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Nie wieder zwei Chefs

Doch die Goldgräberstimmung hielt nicht lange an. Die Böttcher Hinrichs AG, 1999 mit Hilfe von mehreren Millionen Mark Risikokapital an den Start gegangen, war bereits 2001 insolvent. Mit dem Platzen der Internetblase platzte auch Hinrichs Traum vom großen Unternehmer. Aber Hinrichs schiebt sein Scheitern nicht auf die Umstände. Er hat eine andere Erklärung für das Aus, eine längere und eine kürzere. Die längere: „Wir haben jeden Managementfehler gemacht, den man nur machen kann.“ Die kürzere: „Zwei Chefs.“ Nie wieder lasse er sich darauf ein, mit dem Duo an der Spitze sei das Projekt „zum Scheitern verurteilt“ gewesen. „Eine Firma ist keine Demokratie, in der abgestimmt wird“, erklärt Hinrichs seine mittlerweile unverrückbare Position, dass es nur einen Chef geben kann.

Mit XING zum Internet-Star

Hinrichs spricht nicht gern über die Pleite. Worüber Hinrichs sehr wohl spricht, sind die Lehren daraus. Über die wertvolle Erfahrung von „Trial & Error“. Hinrichs würde nie behaupten, dass er schon immer alles gewusst habe. Auch er macht Fehler. Aber er macht sie kein zweites Mal. „Unternehmertum ist nichts anderes, als jeden Tag etwas Neues zu lernen“, sagt er. Und woraus lernt man am meisten? Aus Fehlern! Deshalb hat Hinrichs nach der Firmenpleite 100 Dinge aufgeschrieben, die schief gelaufen sind. Die Liste halft ihm, als er 2003 Open BC startete. Die Plattform, die er später in XING umbenannte, machte ihren Gründer zum gefeierten Star der Internetszene und darüber hinaus.

Aber selbst dieser Erfolg führte bei Hinrichs nicht dazu, sich auf die Schulter zu klopfen. Noch immer galt (und gilt) für ihn die Devise, dass man täglich versuchen muss besser zu werden, weil man sonst irgendwann aufhört, gut zu sein. Deshalb hat Hinrichs, nachdem er 2008 vom Vorstand in den XING-Aufsichtsrat wechselte, noch einmal aufgeschrieben, was gut und was schlecht gelaufen war. 127 Punkte sind es geworden.

Freitagsrunden gegen Sollbruchstellen

Unter „Positives“ hat Hinrichs die „Company-Meetings“ notiert. Er hat sie eingeführt, als er etwa zehn Mitarbeiter beschäftigte und feststellte, dass nun nicht mehr jeder alles weiß, was im Unternehmen vor sich geht. Hinrichs fürchtete, dass „Sollbruchstellen“ in der Kommunikation entstünden und viel Arbeitszeit verloren ginge, wolle man jeden Mitarbeiter auf den aktuellen Wissenstand bringen. Also führte der Unternehmer wöchentliche Treffen ein, erst mit allen Mitarbeitern, später, als die Firma größer war, trafen sich die Abteilungsleiter zum Austausch. Noch heute, bei HackFwd, gibt es diese „Freitagsrunden“, in denen Probleme besprochen und die neuesten Zahlen auf den Tisch gelegt werden. „Das ist gelebte Unternehmenskommunikation“, ruft Hinrichs in den Hörer. Man merkt ihm an, dass er die Treffen für einen gelungenen Coup hält.

Der Kunde ist nicht alles

Genauso ehrlich spricht der Seriengründer aber auch über einen Punkt, der unter „Negatives“ aufgeführt ist: Es geht dabei um die Kunden, und darum, dass ein Unternehmer nur „bedingt“ auf sie hören sollte. Hinrichs erzählt, dass er als XING-Chef zu viel auf die Meinung seiner Nutzer gab, als er ihrem Wunsch nachkam, eine Art „Firmen-XING“ zu entwickeln, ein in sich geschlossenes, auf ein Unternehmen beschränktes Netzwerk. „Das war ein großer Fehler, der das Unternehmen ein Jahr Entwicklungszeit gekostet hat“, sagt der Entrepreneur heute. Heute hat er auch das passende Sprichwort parat: „Hätte ich die Kunden gefragt, was sie wollen“, zitiert er Henry Ford, hätten sie ‚schnellere Pferde‘ gesagt.“

Unternehmertum ist die
spannendste Alternative von allen

Viagra für Unternehmertum

Solche Sprüche zeigen, wie Hinrichs tickt. Er teilt die Menschen in zwei Lager: Hier die Unternehmer. Die Visionäre, die Vordenker, die Weltveränderer. Dort all die anderen, die sich selbst begrenzen. Der Internet-Star hätte nichts dagegen, wenn es mehr Unternehmertypen in Deutschland gäbe, er wünscht sich „Viagra für Unternehmertum“. Das Problem hier zu Lande sei doch, dass die Selbständigkeit nicht „sexy“ sei und dass es deshalb zu wenig Gründer gebe. Für Hinrichs selbst ist das Unternehmertum „die spannendste Alternative von allen“.

Deshalb kann er sich auch gut vorstellen, irgendwann Firma Nummer fünf, sechs und sieben auf die Beine zu stellen. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik. Noch nimmt das HackFw-Tagesgeschäft nicht überhand, noch steht Produkt-, nicht Personal-Management an erster Stelle. Beides sind für den Chef Gründe zu bleiben. Oder besser: Wenn sich beides dreht, geht er gern. „Ein Unternehmen managen, das können andere besser als ich.“ Mit diesen Worten hatte Hinrichs seinen Ausstieg bei XING erklärt. Man darf gespannt sein, wann er sie das nächste Mal in den Mund nehmen wird.


Den vollständigen Artikel lesen Sie in der Ausgabe 01/2012

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Mit ihrem zweiten Mann hatte die „Liebesdienerin der Nation“ auf Dauer kein Glück, sie ließ sich 1972 scheiden. Das Unternehmen jedoch wuchs und wuchs, nach Inkrafttreten des neuen Paragraphen 184 StGB im Jahr 1975 umso rasanter: 1978 gründet das Unternehmen einen Filmverleih, 1979 übernimmt es die Ladenkette „Dr. Müller’s“, 1983 startet der Videobetrieb, 1992 steigt die Firma in den Online-Handel ein, 1996 weiht Uhse das Erotik-Museum in Berlin ein, 1998 eröffnet der erste Laden auf Mallorca, 1999 geht Beate Uhse an die Börse, übernimmt andere Unternehmen. Heute ist Beate Uhse Europas größter Erotik-Konzern mit 300 Läden in elf Ländern. Der Großhandel beliefert sogar Kunden in 60 Ländern der Erde – und ist damit weltweit Marktführer. Der Umsatz des Unternehmens beläuft sich (im Jahr 2006) auf 270 Millionen Euro, der Wert der Marke wird auf 64 Millionen Euro taxiert, 1500 Mitarbeiter arbeiten für den Konzern.

Verantwortlich für den Erfolg ist vor allem eine: Beate Uhse selbst. Sie ließ sich nicht von den Feministinnen in die Flucht schlagen, nicht von Anwohnern, die protestierten, wenn ein Laden in ihrer Umgebung eröffnet werden sollte, nicht von Wettbewerbern, nicht von Gerichten, nicht von der Presse. Letztere versuchte sie stattdessen immer wieder auf ihre Seite zu ziehen – mit Erfolg. Nach einer schwierigen Gerichtsverhandlung, die mit einem Freispruch für die Unternehmerin endete, titelte die Bild-Zeitung „Freispruch für den Orgasmus“ – und bescherte der Unternehmerin damit „den endgültigen Durchbruch und erheblichen Sympathiegewinn“.

Seit fast sieben Jahren ist die Macherin tot. Manches hat sich seitdem geändert, die Geschäfte führen nun familienfremde Manager, Sohn Ulrich Rotermund hat den Vorsitz des Aufsichtsrates inne. Er war es auch, der im jahr 2001 die gemeinnützige Beate Uhse Stiftung ins Leben rief, um Menschen in Not zu helfen. Auch das öffentliche Auftreten des Unternehmens hat sich dem Zeitgeist angepasst. Neue Läden werden nur noch in besten Innenstadtlagen eröffnet und sie sind moderner gestaltet, um mehr Frauen als bislang anzuziehen.

Ferner wurde das Erscheinungsbild der Marke verjüngt, der Schriftzug ist laut Konzern-Pressemitteilung „frischer“ und „peppiger“. Zwar sind die Lettern noch immer in rot gehalten. Die jetzigen Firmenlenker nennen die Farbe aber „erotisches Rot“.