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120 Millionen Euro Umsatz

Gut 60 Jahre nach Firmengründung ist aus dem Sägewerk von einst ein modernes, international agierendes Unternehmen geworden. Bulthaup unterhält Tochtergesellschaften in mehreren europäischen Ländern sowie in Hongkong und den USA. In Metropolen wie London oder New York wurden sogenannte Leadshops eröffnet. Mit 120 Millionen Euro Umsatz und insgesamt 1050 Mitarbeitern ist Bulthaup aber immer noch eine mittelständische Firma, ein Familienunternehmen. „Bescheidenheit und Bodenständigkeit sind uns wichtig“, erklärt Eckert. „Mein Großvater hat viel Wert auf ein grundsolides Wachstum gelegt. Und das tun wir heute noch.“

Das alles passe gut zu Bayern, findet Eckert. Hier, am Standort Aich, ist auch nach wie vor die weltweite Produktion angesiedelt, obwohl nur jede vierte Küche in Deutschland verkauft wird. 75 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit dem Export. Es ist noch immer der gute Ruf, der Bulthaup vorauseilt. Die Küchen gelten zu recht als innovativ, hochwertig und funktional. In einer Bulthaup-Küche muss man keine Verrenkungen machen, um das Messer zu greifen, und auch die Gewürzgläser stehen genau da, wo man sie während des Kochens braucht.

Preisgekröntes Küchen-Design

Vor allem aber sind die Küchen perfekt designed. Die vielen Auszeichnungen sprechen für sich. Der 1997 von der Europäischen Kommission verliehene Lifetime Achievement Award, der im gleichen Jahr verliehene Europäische Design-Preis oder der noch ganz junge Designpreis der Bundesrepublik Deutschland sind nur Auszüge aus einer langen Liste mit Verneigungen vor dem Bulthaup-Design. Einem Design, das an Schlichtheit kaum zu übertreffen ist. Doch ein von allem Überflüssigen befreites Design ist keine neue Erfindung im Hause Bulthaup, sondern geht maßgeblich auf das Jahr 1978 zurück.

Damals starb Martin Bulthaup, und sein Sohn Gerd übernahm die Führung des Unternehmens. Gerd Bulthaup hatte das Ziel, das Unternehmen zum Marktführer von designorientierten Küchen auszubauen. Und er hatte den richtigen Mann dafür an der Hand: Otl Aicher, Mitbegründer der „Ulmer Schule“, die wiederum in der Tradition des Weimarer Bauhauses steht. In dem von Aicher veröffentlichten Buch „Die Küche zum Kochen“ beschreibt er eine neue Küchen- und Gestaltungsphilosophie: „Das Streben nach Ehrlichkeit bei Funktion und Material und die Reduktion auf das Wesentliche.“

Premium statt billig

Beruhend auf diesen Grundsätzen machten sich Bulthaup und Aicher an die Arbeit – und brachten in der Folge Innovation um Innovation auf den Markt: Zuerst den „butcher block“, ein in der Raummitte platzierter robuster Arbeitstisch aus massivem Holz. 1982 dann das „system b.“, 1988 die Küchenwerkbank, 1992 das „system 25“, einen flexiblen Baukasten, der mit seinen Modulen und seiner Vielzahl an Einbauelementen aus der „Küchenlösung gleichzeitig eine Wohnlösung“ machte. Zu diesem Zeitpunkt war Aicher zwar schon ein Jahr tot, seine Idee von Design und Gestaltung aber lebte in dieser und in den folgenden Küchenserien fort. „Zeitlosigkeit, Funktionalität und Design“, so beschreibt Eckert die Merkmale einer typischen Bulthaup-Küche.

Diese Attribute gefallen auch den Kunden des Küchenherstellers – und sie bezahlen dafür den Preis eines gehobenen Mittelklassewagens, wenn nicht mehr. „Wir sind nun mal ein Premium-Anbieter“, sagt Eckert. „Niemals würden wir ein Produkt auf den Markt bringen, das billig ist.“ Dabei spricht er das Wort „billig“ fast verächtlich aus. Selbst die Produktlinie „b1“, 2008 auf den Markt gebracht und beworben als Küche, die „jung in ihrem Aussehen“ und „jung in ihrem Preis“ ist, werde höchsten Ansprüchen gerecht und sei weit davon entfernt, billig zu sein. Dass b1 etwa 20 Prozent weniger kostet als die etablierten Produktlinien, hat denn auch nur den einen Grund, eine neue Zielgruppe zu gewinnen. Nicht mehr nur Anwälte oder Architekten sollen sich eine Bulthaup-Küche leisten können, sondern auch weniger arrivierte Menschen. „Die Begeisterung für unsere Produkte macht vor keiner gesellschaftlichen Schicht Halt“, sagt Eckert. Im Übrigen auch nicht vor Leuten, die kaum in der Lage sind, ein Spiegelei zu braten. Sie sind von den Küchen aus Bayern trotzdem fasziniert. Das schmeichelt dem Bulthaup-Chef. Doch er weiß auch, dass ein Unternehmen nicht allein deshalb erfolgreich ist, weil sich Menschen mit gutem Geschmack an seinen Produkten berauschen.


Den vollständigen Artikel lesen Sie in der Ausgabe 04/2010

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Der rote Faden: Kunden- und Kostenorientierung

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Deichmann setzte mit Elan immer wieder Neues um, doch im Grunde blieb er der vom Vater vorgegebenen Linie treu. „Was vor fast 100 Jahren galt, gilt auch heute noch“, sagt Deichmann. So lautet das Ziel damals wie heute, der günstigste Anbieter auf dem jeweiligen Markt zu sein. „Schuh-Aldi“ wird der Händler deshalb von manchen genannt. „Kundenorientierung“ entgegnet Deichmann, oder, im ungeliebten BWLer-Jargon: „Kostenführerschaft“. Und dass man diese Kostenführerschaft nicht etwa durch die Knebelung der Lieferanten, sondern durch die Vertikalisierung der Prozesse erreicht: Das Unternehmen verzichtet auf Zwischenhändler und bestimmt stattdessen selbst, welche Produkte an welchen Produktionsstandorten (u.a. China, Polen, Italien) in welchen Mengen produziert werden.

Preiswert aus Prinzip

Etwas hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts aber doch geändert: Anders als sein Vater spricht der Schuhhändler heute kaum noch Konsumenten an, die aus finanzieller Not heraus gezwungen sind, preiswerte Schuhe zu kaufen. Die heutigen Kunden greifen freiwillig und aus Kalkül zu Sandalen à 19 und Herren-Halbschuhen à 29 Euro: Weil sie sich keine teureren Schuhe leisten wollen. Weil sie sich mehrere Paare pro Saison gönnen wollen. Und weil ja auch noch all die anderen Bedürfnisse – der Urlaub, das Auto, das Handy – befriedigt werden wollen. Die Gesellschaft habe sich eben verändert, erklärt Deichmann. Und dass es keine Schande sei, in Deichmann-Schuhen herumzulaufen. Schließlich handele es sich dabei keineswegs um Billigware. „Wenn wir kein gutes Produkt anbieten würden, hätten wir keinen Erfolg“, ist Deichmann überzeugt.

Expansion aus eigener Kraft

Und der Erfolg hält an. Obwohl schon heute jeder fünfte Schuh, der in Deutschland gekauft wird, von Deichmann stammt, sind die Expansionsbestrebungen des Unternehmens, seit 1999 mit Sohn Heinrich als Vorsitzender der Geschäftsleitung an der Spitze, enorm. Mit europaweit 284 geplanten neuen Filialen (55 davon in Deutschland) steht in diesem Jahr sogar die größte Expansion in der Firmengeschichte an. Sage und schreibe 165 Millionen Euro wird Deichmann bis Ende des Jahres investieren, um die Pläne zu verwirklichen. Kapital im Übrigen, das das Familienunternehmen nicht von Banken erhält, sondern auf der hohen Kante hat.

Nicht nur das Unternehmen ist gut situiert, auch der Seniorchef, der neben seinem Sohn als zweiter geschäftsführender Gesellschafter fungiert, sich aber eher in der Beobachter-Rolle wähnt, hat ausgesorgt. Doch das verführt ihn weder zum Müßiggang noch schwelgt er in übermäßigem Luxus. Geld ist für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Und für einen, der „im Glauben an den lebendigen Christus lebt“, gibt es nur den einen Zweck, nämlich Gutes zu tun. Und so engagiert sich der Schuhhändler in Indien und Tansania, hilft Lepra- und Tbc-Kranken, Kindern und Waisen. Er baut Krankenhäuser, Schulen und Wasserleitungen. Mehrere Millionen Euro spendet er jährlich, alleine das von ihm gegründete Hilfswerk „Wort und Tat“ bezuschusst er mit fünf bis zehn Millionen. „Dass uns nur gehört, was wir verschenken – das meine ich ernst“, sagt der weißhaarige Mann mit der Brille. Typisch Deichmann.

Vom Laufburschen ...

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Zu diesem Zeitpunkt war Sohn Heinz-Horst erst 13 Jahre alt. Dennoch war seine Kindheit schlagartig vorüber. Zwar führte die Mutter das Unternehmen weiter und die vier Schwestern halfen mit, doch nachmittags, wenn die Schule aus und die Hausaufgaben gemacht waren, musste auch der einzige Junge im Laden arbeiten und Schuhe ausliefern. Lange konnte er den „Laufburschen“ allerdings nicht spielen. Im Alter von 16 Jahren wurde Deichmann als Flakhelfer eingezogen, später ging er als Fallschirmjäger nach Österreich. Erst im Mai 1945 kam Deichmann – leicht verwundet – nach Essen zurück.

Die folgenden Jahre waren Jahre des Mangels. „Nichts war vorhanden, alles musste man besorgen“, sagt er. Doch die Familie machte aus dieser Not eine Tugend: Weil zeitweise keine Schuhe zu bekommen waren, flickte man die alten und stellte aus kurios anmutenden Materialien wie Pappelholz aus Nachbars Garten und Fallschirmleinen neue her. Und weil es für Geld fast nichts, im Tausch aber fast alles Notwendige gab, bot die Unternehmerfamilie ihren Kunden an, gegen eine geringe Gebühr Schuhe, die nicht passten, gegen ein Paar in der richtigen Größe einzutauschen.

... zum Tauschhändler

Der Tauschhandel blühte nicht nur im Laden, wo er dem Unternehmen eine gut bestückte Kundenkartei einbrachte. Mit Hilfe von Kompensationsgeschäften kurbelte Deichmann, der sich mittlerweile für ein Theologie- und ein Medizinstudium an der Universität Bonn eingeschrieben hatte, den zum Erliegen gekommenen Schuhhandel wieder an: Mit Kohlen im Koffer reiste der junge Student im Güterwagen von Essen in die Fabriken nach Siegburg und Stuttgart und von dort wieder zurück nach Essen – diesmal mit Schuhen im Gepäck. „Über die Mühen hat man damals gar nicht nachgedacht“, sagt Deichmann. Vielmehr habe er die ersten Jahre nach dem Krieg als „wunderschöne Zeit“ in Erinnerung behalten. „Wir haben uns über die neu gewonnene Freiheit gefreut“, endlich konnte man seinen „riesigen Nachholbedarf“ an Literatur und Bildung stillen: Voller Begeisterung saß Deichmann von sieben Uhr in der Früh bis abends um acht in der Universität, las Rilke, Goethe und Novalis. Doch trotz der Befriedigung durch die geistige Arbeit, trotz der akademischen Karriere, die Deichmann im Jahr 1951 mit dem Doktortitel krönte – zur Freude der Mutter war er in erster Linie Unternehmer. Und so war es nur konsequent, dass der ausgebildete Orthopäde 1956 zum alleinigen Inhaber der Firma aufstieg.

Neue Verkaufsmethoden

Von nun an begann Deichmann mit der Filialisierung des Unternehmens. Er eröffnete einen Laden nach dem anderen, anfangs nur zwischen Rhein und Ruhr, später in ganz West-deutschland, nach der Wiedervereinigung dann in den neuen Bundesländern und noch später auch außerhalb Deutschlands. Die Expansion im Ausland beschleunigte Deichmann durch Übernahmen: In der Schweiz kaufte er die Schuhkette Dosenbach, in den Niederlanden vanHaren.
Deichmann Schuhe wurde unter der Leitung des neuen Chefs aber nicht nur größer, sondern vor allem moderner. Bereits 1955 baute er den ersten „Wühltisch“ im Laden auf und präsentierte die Schuhe – teils einzeln, teils in Paaren – auf Vorwahlständern. So hatte es Deichmann bei einem Bummel durch die legendäre Londoner Oxford Street gesehen und so sollte es auch in seinen Läden sein.

Startschuss mit Krisenknall

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Erfolg hat man, wenn die Zahlen stimmen – doch ausgerechnet im Jahr von Eckerts Amtsantritt stimmten sie nicht. Das lag nicht in erster Linie an der Konkurrenz, die vor allem aus Deutschland und Italien kommt. 2009 war das Jahr der Weltwirtschaftskrise. Und diese ist, wie für die meisten Premiumanbieter, auch für Bulthaup nicht ohne negative Auswirkungen geblieben. „In Europa, USA und Asien haben wir Rückgänge verzeichnet“, sagt Eckert. In den USA und Asien ziehe die Nachfrage wieder an, in Europa dagegen dauere es noch eine Weile, bis das Vor-Krisen-Niveau wieder erreicht werde.

Bulthaup hat auf den Umsatzeinbruch mit Stellenabbau reagiert. Mehr als 100 der einst 550 Mitarbeiter in Aich wurden entlassen. Gern hat Eckert die Leute nicht nach Hause geschickt. Doch die geringere Mitarbeiterzahl habe auch ihr Gutes, sagt der Unternehmer: „Wir sind nun schlanker aufgestellt und können schneller auf die Markterfordernisse reagieren.“

Küche stets neu interpretieren

Die Markterfordernisse, oder besser: das, was die Kunden wollen, stand bei Bulthaup allerdings schon immer an vorderster Stelle. Nicht ohne Grund arbeitet das Unternehmen mit Physiotherapeuten und Wissenschaftlern zusammen, schreibt ergonomische Gestaltung groß und legt wert auf optimale Beleuchtung und Luftfilterung. Allerdings: „Der Kunde heute ist ganz anders als der Kunde vor zehn Jahren“, weiß Eckert. Deshalb sei es eine der größten Herausforderungen, „sich immer wieder neu zu erfinden“. Nicht die Küche könne man neu erfinden, „aber die Interpretation von Küche“.

Und wer wissen will, wie Küche heute interpretiert wird, der muss sich nur einmal moderne Wohnungsgrundrisse anschauen. Da ist die Küche nicht mehr abgetrennt vom Rest der Wohnung, sondern öffnet sich hin zum Wohnzimmer, oder mehr noch: Die beiden Räume werden eins. Eckert begrüßt diese Entwicklung. So müsse sich die Hausfrau, nachdem die Gäste satt sind, nicht ins Kämmerlein verziehen, um den Abwasch zu erledigen. Sie bleibt einfach da, wo es gesellig ist. Und wenn die Gäste nett sind, tragen die ihr Geschirr gleich selbst zur Spülmaschine. Wie sagte Eckert so schön: „Die Küche als Herzstück des Hauses.“