Spezialisierung: Was wir von den Galapagos-Finken lernen können

Wer nach neuen Wachstumsstrategien sucht, tut gut, einmal über den Tellerrand des eigenen Fachgebietes zu blicken und von einem System zu lernen, das bereits seit Millionen Jahren höchst erfolgreich wächst: die Natur. Dort kann man ein Phänomen beobachten, das auch für den unternehmerischen Wettbewerb sehr aufschlussreich ist. Werden die Wettbewerbsbedingungen zu hart und die Nahrungsgrundlagen knapp, löst die Natur dieses Problem folgendermaßen: Die miteinander konkurrierenden Mitglieder einer Spezies entwickeln neue, differenziertere Spezies (sie spezialisieren sich), um neue Nahrungsgrundlagen (in der Unternehmenswelt: Umsatzpotenziale) zu erschließen. Das bekannteste Beispiel sind die so genannten Darwin-Finken auf den Galapagos-Inseln.

Charles Darwin entdeckte auf seinen Forschungsreisen 13 offensichtlich miteinander verwandte Finkenarten, und er entwickelte dazu eine Theorie, der zu Folge die Galapagos-Finken einst vom südamerikanischen Festland auf die Inseln geweht wurden. Dort fanden sie hervorragende Lebensbedingungen und kaum Konkurrenz. Also vermehrten sie sich rasant. Dann jedoch wurden die Nahrungsgrundlagen knapp und der Wettbewerb um Nahrung so groß, dass die weitere Vermehrung der Spezies an ihre natürliche Grenze gestoßen war. In der Folge bildeten die Finken nun 13 verschiedene Unterarten, die sich jeweils auf andere Nahrungsquellen spezialisierten und dafür entsprechende Schnäbel ausformten.

Finken mit großen, harten Schnäbeln konzentrierten sich auf Kerne, Finken mit zarteren Schnäbeln auf Insekten, andere auf Kakteen oder darauf, Parasiten von den Landtieren zu entfernen. Im Jahr 1999 haben Genforscher des Max-Planck-Instituts übrigens bewiesen, dass Darwin mit seiner Theorie Recht hatte: Tatsächlich stammen alle Finken der Galapagos-Inseln von einem einzigen Urfinken ab.

Ganz genau so ist es in praktisch allen Bereichen der Wirtschaft: Immer dann, wenn der Wettbewerb zu hart wird (zu viele streiten um zu wenige Kunden), gilt es neue „Nahrungsnischen“ (Marktlücken, Umsatzpotenziale) zu erschließen. Es ist allemal besser, sich über Spezialisierungen in den Leistungen zu differenzieren, statt identische Leistungen anzubieten und sich einen erbitterten Preis- und Verdrängungswettbewerb bis zum Tod (Konkurs oder Übernahme) zu liefern. Von diesem Prozess profitieren alle: Die Kunden bekommen bessere Problemlösungen, und der Wettbewerb zwischen den Anbietern wird entzerrt.