeit werden lassen will.

Ghazaleh, du bist 2020 aus dem Iran nach Deutschland gekommen, hast hier mehrere Studiengänge erfolgreich absolviert und 2023 CanChip gegründet. Wie hast du diese rasante Reise gemeistert und was treibt dich an?

Meine akademische Laufbahn begann mit einem Studium der Biotechnologie im Iran, immer mit dem Ziel, zur Krebsforschung beizutragen – eine persönliche Mission, die von der Krebserkrankung meiner Mutter geprägt war. Diese Motiva­tion blieb auch bestehen, als ich nach Deutschland kam und meinen Master in Biochemie und Molekularbiologie absolvierte.

Die Idee zu CanChip entstand, als ich meinen Mitgründer Dr. Omid Nejati traf und wir über das Potenzial von Tumor­on-chip-Technologien diskutierten. Das war ein Wendepunkt: Ich erkannte, wie wir Ingenieurskunst und Biologie kombinieren können, um etwas wirklich Wirkungsvolles zu schaffen.

Was mich antreibt, ist die Möglichkeit, Patient*innen einen schnelleren und präziseren Weg zur Behandlung zu ermöglichen und letztendlich die Art und Weise zu verändern, wie wir Krebs bekämpfen.

Welche Vision verfolgst du mit CanChip?

Bei CanChip wollen wir personalisierte Krebstherapien Wirklichkeit werden lassen, indem wir die Mikroumgebung von Tumoren auf einem Mikrofluidik-Chip simulieren. Unser Ziel ist es, die Arzneimittelprüfung von Tieren auf prädiktive Modelle mit menschlichen Zellen umzustellen. Wir möchten die Plattform der Wahl für Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen werden, die bessere Werkzeuge für die Entwicklung von Krebsmedikamenten suchen. Über die Forschung hinaus ist es unsere langfristige Vision, patient*innenabgeleitete Tumore in unsere Chips zu integrieren, sodass Ärzt*innen Therapien vor ihrer Anwendung am Patient*innen in vitro testen können. Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der die Krebstherapie mit „Versuch und Irrtum“ durch Präzision und Zuversicht ersetzt wird.

Wie unterscheidet sich euer Ansatz von den bestehenden Methoden?

Traditionelle 2D-Zellkulturen und Tiermodelle können die Komplexität menschlicher Tumore oft nicht abbilden. Unsere Tumor-on-Chip-Modelle beinhalten mehrere menschliche Zelltypen – wie Krebszellen, Endothelzellen und Immunzellen – die in einer 3D-Matrix in einem dynamischen Mikroflüssigkeitssystem eingebettet sind. Diese Anordnung bildet die menschliche Tumorumgebung genauer ab als bestehende Plattformen.

Der Vorteil? Zuverlässigere Daten zur Arzneimittelwirkung, weniger Tierversuche und letztlich eine schnellere und sicherere Entwicklung von Therapien. Unser Modell ist besonders wertvoll für seltene oder therapieresistente Krebsarten wie Glioblastome. Derzeit schließen wir unsere Machbarkeits­studien ab und bereiten uns auf Kooperationen mit pharmazeutischen Partnern vor.

Künstliche Intelligenz verändert immer mehr Bereiche. Welche Rolle spielt KI in deinem Fachgebiet?

Künstliche Intelligenz wird in der personalisierten Krebsforschung immer wichtiger, insbesondere bei unseren Organ­-on-Chip-Modellen. Wir nutzen KI derzeit für die automatisierte Bildanalyse, um die Zellmorphologie und die Reaktion auf Medikamente objektiv zu bewerten. Wir werden die KI-Nutzung ausweiten, um komplexe Daten wie Genexpression und Bildgebung zu analysieren und Vorhersagemodelle für patient*innenspezifische Arzneimittelreaktionen zu erstellen. KI wird auch dazu beitragen, den Versuchsaufbau zu optimieren, beispielsweise die Zellkombinationen und die Mikrofluidik-Einstellungen. Langfristig wird KI für die präklinische Forschung und die personalisierte Medizin unerlässlich sein, indem sie Muster in der komplexen Biologie aufdeckt und die Arznei­mittelentwicklung durch datengestützte Entscheidungen beschleunigt.

Die Tumor-on-Chip-Technologie ist nicht unumstritten, und der Weg zu tierversuchsfreien Arzneimittelzulassungen nicht einfach. Was sagst du den Kritiker*innen?

Es stimmt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch immer stark auf Tierversuche angewiesen sind. Aber die Wissenschaft entwickelt sich weiter.  Die Tumor­on-Chip-Technologie zielt nicht darauf ab, alle bestehenden Methoden über Nacht zu ersetzen, sondern ergänzt und verbessert sie. Kritiker*innen übersehen oft die Vorteile der Reproduzierbarkeit und der ethischen Vertretbarkeit von in-vitro-Modellen mit menschlichen Zellen. Zudem sind die Regulierungsbehörden zunehmend offen für alternative Methoden, wenn diese zuverlässige Daten liefern. Unsere Aufgabe ist es, zu zeigen, dass unsere Chips konsistente und biologisch aussagekräftige Ergebnisse liefern können. Skepsis ist bei Innovationen normal, aber wir sehen sie als eine Einladung, uns zu verbessern und zu beweisen, dass wir zuverlässige Ergebnisse liefern können.

Ihr seid gerade dabei, eure Chips zu validieren und zu zertifizieren. Welchen Herausforderungen habt ihr euch dabei zu stellen?

Die größte Herausforderung ist die Standardisierung eines hochkomplexen biologischen Systems. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Chips reproduzierbare Ergebnisse liefern, unabhängig von Charge und Krebsart. Gleichzeitig müssen wir klare Protokolle für Qualitätskontrolle und Dokumentation entwickeln, die den regulatorischen Erwartungen entsprechen. Eine weitere Herausforderung ist die Skalierbarkeit: der Übergang von Laborprototypen zu robusten, benutzer*innenfreundlichen Plattformen für die industrielle Nutzung. Das betrifft Materialien, Automatisierung und Kostenoptimierung – und das alles bei gleichzeitiger Wahrung der biologischen Integrität.

Wann erwartest du die Zulassung und welche Aufgaben müssen bis dahin erledigt werden?

Die Zulassung ist ein mehrstufiger Prozess. Wir streben zwar keine direkte medizinische Zulassung an (noch nicht), aber unsere Chips müssen als valide Werkzeuge für die vorklinische Prüfung akzeptiert werden. In den nächsten 12 bis 18 Monaten wollen wir unter anderem Validierungsstudien veröffentlichen, die von Expert*innen geprüft wurden, wichtige pharmazeutische Kooperationen sichern und Qualitätssysteme einführen, die den ISO-Normen entsprechen.

Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden: Wir sind aktiv in Netzwerken und Konsortien tätig, um uns über die neuesten Richtlinien zu informieren. Wir hoffen, innerhalb von zwei Jahren den Status einer akzeptierten vorklinischen Prüfung zu erreichen und kurz darauf mit der Anwendung an Patient*innen beginnen zu können.

BioTech-Start-ups benötigen langfristige Unterstützung und erhebliches Kapital. Wer sind eure Unterstützer*innen und Investor*innen?

Wir haben das Glück, ein starkes Netzwerk an Unterstützer*innen zu haben. Wir erhielten frühzeitig den Newcomer of the Year 2025 German Startup Award, den Sonderpreis des Brandenburg Innovation Awards, den Jurypreis beim Female Start-Aperitivo und viele weitere Auszeichnungen, was uns half, mehr Sichtbarkeit zu erlangen. Der Wissenschaftspark Potsdam hat uns mit Infrastruktur, Mentoring und einer lebendigen Start-up-Ökosystem-Umgebung unterstützt. Wir haben auch von Netzwerken wie der HealthCapital Berlin-Brandenburg profitiert. Obwohl wir derzeit selbst­finanziert sind und von Pilotstudien und Kooperationen unterstützt werden, bereiten wir uns aktiv auf eine Seed-Finanzierungsrunde vor, um unser Team zu erweitern und die Produktion zu skalieren.

Ein Blick in die Zukunft: Wie nah sind wir daran, eine wirklich personalisierte Krebstherapie für die Mehrheit der Patient*innen zu ermöglichen?

Wir sind näher dran, als wir denken. Fortschritte in der molekularen Diagnostik, der Einzelzellanalyse und der Organ-on-Chip-Technologie laufen auf ein gemeinsames Ziel hinaus. Was noch fehlt, ist die Integration, und hier sind Start-ups führend. Wir agieren schnell, wir gehen Risiken ein und schließen die Innovationslücken, die von größeren Institutionen hinterlassen werden. Personalisierte Krebstherapien werden zum Standard, wenn Plattformen wie unsere innerhalb der klinischen Fristen handlungsrelevante Ergebnisse liefern können. Wir sind davon überzeugt, dass Tumor­on-Chip-Modelle innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre zu Standardwerkzeugen in der Onkologie werden und Start-ups wie CanChip diese Transformation anführen werden.

Was möchtest du anderen (BioTech-)Gründer*­innen mit auf den Weg geben?

Aus wissenschaftlicher Sicht war die Gründung eines Start-ups ein großer, aber auch lohnender Schritt. Sprecht früh mit potenziellen Kund*innen. Diese Gespräche halfen uns, unser Produkt zu formen und wirkliche Bedürfnisse zu entdecken. BioTech braucht Zeit. Zellkultur, Qualitätskontrolle, Partnerschaften. alles bewegt sich langsamer als geplant.

Seid geduldig, aber beharrlich. Soft Skills wie Kommunikation, Resilienz und strategisches Denken sind genauso wichtig wie wissenschaftliche Expertise.

Vermeidet die Perfektionismusfalle: Beginnt mit dem, was ihr habt, und verbessert iterativ. Mein Rat: Baut ein starkes Team auf, bleibt fokussiert auf eure Mission und habt keine Angst vor Fehlern; sie sind Teil des Prozesses. Verbindet wissenschaftliche Exzellenz mit unternehmerischem Mut. Diese Mischung kann euch wirklich voranbringen, auch in einem komplexen Bereich wie BioTech.

Ghazaleh, Danke für deine Insights

osapiens übernimmt Berliner Start-up Lucent AI

Das 2023 von Max Wolff und Moritz Wolff gegründete Start-up Lucent AI hat eine Plattform entwickelt, die die Identifizierung, Bewertung und Quantifizierung von Risiken unterstützt. Jetzt wurde das Berliner Start-up von osapiens, einem führenden deutschen Softwareanbieter für Nachhaltigkeits- und Transparenzlösungen, übernommen.

Lucent AI quantifiziert Risiken präziser, erkennt Auffälligkeiten anhand von Branchendaten und ermöglicht frühzeitige Risiko-Szenarien für Management und Investor*innen. Diese Aufgaben zählen zu den aufwändigsten Prozessen für Governance-Teams, da sie stark reguliert, personalintensiv und zeitkritisch sind. Die Agentic-AI-Technologie von Lucent AI übernimmt viele dieser Schritte selbstständig, indem sie Daten zusammenführt, Analysen durchführt und Handlungsempfehlungen oder Entscheidungsvorlagen bereitstellt.

Die Integration in bestehende IT-Systeme erfolgt über standardisierte Schnittstellen, sodass Unternehmen die Plattform innerhalb kurzer Zeit einsetzen können. Gerade in Organisationen, die heute noch stark mit Excel, E-Mails und manuellen Prüfungen arbeiten, führt die Automatisierung zu erheblichen Verbesserungen in Geschwindigkeit, Genauigkeit und Skalierbarkeit.

Jetzt wurde Lucent AI von osapiens, einem führenden deutschen Softwareanbieter für Nachhaltigkeits- und Transparenzlösungen, übernommen. Im Zuge der Übernahme werden Technologie, Produktportfolio und Kundenstamm von Lucent AI vollständig in den osapiens HUB integriert. Erste Module werden ab dem zweiten Quartal 2026 verfügbar sein. Die Gründer treten dem Team von osapiens bei und verantworten künftig die Weiterentwicklung der Lösung sowie ihre strategische Einbettung in die Bereiche Resilience & Risk Management, Disclosures & Reporting und Product Compliance & Traceability.

„Mit Lucent AI erweitern wir unser Portfolio um ein zukunftsweisendes System für Finanzrisiken und Compliance“, erklärt Matthias Jungblut, Mitgründer und Co-CEO von osapiens. „Die fortschrittlichen KI-Agenten von Lucent ergänzen unser Angebot ideal und unterstützen unsere Mission, Unternehmen weltweit zu mehr Transparenz, Sicherheit und Effizienz zu verhelfen.“

„Lucent AI wurde mit der Mission gegründet, Unternehmen durch intelligentes Risikomanagement widerstandsfähiger zu machen“, sagt Mitgründer Max Wolff. „Wir haben aus erster Hand erlebt, wie komplex und zugleich zentral diese Prozesse für regulierte Unternehmen jeder Größe sind. Mit osapiens haben wir einen Partner gefunden, der unsere Vision teilt und über die Ressourcen und die Expertise verfügt, um unsere Lösungen weiterzuentwickeln und zu skalieren.“

Zentio erhält 1,4 Mio. Euro Pre-Seed-Finanzierung für KI-native Produktionsplanung

Das 2025 von Immo Polewka, Christophe Kafrouni und Julian Rose gegründete Berliner KI-Start-up Zentio entwickelt eine AI-first Plattform für intelligente Produktionsplanung.

Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelt Zentio eine AI-first Plattform für intelligente Produktionsplanung. Diese ermöglicht es, Betriebsdaten durch KI-Agenten aufzubereiten und für die operative Produktionsplanung nutzbar zu machen, um fundierte Entscheidungen und mehr Produktivität zu ermöglichen.

Die Pre-Seed-Finanzierungsrunde in Höhe von 1,4 Millionen Euro wurde vom High Tech Gründerfonds angeführt, einem der aktivsten Frühphaseninvestoren in den Bereichen Deep Tech, Industrietechnologie und KI-basierter Innovation. Weitere Unterstützung kam vom Frühphaseninvestor SIVentures, welcher über umfangreiche Erfahrung in der Förderung und Skalierung von B2B-Technologie-Startups verfügt. Gemeinsam bieten die beiden Investoren strategische und operative Unterstützung für die nächste Wachstumsphase von Zentio.

Immo Polewka, Mitgründer und CCO von Zentio, erklärt: „Unsere Vision ist es, den Standard der Entscheidungsfindung in der europäischen Fertigungsindustrie auf ein neues Niveau zu heben. Durch die Kombination von Betriebsdaten mit mathematischer Optimierung und AI-First-Automatisierung können Unternehmen strategisch vorausplanen und resilient auf Störungen reagieren."

Die Finanzierungsrunde soll es Zentio ermöglichen, bestehende Partnerschaften zu stärken und die Voraussetzungen zu schaffen, um langfristigen Mehrwert für die europäische Fertigungsindustrie zu schaffen: „Unser Hauptaugenmerk für die nächsten Monate liegt darauf, unsere mathematischen Kernsysteme und ML-Pipelines weiterzuentwickeln und diese mit Hilfe von UX und AI Agents zusammenzuführen. Deshalb erweitern wir unser Team um ambitionierte Entwickler und Entwicklerinnen, die sich unserer Mission anschließen möchten, die erste Generation von KI-nativer Produktionsplanung zu entwickeln“, sagt Christophe Kafrouni, Mitgründer und CTO von Zentio.

FION Energy sichert 1,4 Mio. € für KI-optimierte Batteriesysteme

FION Energy wurde 2025 von Philipp Hamm, Johannes Meriläinen und Dmytro Dzifuta in Berlin gegründet. Das CleanTech-Start-up macht industrielle Batteriespeicher wirtschaftlich und einfach nutzbar – durch herstellerunabhängige Projektentwicklung und KI-optimierten Betrieb in Echtzeit.

Europas Industrie zahlt im Schnitt rund 50 % mehr für Strom als Wettbewerber*innen in den USA oder China – eine Belastung, die Produktionsstandorte unter Druck setzt. Ursache sind schwankende Einspeisungen aus Wind und Sonne und fehlende Verbrauchsflexibilität in den Werken.

Das Berliner CleanTech-Start-up FION Energy hat dafür eine Lösung entwickelt und eine Pre-Seed-Finanzierung über 1,4 Mio. € abgeschlossen – angeführt von HTGF und Norrsken Evolve, mit Beteiligung erfahrener Business Angels.

FION bringt mit Batteriespeichern mehr Stromflexibilität ins Werk – herstellerunabhängig und KI-gesteuert für einen wirtschaftlich optimalen Betrieb. Das frische Kapital soll den Roll-out, die Weiterentwicklung der Plattform und den Teamausbau beschleunigen, um Energiekosten zu senken und Standorte zu stärken.

Industrielle Batteriespeicher – einfach, wirtschaftlich, intelligent

Die meisten Industrieunternehmen wollen ihre Energiekosten senken, stoßen dabei aber auf technische Komplexität und hohen Betriebsaufwand. FION bietet eine Gesamtlösung – von der Standortanalyse über Dimensionierung, Beschaffung und Installation eines schlüsselfertigen Batteriesystem bis zum laufenden Betrieb. Die firmeneigene KI-Dispatch-Engine lernt Verbrauchsmuster, liest Tarife und Marktpreise und steuert die Batterie autonom. So werden Lastspitzen geglättet, Netzentgelte reduziert und Preis-Arbitrage genutzt - ohne zusätzlichen Aufwand für die Betriebe. Das Ergebnis: bis zu 50 % geringere Stromkosten.

Mission und Ausblick

FIONs Mission ist, Energie zum Wettbewerbsvorteil der Industrie zu machen - und damit Produktion in Europa wieder wirtschaftlich attraktiv zu gestalten. Langfristig entsteht eine Plattform, die industrielle Standorte zu einem intelligenten, dezentralen Energienetz verbindet – in dem jede Fabrik nicht nur Energie verbraucht, sondern sie aktiv managt und vermarktet. Philipp Hamm, Mitgründer & Geschäftsführer von FION Energy: „Europas Industrie verliert durch hohe Stromkosten an Boden. Mit FION wird Energie planbar und profitabel – unsere KI macht Batteriespeicher zum echten Wettbewerbsvorteil.“

Verkaufen ohne Shop: Zahlungen erhalten mit PayPal Open

Sie verkaufen digitale Kunst, Online-Kurse oder Handgemachtes? Dafür ist ein Shop nicht zwingend nötig. Mit Zahlungslinks und Kaufen-Buttons von PayPal erhalten Sie Ihre Zahlungen, wo die Verkäufe entstehen – schnell, sicher und unkompliziert.

Zahlungen empfangen, wo Ihre Community ist

Viele Soloselbständige nutzen Social Media, Newsletter oder Messenger nicht nur zur Kommunikation, sondern auch zur Vermarktung ihrer Produkte. Mit den passenden Tools können sie dort zusätzlich direkt Zahlungen empfangen – ganz ohne Onlineshop oder technisches Setup.

PayPal Open bietet drei flexible Möglichkeiten, Zahlungen zu erhalten:

  • Zahlungslinks, die schnell geteilt werden können, etwa per E-Mail, DM, Post oder QR-Code.
  • Kaufen-Buttons, die sich in eine bestehende Seite integrieren lassen, zum Beispiel in ein Link-in-Bio-Tool oder eine Landingpage.
  • Tap to Pay macht Ihr Smartphone zum Zahlungsterminal.

Alle Varianten funktionieren schnell, mobiloptimiert und bieten eine vertraute Nutzererfahrung. Damit wird der Ort, an dem Interesse entsteht, direkt zum Verkaufsort.

Zahlungslinks: Vom Post zur Bezahlung in Sekunden

Ein Kauf beginnt nicht im Warenkorb, sondern dort, wo Interesse entsteht: in einem Post, einer Story oder einer E-Mail. Genau hier setzen Zahlungslinks von PayPal an: Sie führen direkt von der Produktinfo zur Zahlung, ohne Umwege über externe Plattformen.

Das ist besonders hilfreich bei:

  • digitaler Kunst
  • E-Book-, Kurs- oder Software-Verkäufen
  • (Online-)Vorbestellungen oder Trinkgeld-Modellen

Ein Zahlungslink erzeugt eine eigene Bezahlseite mit Titel, Preis, Beschreibung und Produktbild. Varianten wie Größen oder Farben sind ebenso integrierbar wie frei wählbare Preise. Versandkosten und Steuern können automatisch berechnet werden.

Der fertige Zahlunglink lässt sich flexibel teilen: per Messenger, E-Mail, Social Media oder als QR-Code auf einem Produktetikett oder Tischaufsteller. Die Zahlungsseite unterstützt gängige Zahlarten wie Kreditkarte, Wallets sowie ausgewählte regionale Methoden wie SEPA-Lastschrift, iDEAL oder Swish – je nach Land und Verfügbarkeit für die jeweiligen Käufer:innen.

Besonders praktisch: Ihre Kund:innen brauchen dafür kein eigenes PayPal-Konto. So können Zahlungen sicher und bequem online abgewickelt werden.

Für Selbständige, die regelmäßig digitale Inhalte verkaufen, ist das eine einfache Möglichkeit, Zahlungen mit PayPal zu empfangen, ohne ein klassisches Shopsystem aufsetzen zu müssen.

Kaufen-Buttons: Ihre Seite wird zur Verkaufsfläche

Wer bereits eine Website oder ein Link-in-Bio-Tool nutzt, kann PayPals Warenkorb- oder Kaufen-Buttons mit wenigen Zeilen Code integrieren. Damit verwandeln Sie eine einfache Landingpage in eine funktionale Verkaufsfläche. Sie erstellen den Button in Ihrem PayPal-Konto und erhalten automatisch den passenden HTML-Code, der nur noch kopiert und in die Website eingefügt wird. Kund:innen klicken, zahlen mit ihrer bevorzugten Methode und der Betrag wird direkt gutgeschrieben.

Sie behalten die volle Kontrolle über Ihre Gestaltung, Storytelling und Nutzerführung und profitieren gleichzeitig von einem verlässlichen Check-out, der Vertrauen schafft. Eine schlanke Lösung für alle, die ihr Angebot online präsentieren und Zahlungen direkt abwickeln möchten.

Mit Tap to Pay ganz einfach vor Ort verkaufen

Neben den digitalen Optionen können Sie auch vor Ort Zahlungen annehmen: direkt über Ihr Smartphone. Mit der PayPal-Funktion „Tap to Pay“ akzeptieren Sie kontaktlose Zahlungen per Karte oder Wallet ohne separates Kartenlesegerät. Alles, was Sie benötigen, ist ein kompatibles iPhone oder Android-Gerät mit NFC-Funktion (Tap to Pay funktioniert auf Geräten mit Android 8.0, NFC-Funktionen und Google Play Services. iOS ab iPhone XS und höher).

Besonders praktisch ist das beispielsweise für:

  • Märkte, Pop-up-Stores
  • Workshops und Live-Events
  • Verkäufe im kleinen Rahmen, bei denen Flexibilität zählt

Gründer*in der Woche: Giuseppe Leo – hier geht es um das große Geschäft

Wie Ex-Profi-Fußballer Giuseppe Leo mit seinem AIR CUBE erfolgreich Innovationen in der Bad-Hygiene anstößt.

Für jemanden, der seine Karriere auf dem grünen Rasen beginnt, ist der Weg auf gekachelte Badezimmerfliesen nicht zwingend vorgezeichnet. Und doch beweist einer, dass Innovationskraft auch zu einer Umsiedelung vom Stadion aufs stille Örtchen führen kann: Ex-Profi-Fußballer Giuseppe Leo, der sich mit seinem Start-up Bellaria und dem eigens entwickelten Produkt AIR CUBE anschickt, den Sanitärmarkt in Sachen Hygiene und Wohlbefinden zu revolutionieren. Diese technologische Lösung soll auf der Toilette entstehende Gerüche nämlich nicht nur kaschieren, sondern eliminieren – und dazu auch ungewollte Bakterien. Tausende Abnehmer hat er bereits gefunden und nun auch finanzkräftige sowie markterfahrene Unterstützung direkt aus der Löwenhöhle.

Ein ungewöhnlicher Weg

Giuseppe Leo war einst Jugend- und Profispieler bei namhaften Vereinen wie dem FC Bayern München, dem Karlsruher SC oder dem FC Ingolstadt. Ein Kreuzbandriss zwang ihn jedoch, frühzeitig die Stollenschuhe an den Nagel zu hängen. Doch statt Tristesse herrschte bei ihm Kreativität: „Ich habe immer gesagt: Wenn der Fußball mich verlässt, lasse ich nicht locker – der Sport ging zwar, aber der typische Ehrgeiz blieb“, erinnert sich Leo. Die Idee, die dem Stein den Anstoß gab, kam ihm jedoch bereits viel früher. Schon während seiner aktiven Zeit und unzähliger Auswärtsfahrten fiel dem Innenverteidiger auf, wie oft schlichte Notwendigkeiten im Mannschaftsbus oder in Hotelzimmern mit mangelhafter Hygiene verbunden waren. „Wenn du mit zwanzig Jungs in einem Hotel haust und nur zwei Toiletten verfügbar sind, wird das ganz schnell … interessant“, berichtet er lachend. Doch während sich die meisten einer solchen Situation einfach ergeben hätten, führte sie bei ihm zu einem Geistesblitz: Warum nicht ein Gerät entwickeln, das unangenehme Gerüche gar nicht erst in den Raum entlässt?

Neutralisieren statt nur überdecken

Die Idee mündete in dem Konzept für AIR CUBE: ein kleines Gerät, das direkt an die Toilettenschüssel montiert und automatisch aktiviert wird. Es nutzt eine Kombination aus Absaugtechnik und Ionisation, um Gerüche bereits während des Toilettengangs zu neutralisieren. Anders als klassische Duftsprays überdeckt der AIR CUBE nichts, sondern entfernt auf molekularer Ebene unangenehme Geruchspartikel. Zusätzlich reinigt ein Ionisationsmodus die Umgebungsluft – ganz ohne Chemie oder Filterwechsel.

„Uns geht es nicht darum, dass das Badezimmer anders riecht“, bringt Leo die Idee auf den Punkt. „Es soll einfach nicht mehr unangenehm sein.“ Diese Herangehensweise hebt das Produkt klar von traditionellen WC-Erfrischern ab, die Fäkalgerüche oft nur mit artifiziellen Düften übertünchen. Seit den COVID-Lockdowns 2020 arbeitete Leo intensiver als je zuvor. Eigenfinanziert und mit einem sechsstelligen Investment aus eigener Tasche entwickelte er Prototypen, testete, optimierte, bis der AIR CUBE marktreif war. Bis zu den ersten Einschätzungen durch Außenstehende war es ein langer Weg: „Ich habe Buchhaltung gemacht, Marketing, Entwicklung; alles selbst“, so der Ex-Profi heute. „Ich war mein eigener Körper, Kopf und Controlling.

„Heute geht es um das große Geschäft"

Als er seinen AIR CUBE in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ präsentierte, begann Leo seinen Pitch mit den Worten: „Heute geht es um das große Geschäft.“ Und da meinte er nicht nur Umsatz, sondern eine ganz persönliche Mission. Die Investor*innen waren beeindruckt – nicht nur von der Idee, sondern vom Gründer selbst: Ein Ex-Profisportler, der nach dem Ende seiner Karriere nicht resigniert, sondern visionär wurde. Den Deal machte am Ende Carsten Maschmeyer und die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Direkt nach der Ausstrahlung war der AIR CUBE „out of stock“; eine Bestätigung dafür, dass das Konzept Anklang findet.

„Wir haben mit so einer Resonanz nicht gerechnet“, gibt Leo offen zu. Gleichzeitig berichtet er von hektischen Wochen: „Wir müssen produzieren, liefern, nachlegen – aber am wichtigsten ist, dass wir unseren Qualitätsstandard nicht aus den Augen verlieren.“ Das hält den früheren Profisportler aber nicht davon ab, groß zu denken: Geplant sind bereits Markteintritte in Dubai sowie den USA und der AIR CUBE wurde schon für die Fachmesse CES Las Vegas 2026 nominiert.

Vorbild für andere Gründer*innen

Dass ein Ex-Fußballer sich heute, statt mit Bällen zu jonglieren, um Toiletten kümmert, mag manchen verwundern – genau darin liegt aber der Zauber dieser Geschichte. Giuseppe Leo steht für das, was eine gute Gründungsgeschichte ausmacht: aus der Situation eine Idee, aus der Idee ein Problem, aus dem Problem eine Lösung. Kein Hype, kein Gimmick, sondern echte Innovation. „Vielleicht klingt es komisch, wenn ein ehemaliger Kicker jetzt sagt, er kümmere sich um Klos. Aber für mich ist es mehr als das. Es geht darum, Lebenszeit zu verbessern – und davon verbringen wir nun einmal eine signifikante Zeit auf dem WC.“ Man glaubt Leo diese Worte, weil er sie mit echter Leidenschaft für sein Anliegen und sein Produkt vorträgt. Wenn es nach dem Gründer geht, darf der AIR CUBE bald in vielen Haushalten ganz unspektakulär seine Arbeit verrichten: hygienisch, geruchsfrei, unsichtbar.