Experten-Interview: Die beste Werbung ist die Empfehlung des Kunden

StartingUp sprach mit Dr. Kerstin Friedrich, Expertin für Empfehlungsmarketing. Sie ar-beitet bei Bremen als selbständige Strategieberaterin und hat im Gabal-Verlag das Buch „Empfehlungsmarketing“ veröffentlicht, das bereits in der vierten Auflage erschienen ist.

StartingUp: Ursprünglich sind Sie Expertin für Positionierung – wie hat sich daraus Empfehlungsmarketing entwickelt?
Dr. Friedrich:
Ich habe festgestellt, dass erfolgreiche Unternehmen oft sehr klar positionierte Unternehmen sind und dass es einen engen Zusammenhang zwischen Positionierung und Empfehlung gibt.

StartingUp: Worin sehen Sie den?
Dr. Friedrich:
Unternehmen, die einen hohen Kundennutzen bieten, sorgen von sich aus für Empfehlungen. Ich habe festgestellt, dass Firmen, die Erwartungen übertreffen, zugleich Kunden besitzen, die das Produkt oder die Dienstleistung gerne weiterempfehlen. Solche Firmen müssen kaum noch mit Anzeigen werben.

StartingUp: Wie funktioniert das Empfehlungsmarketing?
Dr. Friedrich: Es gibt zwei Ebenen: Die Sachebene und die Verhaltensebene. Auf der Sachebene genügt es, wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung sehr gut und einzigartig ist. Experten werden immer weiterempfohlen, aus rein sachlichen Gründen: Es gibt beispielsweise nur wenige wirklich namhafte Spezialisten für bestimmte Heilverfahren oder nur den einen Hersteller von XY. Sachliche Empfehlungen fallen den Menschen leicht. Die andere Ebene ist emotional und überall dort zentral, wo Kundenkontakt im Vordergrund steht. Dafür muss ein Produkt nicht einzigartig sein, der Zusatznutzen ist es. Ein Beispiel ist der Optiker, der seinen Kunden zuhört und ihnen individuelle Wünsche erfüllt. Wenn so jemand weiterempfohlen wird, fließt da oft regelrecht Begeisterung mit hinein.

StartingUp: Empfehlungsmarketing braucht gute Produkte mit hohem Kundennutzen. Wie schaffen es erfolgreiche Unternehmen, dies zu gewährleisten?
Dr. Friedrich: Unheimlich wichtig ist Feedback. Die meisten Menschen haben Angst davor, den Kunden nach seiner Meinung zu fragen – es könnte ja Kritik geäußert werden. Aber nur Kritik macht ein Produkt besser. Dazu gehört auch ein funktionierendes Reklamationsmanagement, bei dem der Kunde ernst genommen wird und wirklich nach einer Lösung gesucht wird.

StartingUp: Können reklamierende Kunden denn noch Empfehler werden?
Dr. Friedrich: Und ob! Wenn der reklamierende Kunde wirklich zufrieden gestellt worden ist, dann wird er das Unternehmen weiterempfehlen – vielleicht noch begeisterter als ein „normaler“ Kunde.

StartingUp: Wie können Unternehmen ihr Empfehlungsmarketing gestalten?
Dr. Friedrich: Vier Tipps in Kürze:
Erstens natürlich durch gute Positionierung und Spezialisierung, indem man anders als andere wird und sich deutlich abhebt. Dann durch außergewöhnliche, individuelle Services, die dem Kunden zeigen: hier bin ich nicht Masse, sondern etwas Besonderes. Dazu gehören insbesondere der Aftersales-Service und alles, was dem Kunden zeigt: bei uns gehörst du dazu. Drittens durch außergewöhnlich kulantes Beschwerdemanagement. Zuletzt das direkte Ansprechen der Kundennetzwerke – entweder durch das direkte Bitten um Empfehlungen und/oder das Eventmarketing: Mit exklusiven Veranstaltungen holen sich Firmen Kunden sowie deren Freunde heran und sorgen so für Gesprächsstoff und persönliche Bindungen.

StartingUp: Bei so viel Nutzen – warum ist Empfehlungsmarketing dann so noch unbekannt?
Dr. Friedrich: Das verstehe ich auch nicht. Vielleicht, weil Werbeagenturen damit ein Stück weit überflüssig werden. Wer braucht noch eine Anzeige, wenn die Kunden selbst die besten Werber sind?